Die Sprachnachricht einer Politikerin und ihr Aufruf zum Umsturz

Autor: Ralf Nowotny

Die Sprachnachricht einer Politikerin und ihr Aufruf zum Umsturz
Artikelbild: Shutterstock / Von Lightspring

Seit zwei Wochen kursiert die Sprachnachricht einer Politikerin, die uns die Wahrheit über alles erzählen möchte – behauptet sie zumindest.

Die über 9 Minuten lange Sprachnachricht beginnt damit, dass die Politikerin erzählt, sie sei in der Vorstandsschaft der Region Pfaffenhofen/Freising und seit drei Jahren in der Politik tätig. Mittlerweile ist auch bekannt, dass es sich bei der Frau um die Schriftführerin des AfD-Kreisverbandes Freising-Pfaffenhofen, Andrea Haberl, handelt.
Die Sprachnachricht ist beispielsweise HIER und HIER zu finden.

Die Behauptungen der Politikerin in der Sprachnachricht

  • Infektionsschutzgesetz gehe am Freitag (16.4.) komplett durch
  • Das Gesetz bedeutet, dass Merkel die alleinige Macht und Herrschaft hat
  • Es ginge nie um Corona, das war nur ein Vorwand, um die Weltbevölkerung zu reduzieren
  • Merkel gehöre zu einer Elite, die den „Great Reset“ einläute, was bedeute, dass alle enteignet werden
  • Wir sollen alle vom Staat abhängig werden, Essen und Wohnungen werden vom Staat zugeteilt
  • Als Nächstes werde es einen „Klima-Lockdown“ geben
  • Wer als Bürger nicht gehorcht, dem werden beispielsweise die Kinder entzogen
  • Demnächst werden alle Lebensmittel geschlossen, Ausgehverbot auch tagsüber, einkaufen nur 1x die Woche
  • Die Corona-Impfung sei tödlich und diene nur der Reduzierung der Weltbevölkerung
  • Die einzige Rettung sei eine Stürzung des Systems

Haberls Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz

Das Infektionsschutzgesetz (siehe HIER) ist an sich nichts Neues, es wurde bereits am 20. Juli 2000 erlassen und ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.

Geregelt wird darin die notwendige Mitwirkung und Zusammenarbeit von Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, Ärzten, Tierärzten, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie sonstigen Beteiligten bei gemeingefährlichen und übertragbaren Krankheiten.

Die große Diskussion betrifft eine Änderung jenes Gesetzes, welche im November 2020 beschlossen wurde (siehe HIER). Bisher stand im § 28 IfSG nur eine Generalklausel, dass „notwendige Maßnahmen“ ergriffen werden können, doch war nie geregelt, wie diese denn aussehen sollten.

Deshalb gibt es nun einen §28 a, b und c (siehe HIER, HIER und HIER), in denen die notwendigen Schutzmaßnahmen gesetzlich exakt festgelegt wurden – und wer sich mal die Zeit nimmt und diese durchliest, wird feststellen, dass dies alles andere als ein „Ermächtigungsgesetz“ ist.

So wird in den neuen Paragrafen exakt geregelt, wie Behörden zu verfahren haben, welche Grenzwerte gelten, was gestattet und was verboten ist. So kann es nicht dazu kommen, dass einzelne Politiker und Verbände freimütig entscheiden, wie sie handeln wollen.

Konkret sieht das Gesetz also Begründungspflichten und zeitliche Beschränkungen für Maßnahmen vor – das exakte Gegenteil eines Ermächtigungsgesetzes, durch das nichts begründet werden muss!

Zudem ist das Gesetz nicht unantastbar, Richter dürfen weiterhin darüber entscheiden, ob die Regelungen in lokalen Fällen wirklich nötig und mit dem Grundgesetz vereinbar sind – an einem echten Ermächtigungsgesetz könnten und dürften Richter hingegen gar nicht rütteln.

Der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933, welches nur durch die Verhaftung von KPD-Abgeordneten, der Annullierung ihrer Mandate und einer Abstimmung in Anwesenheit bewaffneter SA- und SS-Soldaten beschlossen werden konnte, ist also absolut fehl am Platz.

Haberl und der „Great Reset“

Die Politikerin bezieht sich dabei auf einen Verschwörungsmythos, der seit einiger Zeit kursiert – die Behauptung, dass damit die „Versklavung der Menschheit“ eingeläutet werde.

Bei „The Great Reset“ handelt es sich um ein real existierendes Motto des World Economic Forums (Weltwirtschaftsforum), das auf YouTube (siehe HIER) in einem kurzen Video vorgestellt wird.

Bei dem Weltwirtschaftsforum (siehe HIER) handelt es sich um eine Stiftung, die jährlich ein Treffen in Davos in der Schweiz abhält, zu dem international führende Wirtschaftsexperten, Politiker, Wissenschaftler, gesellschaftliche Akteure und Journalisten geladen sind.

Inhaltlich geht es beim Great Reset um eine Zusammenarbeit globaler Akteure, um die direkten Folgen der COVID-19-Krise zu bewältigen: Nach der Pandemie solle global zusammengearbeitet werden, um die Weltwirtschaft insgesamt grüner und sozialer zu gestalten.

Das Motto des nächsten Treffens soll „The Great Reset“ sein – und Verschwörungsmythiker deuten die eigentliche Bedeutung des Mottos gerne um und behaupten, die COVID-19 Pandemie sei entweder ein Vorwand oder sogar gänzlich erfunden, um eine Art weltweite „digitale Diktatur“ zu errichten, durch die die Menschheit versklavt werden soll (siehe HIER).

Weitere Behauptungen

In diversen Sätzen behauptet die Politikerin beispielsweise, dass die Corona-Impfungen insgesamt tödlich sind und der Reduzierung der Weltbevölkerung dienen. Als Beweise dafür werden immer wieder Statistiken verbreitet, die sich jedoch immer wieder als falsch interpretiert oder komplett falsch herausstellten (wir berichteten beispielsweise HIER und HIER und HIER).

Zudem behauptet Haberl, dass mRNA-Impfungen bis vor kurzem noch verboten waren, was jedoch ebenfalls nicht der Fall ist. Seit den 1990er-Jahren werden mRNA-Impfstoffe erforscht, diverse Impfungen für Haustiere sind mRNA-Impfungen, Studien Anfang 2017 zeigten, dass mRNA-Impfungen auch bei Menschen hervorragend wirken, so Tal Zaks, Chief Medical Officer von Moderna Therapeutics.

Auch von einer Impfpflicht, von der Haberl in ihrer Sprachnachricht redet, ist nichts zu sehen, es findet sich eine solche auch nicht in den neuen Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes. Zwar könnte es durch einen digitalen Impfausweis Reisen leichter möglich sein, auch ist denkbar, dass dies den Besuch von Einkaufszentren und anderen Gewerben erleichtere, doch gibt es darüber noch gar keine Entscheidungen.

Eine andere Behauptung Haberls ist, dass man durch die abendliche Ausgangssperre nicht mal mehr in den eigenen Garten dürfe. Dies ist ebenfalls falsch!
Im § 28b IfSG steht, dass man sich „außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft und dem jeweils dazugehörigen befriedeten Besitztum“ nicht zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens aufhalten dürfe. Der Umkehrschluss: In der eigenen Wohnung und im eigenen Garten (befriedeter Besitztum) darf man sich sehr wohl auch nachts aufhalten (siehe auch unseren Artikel dazu HIER)

Fazit

Die Behauptungen der Politikerin sind in sämtlichen Punkten falsch und fußen zum größten Teil auf bereits lange bekannten und widerlegten Verschwörungsmythen.

Seit Montag, den 19. April, sollte also Angela Merkel bereits die Alleinherrschaft haben und wir quasi in einer Diktatur leben. Muss uns aber doch irgendwie entgangen sein, dass wir alle enteignet wurden.

Laut dem Rechtsanwalt Chan-jo Jun (siehe HIER) kann Haberls Aufruf zum Umsturz im Extremfall sogar als Straftat bewertet werden, wenn dieser als „hinreichend ernster und bestimmter Beginn der Unternehmung“ gewertet wird.

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Weitere Quelle: Faktenfuchs
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