Verletztem Wolf darf in Deutschland nicht geholfen werden

Der Umgang mit dem Wolf: Ein Thema, das die Gesellschaft immer wieder spaltet. Und noch mehr, wenn Gesetze regeln, dass verletzten Tieren nicht geholfen werden darf.

Autor: Claudia Spiess

Ob als gefährlicher Isegrim in Märchen, Fabeln und Gruselgeschichten oder auch als geheimnisvolles und interessantes Rudeltier: Er wird einerseits bewundert und geliebt, andererseits auch gefürchtet. Ein Mix, der bei Themen rund um Canis Lupus – so sein lateinischer Name – immer wieder für heiße Diskussionen sorgt.

Verletzter Wolf wird in Tschechien gesund gepflegt

Aktuell verbreitet sich auf Facebook die Geschichte eines jungen Wolfes, der in Tschechien wohl von einem Auto angefahren wurde. Er wurde im Straßengraben gefunden, zeigte keine Regungen, war allerdings wach. So wurde er zu einer Tierambulanz gebracht, in der Tierärzte sich nun um seine Genesung bemühen.

Aufnahme eines verletzten Wolfs in Tschechien / Screenshot Facebook-Beitrag
Aufnahme eines verletzten Wolfs in Tschechien / Screenshot Facebook-Beitrag

Gleichzeitig wird in diesem Facebook-Beitrag kritisiert, wie im Gegensatz zu Tschechien in Niedersachsen mit derartigen Fällen umgegangen wird:

„… wenn hier ein Wolf wie beschrieben gefunden wird, wird nur kurz geprüft: kann das Tier aus eigener Kraft aufstehen, sich fortbewegen? Wenn der Wolf das nicht kann – wird er in Niedersachsen auf der Stelle getötet, weil der zuständige Minister festgelegt hat: IN NIEDERSACHSEN DARF EINEM z.B. ANGEFAHRENEN VERLETZTEN WOLF NICHT GEHOLFEN WERDEN …“

Facebook-Beitrag

Die Kommentare sprechen zum Großteil dieselbe Sprache: Lob und Freude, dass dem verletzten Tier in Tschechien geholfen wird, Unverständnis und Empörung über die Gesetzeslage in Deutschland, die untersagt, dass in einem solchen Fall geholfen werden darf. Stattdessen erfolgt hier die Entnahme des Wildtieres.

Was bedeutet „Entnahme“?

Wölfe sind in Deutschland streng geschützt. Jedoch kann es aus verschiedenen Gründen zur Entnahme kommen.

„Die Entnahme schließt das Fangen, aber auch das Töten einzelner Tiere ein. Wenn eine Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde des entsprechenden Bundeslandes vorliegt, kann die Entnahme in Einzelfällen durch fachkundige Personen angeordnet werden.“

Zur Entnahme bzw. Tötung kann es dann kommen, „wenn ein Wolf sich Menschen gegenüber aufdringlich zeigt, er wiederholt und trotz Schutzmaßnahmen Nutztiere in großem Maße tötet („erheblicher wirtschaftlicher Schaden“) oder wenn er aufgrund eines Unfalls, illegaler Verfolgung oder Krankheiten Schmerzen leidet und eine Behandlung nicht erfolgversprechend ist, dann kann ein Wölf getötet werden. Diese Regelungen sind durch § 45 des Bundesnaturschutzgesetzes definiert.“

NABU FAQ – Wölfe in Deutschland

Für das angeführte Beispiel Niedersachsen liegt ein solcher Beschluss vor. (Niedersächsische Wolfsverordnung NWolfVO, Erläuternder Erlass zu § 9 NWolfVO)
Unter § 9 der NWolfVO wird auf die Entnahme eines schwer verletzten oder erkrankten Wolfes eingegangen:

„(1) 1Die Entnahme eines Wolfes mit dem Ziel, diesen von seinen Leiden zu erlösen, ist als Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG zugelassen, wenn dieser so schwer verletzt oder erkrankt aufgefunden wird, dass er nach Hinzuziehung und Urteil einer Tierärztin oder eines Tierarztes erhebliche Schmerzen erleidet und aus eigener Kraft nicht mehr gesunden wird. 2Bei Verkehrsunfällen mit Wölfen ist auch die Einschätzung der jagdausübungsberechtigten Person ausreichend.

(2) 1Von der Ausnahme nach Absatz 1 darf nur eine Tierärztin oder ein Tierarzt oder eine andere für die Entnahme sachkundige Person Gebrauch machen. 2Die Befugnisse der Polizei bleiben unberührt. 3Die zuständige Person hat die zuständige Naturschutzbehörde über die Entnahme nach Absatz 1 zu unterrichten.“

NWolfVO

Auch ist dies durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG § 44 Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten, Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) § 45 Ausnahmen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen) geregelt.

Im tschechischen Naturschutzgesetz hingegen findet sich unter Abschnitt 52 – „Rettungsprogramme für besonders geschützte Arten“ einen Passus, der Folgendes anführt:

„(2) Wer ein besonders geschütztes Tier aufnimmt, das infolge Verletzung, Krankheit oder sonstiger Umstände vorübergehend oder dauerhaft in freier Wildbahn nicht überlebensfähig ist, ist verpflichtet, es unverzüglich einer Auffangstation zur Behandlung zu übergeben. Die Rettungsstation führt Aufzeichnungen über aufgenommene besonders geschützte Tiere und Aufzeichnungen und über deren Behandlungsverlauf. Termin, Ort und Art der Auswilderung eines geheilten, besonders geschützten Tieres werden immer von der Auffangstation der zuständigen Naturschutzbehörde mitgeteilt.“

Naturschutzgesetz Tschechien – Zákon č. 114/1992 Sb. (übersetzt mit DeepL Translator)

Fazit

Ja, in Deutschland darf verletzten Wölfen nicht geholfen werden.

Dazu muss man bedenken, dass im Fall des Gesundpflegens eines verletzten Wildtieres dieses wieder zurück in die Natur sollte. Eine Auswilderung nach längerem Aufenthalt in einer Tierklinik oder einer Rettungsstation gestaltet sich schwierig. Und nicht jeder Wolf zeigt sich so kooperativ wie jener in Tschechien.

Der Vollständigkeit halber: Auf der Facebook-Seite von „Drosera Bublava“, jener Rettungsstation in Tschechien, die sich um das verletzte Jungtier kümmert, kann man dessen Fortschritte mitverfolgen.

Quelle:

Niedersächsische Wolfsverordnung, NABU, Naturschutzgesetz Tschechien – Zákon č. 114/1992 Sb.
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