Xavier Naidoo distanziert sich „von allen Extremen“ – Wird das funktionieren?

In einem knapp 3 Minuten langen Video bittet Naidoo um Entschuldigung und distanziert sich „von allen Extremen“. Das kann aber nicht von heute auf morgen geschehen.

Autor: Ralf Nowotny

Screenshot YouTube/Xavier Naidoo
Screenshot YouTube/Xavier Naidoo

Im Laufe von über 20 Jahren sammelten sich viele Extreme in Xavier Naidoo an: Von der BRD GmbH über die „flache Erde“ bis zu mehr oder weniger verstecktem Antisemitismus und Homophobie in seinen Songtexten und sehr kruden Verschwörungstheorien über gefangene Kinder, denen „Adrenochrome“ abgezapft wird und Endkämpfen zwischen Robotern und Klonen in unterirdischen Tunneln zwischen New York und Deutschland.
Laut seinem neuesten Video distanziert sich Naidoo aber nun von allen Extremen und bittet um Verzeihung. Das ist ein guter, erster Schritt, doch Skepsis daran ist nicht unbegründet.

Das Naidoo-Video

In dem 3:15 Minuten langen Video, welches durch sämtliche sozialen Medien rast, seit es am Abend des 19. April von Naidoo selbst veröffentlicht wurde (weswegen ein Deepfake, wie ihn manche vermuten, eher ausgeschlossen ist), beginnt Naidoo seine Entschuldigung mit folgenden Sätzen:

„Wie euch haben auch mich die Ereignisse der vergangenen Wochen bestürzt und aufgerüttelt. Die brutale russische Invasion in die Ukraine, die Gewalt, die Menschenverachtung, die Tatsache eines Krieges, der gar nicht weit von uns entfernt ist, haben mich schockiert und tief erschüttert.“

Weiter fährt er, offensichtlich anhand der sich nach links und rechts bewegenden Augen und der etwas steifen Aussprache erkennbar ablesend, damit fort, dass seine Betroffenheit daher käme, dass seine Frau aus der Ukraine stamme und ihre Familie dort auch noch lebe – durchaus ein guter Grund, betroffen zu sein und mitzuhoffen, dass es ihrer Familie gut geht.

Dann wechselt Naidoo aber das Thema und geht dazu über, dass er durch viele Gespräche mit Freunden und Betroffenen auch mit seinen eigenen Äußerungen konfrontiert wurde und daher einen Prozess kritischer Selbstreflexion durchläuft. Er habe erkannt, auf welchen Irrwegen er sich teilweise befunden habe und dass er in den letzten Jahren viele Fehler begangen habe.

Ihm sei bewusst geworden, dass er mit seinen Äußerungen seinen Bekanntenkreis und seine Fans vor den Kopf gestoßen habe. Auf der Suche nach der Wahrheit habe er sich letztendlich verrannt, weswegen er sich aber nun von allen Extremen distanziere, vor allem von rechten und verschwörerischen Gruppen.

Dieser Weg wird kein leichter sein

Im obigen Abschnitt habe ich einige Wörter in kursiv geschrieben, und das aus gutem Grund:
Sie zeigen auf, dass Xavier Naidoo zwar vielleicht wirklich seine Äußerungen der letzten zwei Jahre bereut, wozu beispielsweise seine Warnungen vor der COVID-19 Impfung gehören, die einem Genozid gleichen sollen, oder auch sein berühmtes Schluchz-Video, in dem er von Kindern erzählt, denen „Adrenochrome“ abgezapft werde, er sich jedoch nicht wirklich von allen Extremen distanzieren will.

So erzählte er beispielsweise im Mai 2011 im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF, dass Deutschland immer noch ein besetztes Land, somit auch kein echtes Land sei.

Naidoo nahm dabei eine Position an, die damals noch, wie von den Moderatoren auch, eher belächelt wurde, heutzutage aber sich als gefährlich herauskristallisiert: Die sogenannte „Reichsbürger-Bewegung“ vertritt exakt diese Auffassung und scheut sich auch nicht vor, bewaffnet für ihre selbstgeschaffenen Rechte in der „BRD GmbH“ einzutreten.

Der breiten Öffentlichkeit sind Naidoos Verschwörungstheorien, zu denen beispielsweise auch die „Flacherde“ gehört (als Beweis hielt er ein Lineal vor sich und „maß“ den Horizont aus), erst so wirklich bekannt geworden, als er im März 2020 aufgrund eines Videos von ihm aus der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“ flog. Danach legte Naidoo richtig los und verbreitete bis vor kurzem noch wüste Verschwörungserzählungen über die Impfungen und die „herrschende Elite“ auf Telegram.

Doch damit soll nun Schluss sein. Zumindest, was seine Aussagen der letzten zwei Jahre angeht, falls es Naidoo in seinem neuen Video ehrlich meint. Es ist durchaus lobenswert, wenn er seine massiven Fehltritte wirklich erkannt haben sollte und sich ändern möchte! Doch es ist auch zu hoffen, dass dies nicht sein einziger Schritt auf diesem steinigen Weg sein wird.

Und das „Geschmäckle“ bleibt solange. Ist es wirkliche Reue? Ist es nur ein weiterer Schachzug wie 2020 bei RTL, als er hinterher in einem Video sagte, dass er nur in der DSDS-Jury verweilte, um seine neue Platte zu promoten? Und wie weit wird seine Reue gehen? Nur über die Äußerungen der letzten zwei Jahre oder auch darüber hinaus?

Wenn sich zeigen sollte, dass Naidoo sich aktiv gegen die von ihm verbreiteten Verschwörungsmythen stellt, wäre dies ein weiterer guter, aber vor allem nötiger Schritt auf seinem Weg. Er muss bedenken, dass möglicherweise viele seiner Fans aufgrund seiner Aussagen eine Impfung verweigerten und sich und andere dadurch gefährdeten, dass Menschen starben, die nicht hätten sterben müssen. Auch dies muss Naidoo aktiv aufarbeiten.

Und das wird wirklich kein leichter Weg für ihn. Doch wenn er ihn wirklich konsequent bis zum Ende gehen sollte, und zwar inklusive seinen irrigen Äußerungen und Ansichten der letzten 20 Jahre, dann, und nur dann, hat er unseren vollsten Respekt verdient!

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