TTIP – Das Hickhack um das Freihandelsabkommen

Autor: Ralf Nowotny

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Seit 2013 lodern die Diskussionen um das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Deutschland, auch TTIP genannt. Nicht ohne Grund, denn es gibt so viele Informationen und Desinformationen darüber, dass man kaum noch weiß, woran man überhaupt ist. Wir werden versuchen, euch ein wenig Durchblick durch den TTIP-Dschungel zu schaffen.

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„Vive la Fance
TITIP GESTOPPT !!!
Frankreich hat alle Vrhandlungen abgebrochen !!!“

…so ein Meme, welches sich Anfang Mai 2016 auf Facebook verbreitete. Fairerweise müssen wir betonen, dass die Ersteller jenes Memes ihren Fehler bereits korrigierten, da Frankreich lediglich sagte, das TTIP-Abkommen in seiner jetzigen Form nicht zu unterschreiben. Die Begründung ist einleuchtend: Amerikanische Konzerne werden durch TTIP übervorteilt, europäische Umwelt- und Verbraucherschutzstandards werden unterwandert. Die Drohung Frankreich verzögert jedoch die Verhandlungen erheblich, was TTIP-Gegner befürworten.


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Auffällig auf Facebook ist, dass jedoch viele „aus Prinzip“ demonstrieren, ohne genau zu wissen, worum es überhaupt geht. In seiner jetzigen Form ist jenes Freihandelsabkommen aus gutem Grund vielen ein Dorn im Auge, anhand der Facebook-typischen „Informationsblase“, in der sich viele User befinden, scheint man nur von den Nachteilen zu hören und fragt sich deshalb, warum viele europäischen Regierungen TTIP zustimmen. Aus diesem Grund wollen wir euch jenes TTIP ein wenig näherbringen, damit ihr euch einfacher ein Urteil bilden könnt, was daran gut ist und was eher schlecht für uns aussieht.

Was bedeutet TTIP?

Das ist die Abkürzung für Transatlantic Trade and Investment Partnership, also eine Vereinbarung, wie zukünftig der Handel und die wirtschaftlichen Investitionen zwischen zwei Kontinenten, in diesem Fall Europa und den USA, stattfinden wird.

Wozu soll das gut sein?

Für den Handel von Waren und Dienstleistungen hat jedes Land seine eigenen Regeln. In Europa gelten z.B. bestimmte Lebensmittelvorschriften, die beachtet werden müssen. Waren aus dem Ausland, die jenen Vorschriften nicht entsprechen, dürfen auch nicht importiert werden. Für den Verbraucher ist das natürlich eine gute Sache, da man sich somit sicher sein kann, dass keine Stoffe in Lebensmitteln oder Gütern enthalten sind, die hier eigentlich verboten sind. Umgekehrt schützen sich ausländische Staaten damit auch vor dem übermäßigen Import. Wenn z.B. in den USA die Autoindustrie boomt, kann eingeschränkt werden, dass Autos aus Deutschland importiert werden.

Und das Freihandelsabkommen? Dahinter steckt eher eine Ideologie, die sich im 19. Jahrhundert stark verbreitete: Würde man jene Beschränkung von einzelnen Ländern aufheben, so würde es letztendlich dem Wohlstand aller Nationen dienen. Dagegen wird argumentiert, dass dadurch heimische Firmen und Händler durch Billigprodukte aus dem Ausland unter Druck gesetzt werden und letztlich pleitegehen. Es würden im Endeffekt nur noch die „Big Player“ übrigbleiben.

Sind Freihandelsabkommen erfolgreich?

Das TTIP wäre nicht das erste existierende Freihandelsabkommen. Die uns am Bekanntesten ist die EU, in der zwischen allen Ländern frei gehandelt werden darf. Positiv kann man dazu sagen, dass dadurch die EU zur sehr starken Wirtschaftskraft wurde. Negativ ist aber, dass wirtschaftlich schwächere Länder, wie z.B. das in den letzten Jahren häufig in die Schlagzeilen geratene Griechenland, dadurch benachteiligt werden. Die Grundidee also, dass damit alle Länder zu Wohlstand kommen, ist also nur sehr bedingt. Andernorts sind Freihandelsabkommen relativ erfolgsversprechend, so bringt das nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) zwischen den USA, Kanada und Mexiko den Ländern viele Vorteile.

Was würde sich durch TTIP alles ändern?

Als erstes würden dadurch die Zollgebühren wegfallen, was Waren aus den USA für uns billiger machen würde. Firmen haben dann außerdem den Vorteil, dass sie sich auch Übersee auf öffentliche Ausschreibungen bewerben können. Klingt gut, ist aber auch wieder ein Nachteil für die kleineren Firmen: Ingenieur Ted aus Buxtehude kann da nicht mithalten, wenn das Ingenieurskollektiv Sven aus den USA die Preise immer locker unterbieten kann.

Technische Normen und Standards würden einander angepasst werden. Sollte es spezifische Standards geben, so muss das exportierende Land seine Produkte jenen Standards anpassen. Im Großen und Ganzen würde dies den Exportaufwand und somit auch die Kosten verringern. Allerdings betrifft dies auch viele andere Bereiche, z.B. Kosmetik, Medikamente und Pflanzenschutz. Gerade im letzteren Punkt erhitzen sich die Gemüter, Stichwort: Glyphosat.

Viele andere Regelungen würde es dadurch ebenfalls geben, insbesondere was die Lebensmittelindustrie angeht. Hier bestehen die größten Proteste, da z.B. die europäische Lebensmittellobby dazu drängt, regionale Produkte explizit auszuweisen. Somit soll klar erkennbar sein, ob ein Lebensmittel in der EU hergestellt oder aus den USA importiert wurde. Viele Verbraucher begrüßen diese Forderung, die USA jedoch sieht darin eine „Brandmarkung“ und Benachteiligung von US-Produkten.

Worüber wird alles verhandelt?

Im medizinischen Bereich gibt es sehr viel Handlungsbedarf. Das fängt schon damit an, dass in der EU die Medikamentenhersteller ihre Preise nicht beliebig festlegen können, in den USA schon. Außerdem müssen Medikamente sowohl in den USA als auch in der EU neu geprüft werden, ob sie deren Standards entsprechen. Umgekehrt gibt es in der EU z.B. sehr laxe Regeln für Brustimplantate, die man sich günstig (und ohne größere medizinische Prüfung) in Polen oder Rumänien machen lassen kann. In den USA werden solche Zulassungen aber durch die Arzneimittelbehörde FDA kontrolliert, „Pfuscherärzte“ haben da keine Chance. In jenen Fällen müssen also die Standards auf jeden Fall angeglichen werden.

Für jedes kleine Fitzelchen Technik gibt es in der EU Standards, von der Glühbirne bis zum kleinsten Schräubchen. Alles ist sehr genau geregelt. Die USA hat da natürlich andere Standards, somit muss jeder kleine Standard einander abgeglichen werden. Zwangsweise werden dadurch aber auch viele Regelungen entschlackt. Gut für die Hersteller, aber natürlich will da auch jeder mitreden.

In der Landwirtschaft gibt es den größten Knatsch: Die europäischen Umweltauflagen sind hoch, was in den USA an Pestiziden erlaubt ist, würde es hierzulande nicht über die Grenze schaffen. Der Grund, warum das so problematisch ist, beschreiben wir im nächsten Absatz.

Der Verbraucherschutz

In Europa haben wir das sogenannte „Vorsorgeprinzip“. Das bedeutet: Inhaltsstoffe von Arzneien oder Lebensmittel dürfen erst verwendet werden, wenn dessen Unschädlichkeit zweifelsfrei festgestellt ist.
Die USA hingegen haben das „Nachsorgeprinzip“. Das bedeutet: Inhaltsstoffe dürfen verwendet werden, solange dessen Schädlichkeit nicht bewiesen wurde.
Aus unserer Sicht ist dies also ein Nachteil. Umgekehrt allerdings haben die USA schärfere Standards betreffend Aromastoffe und Kinderspielzeuge. Im Endeffekt müssen also, um einen Kompromiss zu finden, beide Seiten ihre Vorschriften aufweichen. Das mag ja für die Wirtschaft gut sein, der Verbraucher allerdings hat da eher den Nachteil.

Lob und Kritik zusammengefasst

Die Marktvielfalt würde damit auf jeden Fall steigen. Durch den vereinfachten Ex- und Import von Waren vergrößert sich der Markt für europäische Firmen immens. Dadurch alleine würden die Gewinne schon steigen, aber durch vereinfachtere Standards und Wegfall des Zolls würden sich auch die Produktionskosten und somit letztendlich die Preise vermindern. Letzteres ist natürlich auch ein Vorteil für die Verbraucher.

Verbraucher sind aber kritisch. Es geht ja nicht nur um das liebe Geld, sondern auch um die Gesundheit, und da schaut es schon weniger gut aus. Bisher wurde man quasi von den EU-Regelungen gut behütet, durch das TTIP könnten aber Inhaltsstoffe in den Lebensmitteln und Pestizide auf die Felder gelangen, die teilweise höchst umstritten sind, und das nicht grundlos.

Ebenso strittig war natürlich auch die Geheimhaltung rund um TTIP. Bis zum Leak der Dokumente seitens Greenpeace Anfang Mai 2016 wusste Otto Normalverbraucher fast gar nichts über die genauen Verhandlungen, lediglich fertige Punkte wurden als Dokumente online gestellt. Nun ist aber ersichtlich, in welchen Punkten sich die EU und die USA noch nicht einig sind, und da rappelt es genau: Für den Verbraucher eigentlich unstrittige Punkte, z.B. kein „Chlohrhuhn“ in europäischen Supermärkten, sind nicht etwa erledigt, sondern werden noch verhandelt.

Die Befürchtung ist groß, dass es in den TTIP-Verhandlungen weniger um den Schutz der Verbraucher geht, sondern die Interessen der Wirtschaft und der Politik überwiegen. Somit sind viele Proteste gegen TTIP nicht nur berechtigt, sondern auch nötig.

Fazit

Das US-Europäische Freihandelsabkommen TTIP mag vom Grundgedanken her gut sein. Es klappt z.B. wunderbar zwischen China und den südostasiatischen Ländern, auch zwischen den USA, Kanada und Mexiko klappt dies ohne Probleme. Dies sind aber auch alles Länder, die durch ihre enge Nachbarschaft ohnehin schon fast gleiche Standards hatten und haben. Europa und die USA haben sich jedoch in vielerlei Hinsicht unterschiedlich entwickelt. Ein Freihandelsabkommen brächte größtenteils der Wirtschaft Vorteile, der Verbraucher hingegen hat zwar mit günstigeren Preisen und mehr Arbeitsplätzen Vorteile, aber dafür evtl. giftigen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln eher den Nachteil.

Die Verhandlungen um TTIP werden noch mindestens bis Herbst 2016 andauern. Bis dahin sollte man die noch offenen Verhandlungspunkte kritisch hinterfragen, ob sie nur der Industrie dienen oder auch dem Verbraucher. Politiker können noch so viel Imagepflege für TTIP betreiben; dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass im momentanen Entwurf es immer noch zu viele Nachteile für Europa und die dortigen Verbraucher gibt. Frankreich tat ein Gutes daran, als Erstes sich öffentlich vom jetzigen Entwurf zu distanzieren. Dies gibt Hoffnung, dass sich dort noch einiges ändert oder TTIP endgültig kippt.

In der Zwischenzeit können wir nur hoffen, dass sich Politiker und Lobbyisten nicht als Politiker und Lobbyisten verhalten. Sondern als Menschen.

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