Original Play und die Ängste vieler Eltern

Autor: Andre Wolf

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Infoartikel Original Play
Infoartikel Original Play

Original Play verunsichert viele Eltern mit Kindern im Kindergartenalter. Was ist das überhaupt?

Wer hat ohne Wissen der Eltern Kontakt mit den Kindern im Kindergarten und wie sieht dieser Kontakt aus? Es sind viele Fragen, die Eltern beschäftigen. In diesem Artikel werden wir Original Play genauer anschauen. Dieser Artikel dient daher der Information, welche Vorwürfe gegen das Konzept erhoben werden, was Original Play selbst ist, wie die kritischen Punkte aussehen und welche Reaktionen es bereits gegeben hat.

Der Anlass für die Diskussion um Original Play ist eine Reportage von ARD Kontraste gemeinsam mit dem ORF. Diese wurde am 24.10.2019 veröffentlicht. Darin kommen unter anderem Eltern zu Wort, die über Missbrauchsfälle sprechen [1]. Es handelt sich dabei teilweise um schwere Vorwürfe:

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„Anfangs war es immer so, wenn ich meine Tochter aus der Kita geholt habe, hat sie gesagt, der Po tut weh oder der Intimbereich, dass sie da einen Dorn drin hätte. Sie wollte nicht mehr zur Kita gehen, hat morgens geweint. Sie hätte Ängste. Letztes Jahr im Juni, kam sie dann und hat aus heiterem Himmel gesagt, dass dieser Mann, der dieses Original Play anbietet, ihr den Penis in den Po gesteckt hat.“

Der gesamte Beitrag von ARD Kontraste zu diesem Thema:

Die Reportage hinterlässt viele Fragen und wirft auch zunächst ein wenig ins kalte Wasser, da viele Menschen diese beschriebenen Methoden gar nicht kannten. Gehen wir zunächst darauf ein, was Original Play überhaupt ist.

Eigenbeschreibung Original Play

Grundsätzlich handelt es sich bei Original Play um ein nach eigenen Angaben pädagogisches Konzept, in dem Menschen miteinander spielend Aggressionen abbauen. Dabei wird der Körper als Spielfläche genutzt, Spielzeuge an sich kommen nicht zum Einsatz. Kritische Stimmen merken an, dass es für diese Effekte jedoch keine Belege gibt, sondern es sich um Behauptungen handelt.

Original Play wurde von Fred O. Donaldson entwickelt. Fakt ist, dass Fred Donaldson vor über 40 Jahren die Idee hatte und zwar nur er allein. Er hat Geographie studiert und keine pädagogische oder psychologische Ausbildung. Eine Überprüfung seiner Methode hat es bis dato noch nicht gegeben.

Es handelt sich bei Original Play um eine Stiftung mit Sitz in Polen, die weltweit tätig ist [2]. In Österreich ist die Stiftung als Verein firmiert [3]. Auf der Webseite des Vereins liest man als zusammenfassende Kurzerklärung zum Grundgedanken des pädagogischen Konzepts:

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Original Play versucht, die Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen zu verbessern, indem Aggression und Gewalt zwischen Menschen durch Freundlichkeit und Liebe ersetzt werden und jedes Kind sich sicher und geliebt fühlt.

In dem klassischen Konzept geht es darum, dass ohne Regeln, ohne Wertigkeiten und Hierarchien Menschen verschiedener Altersklassen und Geschlechter miteinander spielen und voneinander lernen. Dazu gehören auch Berührungen. Das Ziel des Konzepts ist es unter anderem, dass das Selbstwertgefühl gestärkt wird und die Teilnehmenden erfahren, wie man mit Konflikten und Rivalität, aber auch Stress und Angst umgeht [4]. Es geht nicht um Wettkampfsituationen, sondern darum, aufeinander Acht zu geben.

Das Konzept an sich muss nicht negativ sein und nicht zwingend zwischen Erwachsenen und Kindern angewendet werden, sondern auch ausschließlich unter Erwachsenen stattfinden. In einem Interview mit Voralberg Online beschreibt die Pädagogin Sabrina Stadelmann dabei das Spielen zwischen Elternteil und Kind [5]:

„Grundsätzlich ist dieses ‚Original Play‘ etwas sehr Wertvolles. Das ursprüngliche natürliche Spiel ist etwas, das bei den Kinder [sic] heutzutage immer mehr verloren geht. Natürlich braucht es aber einen geschützten Raum, in dem das stattfinden kann. Bei uns heißt das: Berührung gehört immer zusammen mit Beziehung“

Auch der Standard berichtet in dem Artikel „Wenn Fremde zum Raufen kommen“ [6] mit Vertretern von verschiedenen Einrichtungen gesprochen, die in der Vergangenheit das Angebot von Original Play angenommen haben. Dabei betonen alle Vertreter, dass sie keine negativen Erfahrungen gemacht haben und die Eltern jeweils aufgeklärt waren, um was für ein Angebot es sich handelt.

Kritikpunkt an Original Play: Fremde Personen & fehlende Kontrollen

Das Konzept des Original Play wird dabei durch Spielleiter von Original Play an Kindergärten oder Kindertagesstätten umgesetzt, die diese Spielleiter einladen. Es handelt sich bei diesen SpielleiterInnen um den Kindern zunächst fremde Personen.

Diese Spielleiter werden bei Original Play intern ausgebildet. Dazu gibt es Workshops und Vorträge, an denen man teilnehmen kann. Diese Workshops werden in unterschiedlichen Ländern angeboten und man kann sich über die Webseite der Stiftung dafür anmelden [2].

Screenshot: Workshopangebot Original Play
Screenshot: Workshopangebot Original Play

Diese Lehrlinge, wie sie in den Workshops genannt werden, gehen im Rahmen des Original Play im Anschluss als externe Spielleiter an jene Einrichtungen (beispielsweise Kindergärten), die das Angebot des Original Play beinhalten.

Hierzu hat der MDR beispielsweise mit einem „Lehrling“ gesprochen, der bereits zwei Kurse besucht hat. In dem Artikel „Experten warnen Kitas vor ‚Original Play'“ schildert er [7]:

„Wenn das von außen mal jemand betrachtet, dann wirkt das natürlich auf einer ganz anderen Ebene bei denjenigen, weil wir es einfach gar nicht gewöhnt sind, dass wir liebevoll und auch körperlich mit anderen sind. Im Sinne von: uns umarmen, uns streicheln oder einfach nur zulassen, dass wir auch Berührungen austauschen können.“

Doch es ist genau diese fehlende Distanz zwischen Kindern und fremden Personen, die kritisch im Blickpunkt steht. Zusätzlich gibt es neben dem Konzept selbst einen weiteren Punkt:

Für eine Kursgebühr von 210€ (an anderen Stellen werden 250€ genannt) werden Menschen dazu intern ausgebildet, um als externe Spielleiter an Kindergärten oder Kitas zu spielen. Hier wiederum liegt kein Gegencheck über die Qualifikationen oder Herkunft der Spielleiter vor. Dies bemängeln auch ECPAT Österreich und der Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren und fordern verpflichtende und überprüfbare Kinderschutzstandards. In einer Pressemitteilung lautet es [8]:

Kinderschutzrichtlinien bzw. Kinderschutzkonzepte für Organisationen, die mit Kindern arbeiten, machen eine intensive Auseinandersetzung mit den Risiken für Kinder durch das eigene Angebot notwendig und beinhalten eine Fülle von präventiven Maßnahmen, um etwaigen Risiken zu begegnen. Eine Kinderschutzrichtlinie ist ein Instrumentarium, das auf verschiedenen Ebenen einer Organisation ansetzt, um Gewalt gegen Kinder zu verhindern. Ein Strafregisterauszug allein reicht hier sicher nicht.

Auch die SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid fordert einheitliche Qualitätsvorgaben für Kindergärten. So sollen ihrer Ansicht nach externe Vereine in Zukunft österreichweiten Richtlinien entsprechen und geprüft sein. Dieser einheitliche Qualitätsrahmen mit pädagogischen Standards wäre dann laut Hammerschmidt die Grundlage, um externe Anbieter zu prüfen bzw. für den Einsatz in Kindergärten und Horten zu akkreditieren [9].

Am Ende geht es also nicht allein darum, dass fremde Personen engen Körperkontakt mit Kindern haben, sondern auch darum, dass man überhaupt nicht erkennen kann, welche Intention diese Spielleiter haben.

Die in der Reportage befragte Traumatherapeutin Michaela Huber sieht in dem Konzept und dem Aspekt, dass lediglich ein Seminar für eine Ausbildung ausreiche, den Zugang auch zu Übergriffen auf Kinder [10].

„Für mich, in meinen Augen, ist das eine Einladung zur Übergriffigkeit gegenüber Kindern.“

Verschiedene Stimmen aus der Fachwelt kritisieren zusätzlich den Verein stark. Karl-Heinz Brisch, Kinderpsychiater an der Universität München und der Paracelsus Privatuniversität Salzburg, zweifelt beispielsweise die Wirksamkeit und Seriosität der Methode energisch an [11]. Die die Psychologin Ulrike Schiesser von der Österreichischen Bundesstelle für Sektenfragen sieht indes sogar sektenähnliche Strukturen in dem Verein.

Direkte Reaktionen

Mittlerweile haben ein Großteil der Schulen und Kindergärten in Österreich die Zusammenarbeit mit dem Verein ausgesetzt, in Niederösterreich darf der Verein nicht mehr tätig sein [12]. Die Reportage von ARD und ORF hat somit dazu geführt, dass die Politik einheitliche hohe Qualitätsstandards fordert, die externe Vereine in Kindergärten und Schulen erfüllen müssen.

Auch Original Play hat reagiert und ein Statement veröffentlicht, in dem die Stiftung jede Form von Missbrauch und Gewalt verurteilt. So lautet es darin, dass der Schutz für Kinder prinzipiell an oberster Stelle stehe [13].

Doch nicht allein die Zusammenarbeit mit der Stiftung wurde vielerorts eingestellt, es wurde auch am vergangenen Montag von der Volksanwaltschaft in Österreich ein Prüfverfahren gegen den Verein eingeleitet [14].

Auch in Deutschland gibt es Reaktionen: Aus einem Artikel der Berliner Zeitung kann man entnehmen, dass die Berliner Senatsverwaltung ein Verbot von Original Play in den Berliner Kitas prüft. Nach Angaben der Sprecherin Iris Brennberger gibt es Anhaltspunkte, dass es im Zusammenhang mit Original Play zu Kindeswohlgefährdungen kommen könnte [15].

Unsicherheit wegen Original Playauf Social Media

Auch auf Social Media äußert sich eine gewisse Unsicherheit unter Eltern. In speziellen Postings und mit Kettenbriefen werden Eltern dazu aufgefordert, sich an den örtlichen Kindergärten und KiTas zu erkundigen, ob dort Original Play Angebote stattfinden. Dabei handelt es sich um Postings wie dieses hier [16]:

Screenshot: Warnung vor Original Play
Screenshot: Warnung vor Original Play

Neben diesen Hinweisen gibt es bereits auch Petitionen, in denen ein Stopp von Original Play an Kindergärten und Kindertagesstätten gefordert wird [17].

Wie es mit Original Play weitergehen wird, zeigt sich in den nächsten Wochen. Da es sich aktuell um einen laufenden Vorgang in Deutschland und Österreich handelt (der sich nach unserer Einschätzung auch auf weitere Länder ausweiten wird), stehen noch keine endgültigen Ergebnisse fest.

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Verweise in numerisch auftauchender Reihenfolge:

[1] https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-24-10-2019/kindesmissbrauch-an-deutschen-kitas.html

[2] http://www.originalplay.de/

[3] https://originalplay.at/info/#pg-901-2

[4] https://originalplay.at/#pgc-2-0-0

[5] https://www.vol.at/original-play-ist-grundsaetzlich-etwas-sehr-wertvolles/6406219

[6] https://www.derstandard.at/story/2000110466902/original-playwenn-fremde-zum-raufen-kommen

[7] https://www.mdr.de/nachrichten/panorama/sexueller-missbrauch-durch-original-play-100.html

[8] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191029_OTS0005/original-play-fall-zeigt-defizite-bei-qualitaetsstandards-auf

[9] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191025_OTS0134/original-play-hammerschmid-fordert-einheitliche-qualitaetsvorgaben

[10] https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-24-10-2019/kindesmissbrauch-an-deutschen-kitas.html

[11] https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14029936/Kinderpsychiater-warnt-eindringlich-vor-Original-Play/14581285

[12] https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/original-play-darf-in-niederoesterreich-nicht-mehr-taetig-sein/400658186

[13] https://originalplay.at/original-play-verurteilt-jede-form-von-missbrauch-und-gewalt-schutz-fuer-kinder-steht-prinzipiell-an-oberster-stelle/

[14] https://www.diepresse.com/5714099/bdquooriginal-playldquo-ruf-nach-besserem-kinderschutz

[15] https://www.berliner-zeitung.de/berlin/-original-play–nach-missbrauchsvorwuerfen–berliner-senat-prueft-verbot-in-kitas-33386990

[16] https://www.facebook.com/www.papa.de/photos/a.329662710547977/1385767938270777/

[17] https://www.change.org/p/bmfsfj-stoppen-sie-originalplay-in-unseren-kitas-kein-kind-will-mit-fremden-kuscheln

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