Wenn das Bier schwurbelt: “entstörte” Barcodes auf der Bierflasche

Autor: Andre Wolf

Was geschieht als Nächstes? Dr. Oetker nennt nicht mehr Bielefeld als Firmensitz, weil es den Konzern dann nicht mehr geben würde? Spargel darf nicht mehr gestochen werden, weil man damit zu viele Zugänge zur hohlen Erde schaffen würde? Wie würde sich unser Leben ändern, wenn Verschwörungstheorien “vorsichtshalber” beachtet werden?


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Die Brauerei “Neumarkter Lammsbräu” hat sich da bereits Gedanken zu gemacht und verwendet aus Neutralitätsgründen einen “entstörten Barcode”, gemeint: der Strichcode enthält einen Querstrich. Dieser Strich quer durch den Barcode blieb nicht unbemerkt und so gab es auf der Facebookseite der Brauerei Neumarkter Lammsbräu dazu folgende Frage (sic): Hallo Lammsbräu, ich bin ein großer Fan eurer Produkte und was ich schon immer mal fragen wollte: was soll der Querstrich im Barcode? Sowas habe ich bei anderen Prdukten bisher noch nicht bemerkt? [1]

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Vielleicht wäre diese Frage nie aufgefallen, vielleicht wäre auch die Antwort nie aufgefallen, wenn sie nicht so geschrieben wurde, wie sie geschrieben wurde. Neumarkter Lammsbräu hat natürlich dem Kunden geantwortet:

Lieber [***],
manche Menschen haben Sorge, Barcodes könnten Energien bündeln und würden damit die Qualität von Nahrungsmitteln beeinflussen. Eine Wirkung, die sich deren Meinung nach durch einen Querstrich im Barcode neutralisieren lässt. Beides ist bisher wissenschaftlich nicht hinreichend belegt, weshalb wir dieser Theorie neutral gegenüberstehen. Da es für uns und den Handel aber keinen Unterschied macht, ob wir unsere Barcodes mit einem Querstrich versehen oder nicht, kommen wir diesem speziellen Kundenwunsch nach.
Viele Grüße,
das Lammsbräu-Team

Barcodes bündeln Energien? Fachwissen von Etikettenwissen.de

Es geht bei diesem ganzen Querstrich und die sogenannte “Entstörung” um eine Verschwörungstheorie. Hierbei nutzen wir nun mit freundlicher Genehmigung die Informationen der Webseite Etikettenwissen.de, die um allerlei Wissenswertes rund um Etiketten informiert:  Die Strichcode-Verschwörung oder Barcode-Verschwörung ist eine Verschwörungstheorie, die den EAN-Strichcodes auf Produkten besondere Eigenschaften zuschreibt. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Theorien, eine mit satanistischem Hintergrund und eine, die aus dem Bereich Strahlung/Energie stammt.

Strichcodes sind Muster aus Linien die im Kontrast zwischen hellen und dunklen Stellen Informationen codieren. Sie werden meist zur Kennzeichnung von Produkten verwendet und enthalten in diesem Fall typischerweise 14 Zahlen zur eindeutigen Zuordnung des Produkts. Aber auch in der Logistik und Produktion sind sie weit verbreitet.

Eine dieser Verschwörungstheorien geht davon aus, dass Strichcodes entweder irgendeine Form von Strahlung aussenden oder empfangen. Die Theorie ist eher in der Esoteriker- und Öko-Szene verbreitet. Die dabei häufigste empfohlene Gegenmaßnahme ist das Durchstreichen oder Übermalen der Strichcodes.

Bei der Strahlungstheorie stellt sich die Frage, wie ein Strich auf dem Code aus einer anderen chemischen Farbe (Kugelschreiber oder Filzstift) die Eigenschaften des Strichcodes selber ändern soll. Wenn „Strahlung“ vom Produkt aufgenommen werden würde, wäre das Problem während einer langen Lagerzeit im Geschäft deutlich ausschlaggebender als bei einer kurzen Lagerzeit in der eigenen Speisekammer, so dass ein nachträgliches Deaktiviern keinen Ausschlag geben würde. Der Strichcode ist jedoch rein passiv, so wie eine Hausnummer, er sendet keine Informationen, sondern wird von einem aktiven Strichcode-Scanner gelesen.

Gedruckte Barcodes

In den meisten Fällen werden die EAN-Codes direkt auf die Produktverpackung bzw. das Etikett gedruckt. In diesen Fällen werden keine besonderen Materialien oder Farben eingesetzt. Es ist nur ein schwarzes Muster auf einem Papier (oder Plastik). Testen kann man dies einfach, indem man an einem herkömmlichen Drucker einen Strichcode ausdruckt, der dann genauso funktioniert.

Wenn der Strichcode irgendwelche Antenneneigenschaften haben sollte oder Schwingungen empfängt, dann müsste das auch für den Rest der Verpackung gelten.

Geklebte Strichcodes

Manchmal werden Strichcodes als Aufkleber auf Verpackungen und Geräte geklebt. Dies sind meist im Thermotransferverfahren oder Thermodirektverfahren gedruckte Aufkleber. Auch hier kommen keine speziellen Materialien zum Einsatz. Es handelt sich um handelsübliche Folien, die keine Strahlung abgeben.

RFID-Etiketten

Der einzige Fall, in dem Strichcode-Etiketten Strahlung abgeben, ist, wenn die Strichcodes auf Transponderetiketten (sogenannte RFID-Etiketten) gedruckt sind. Auch in diesem Fall geht die Strahlung nicht vom Strichcode aus, sondern unabhängig davon von einer kleinen Antenne, die im Aufkleber eingebaut ist.

Diese Transponder senden aber auch nicht von sich aus, sondern nur, wenn sie durch ein Lesegerät mittels Magnetfeld dazu angeregt werden.

Diese RFID-Etiketten werden durchaus kritisch betrachtet, aber nicht aus gesundheitlichen oder energetischen Gründen, sondern vor allem aufgrund des Datenschutzes. Sie werden aber bisher nur selten eingesetzt und sind praktisch nicht an günstigen Verbrauchsprodukten wie Lebensmitteln zu finden.

Und der Strich auf dem Bier?

Und so hat nun auch die Brauerei Neumarkter Lammsbräu durch einen Querstrich „entstört“, offenbar auf Kundenwunsch. Da Barcodes jedoch keinerlei Strahlungs- oder Antennenwirkung haben, kann diese Maßnahme nur dazu dienen, das Gewissen der Kunden zu beruhigen und die Erkennungsrate an der Kasse zu verringern. Der Hersteller steht nach eigenen Angaben dem „Phänomen neutral gegenüber“.

Die Webseite “Etikettenwissen.de” kommt zu einem recht deutlichen Fazit in ihrem sehr informativen Artikel über Strichcode Entstörung: Es ist davon auszugehen, dass diese Theorien zum einen von einer Faszination des Mystischen (Satanismus), zum anderen von technischem Unverständnis und Technikfeindlichkeit ausgehen. Die Strahlungstheorie ist nur durch vollkommenes Ignorieren aller technischen Fakten aufrechtzuerhalten. Jegliche Angst vor dem Barcode ist also vollkommen unbegründet. Das tatsächlich vorhandene Datenschutzproblem von RFID-Transpondern wird so in die esoterische Ecke gezogen und durch Unwissenheit absurd gemacht.

Reaktionen auf die Stellungnahme der Brauerei

Vielleicht hat man den Strich in den Code gesetzt, um es Kunden recht zu machen. Möglich. Aber die Aussage, “neutral” gegenüber Verschwörungstheorien zu stehen, hat der Brauerei eine große Menge an Lacher eingefangen.

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Neben Kommentaren der humorvollen Art gibt es jedoch auch ernsthaft kritische Anmerkungen, welche die neutrale Haltung durch die Brauerei bedauern und dadurch eine indirekte und vermutlich ungewollte Unterstützung von Pseudowissenschaften sehen:

Liebe Lammsbräu Menschen, ich komme aus NRW und bin in den letzten 2 Jahren ein großer Freund eurer Biere geworden. Teilweise nehme ich Umwege auf mich um an eure Produkte zu kommen. Mit eurer Haltung zur Esoterik und Verschwörungstheorien habt ihr allerdings zwischen uns viel kaputt gemacht. Den Forderungen wirrer Esoteriker nachzukommen einfach nur leichtsinnig und verantwortungslos. Die Anhänger der „Energie“-Theorien vermarkten „Neutralisierungswerkzeuge“ zu astronomischen Preisen und treiben Menschen, die auf diese Theorie reingefallen sind, in den finanziellen Ruin. (googelt mal Hildegard Orgonakkumulator und schaut euch den Preis für dieses Essenstablett an…). Indem ihr jetzt also die Forderung dieser esoterischen Strömung nachkommt, befördert ihr ungewollt die Machenschaften der Urheber dieser Theorien, da ihr sie indirekt legitimiert. Für euch mag es nur ein kleiner Strich durch einen Barcode sein. Für andere ist es ein Verkaufsargument für dubiose „ent-energetisierungs“ Tools…
Ich werde in Zukunft einen Bogen um eure Produkte machen und zu alternativen im Regal greifen, sehr bedauerlich.

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