Ungeimpfte besser gegen Omikron geschützt? Der Fehler im RKI Wochenbericht.

Autor: Andre Wolf

Ungeimpfte besser gegen Omikron geschützt? Der Fehler im RKI Wochenbericht.
Ungeimpfte besser gegen Omikron geschützt? Der Fehler im RKI Wochenbericht.

Die Darstellungen waren teilweise korrekt, die Basiszahlen jedoch falsch: Wie ein Fehler des RKI für Aufsehen sorgte.

Derzeit sorgen verschiedene Postings und Statistiken auf Social Media für Unruhe und Aufsehen: Sind ausgerechnet ungeimpfte besser gegen die Omikron-Variante des Coronavirus besser geschützt als geimpfte Personen? Die Statistiken, Schaubilder und Sharepics beziehen sich hierbei auf die Daten des Robert Koch Instituts (RKI).
Wenn diese Angaben am Ende tatsächlich stimmen, dann hätten alle geimpften Menschen wohl ein Problem. Denn diese Zahlen wären durchaus dahingehend interpretierbar, dass der Impfschutz nicht nur nicht greift, sondern sogar zu mehr Infektionen führt.
Schauen wir uns zunächst die Sharepics und Angaben an, die auf den verschiedenen Social Media Plattformen verbreitet werden. Inhaltlich sind diese Darstellungen alle gleich, optisch treten sie jedoch unterschiedlich auf:

Screenshots "Zahlen RKI" dienen zur Auseinandersetzung mit dem Thema
Screenshots „Zahlen RKI“ dienen zur Auseinandersetzung mit dem Thema

Die Zahlen des RKI waren das Problem!

Speziell das Kreisdiagramm hat eine weite Verbreitung gefunden und wurde entsprechend häufig von Impfgegnern genutzt. Sowohl das Kreisdiagramm, wie auch die sehr ähnlich aufgebauten Sharepics beziehen sich auf Zahlen des RKI, die am 30.12.2021 veröffentlicht wurden.
In dieser Instanz muss deutlich gesagt werden, dass alle diese Darstellungen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung sich auf die zu diesem Zeitpunkt durch das RKI veröffentlichten Zahlen bezogen! Diese sind auf Seite 14 des Wochenberichts vom 30.12.2021 zu lesen und lauteten zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung:

186 Patientinnen und Patienten waren ungeimpft, 4.020 waren vollständig geimpft, von diesen wurde für 1.137 eine Auffrischimpfung angegeben. Auf Basis der übermittelten Daten wurden unter allen übermittelten Omikron-Infektionen 148 Reinfektionen ermittelt, zu keiner der von Reinfektion betroffenen Person wurden Vorerkrankungen übermittelt.

In dem Wochenbericht ist zudem von 6.788 Fällen mit Angaben zu den Symptomen die Rede, insgesamt werden 10.443 (Verdachts-) Fälle der Omikron-Variante über das Meldesystem genannt. Diese Version der veröffentlichten Zahlen ist in Form eines Webarchivs noch verfügbar (siehe hier). Das viral weit verbreitete Kreisdiagramm stellt 3 % (alle Angaben gerundet) Ungeimpfte, 42 % vollständig Geimpfte und 17 % Geimpfte plus Auffrischung dar. Zudem wird eine Menge von 38 % Personen ohne Impfstatus angegeben, die nicht im Bericht des RKI erscheint.

Rechnerische Ungereimtheiten

Zunächst ergibt sich im Kreisdiagramm (oben in der Abbildung rechts) ein erstes Problem. Die verwendeten Zahlen sind nicht stimmig und aus den Angaben des RKI falsch interpretiert. In dem Diagramm wurden zu den Geimpften und Geboosterten noch einmal  die Geboosterten hinzugezählt. Sprich: Die 1.137 geimpften Personen mit Auffrischimpfung sind innerhalb der 4.020 zu finden, nicht zuzüglich wie im Kreisdiagramm.
Auch die Ausgangsbasis der Zahlen ist nicht ganz korrekt. Das Kreisdiagramm dürfte die Zahl der 6.788 Fälle mit Angaben zu den Symptomen als Ausgangsbasis nutzen, jedoch nicht die Summe der 10.443 (Verdachts-) Fälle der Omikron-Variante. Insofern beinhaltet dieses häufig verbreitete Diagramm bereits zwei Fehler, hinzu kommt ein unverschuldeter Dritter.
Denn nun kommen wir zu einem wesentlichen Teil des Problems, und daran sind weder das Kreisdiagramm, noch die Sharepics Schuld: Der zitierte Abschnitt des Wochenberichts enthielt einen Fehler.

Umgeimpfte besser gegen Omikron geschützt? Der Fehler im RKI Wochenbericht.
Ungeimpfte besser gegen Omikron geschützt? Der Fehler im RKI Wochenbericht.

Statt 186 ungeimpften Personen sind es 1.097 ungeimpfte Personen mit Omikron-Infektion. Nach Angaben des RKI ist beim Aktualisieren die eine Zahl vergessen worden, das ist jedoch mittlerweile korrigiert worden. Die aktualisierten Zahlen lauten nun (hier der entsprechend korrigierte Bericht vom 3.1.2022):

  • 10.443 Fälle
  • 1.097 Patientinnen und Patienten ungeimpft
  • 4.020 waren vollständig geimpft
  • 1.137 geimpft mit Auffrischimpfung
  • 148 Reinfektionen

Dadurch ergibt sich folgender prozentualer Anteil (Zahlen gerundet):

  • 10.443 Fälle sind die Ausgangsbasis von 100 %
  • 1.097 ungeimpfte Patientinnen und Patienten entsprechen 10,5 % aller Fälle
  • 4.020 waren vollständig geimpft und entsprechen  38,5 % aller Fälle
  • 148 Reinfektionen machen einen Anteil von 1,41 % aller Fälle aus
  • 1.137 geimpft mit Auffrischimpfung sind innerhalb der 4.020 zu finden („4.020 waren vollständig geimpft, von diesen wurde für 1.137 eine Auffrischimpfung angegeben“)
  • ohne Angabe des Impfstatus sind 5.178 (10.443 gesamt – 1.097 ungeimpft – 4.020 gesamte Geimpfte – 148 Reinfektionen = 5.178 ohne Status) Personen zu berechnen. Das sind 49,59 % aller Fälle.

Das bedeutet zum einen: Wir müssen grundsätzlich den prozentualen Anteil der Geimpften in der Bevölkerung berücksichtigen. Je höher dieser Anteil, desto höher auch der Anteil der geimpften Personen unter den Infizierten. Warum das so ist, haben wir in diesem Artikel ausführlich erklärt.
Aus diesen aktualisierten Zahlen ergeben sich erneut Probleme zur Aussagekraft über Impfungen:

  • Nun sind 5.178 aller infiziert gemeldeten Fälle aus dem Wochenreport ohne gemeldeten Impfstatus.
  • Die Schwankungsbreite ist dadurch extrem hoch

Das zweite Problem liegt in der Schwankungsbreite.

Das Problem der Schwankungsbreite

Bei 5.178 aller infizierten Personen liegen im Ausschlussverfahren gemäß Zahlen des aktualisierten RKI-Berichtes vom 3. Januar 2022 keine Angaben zum Impfstatus vor. Das ist eine enorme Schwankungsbreite! Hier ergeben sich zwei verschiedene Extreme, innerhalb derer das reale Zahlenverhältnis liegen dürfte.
Extrem 1: Alle geimpft
Nehmen wir an, alle Personen innerhalb der Schwankungsbreite wären geimpft. Dann hätten wir folgendes Szenario (Zahlen gerundet):

  • 10.443 Fälle sind die Ausgangsbasis von 100 %
  • 1.097 ungeimpfte Patientinnen und Patienten entsprechen 10,5 % aller Fälle
  • 9.198 wären vollständig geimpft und entsprechen 88,09 % aller Fälle
  • 148 Reinfektionen machen einen Anteil von 1,41 % aller Fälle aus
  • 1.137 geimpft mit Auffrischimpfung sind innerhalb der 4.020 zu finden („4.020 waren vollständig geimpft, von diesen wurde für 1.137 eine Auffrischimpfung angegeben“)

In diesem Falle würde die Quote in der Tat für geimpfte Personen schlecht stehen, da laut aktuellem RKI-Bericht 84 % aller Personen über 18 Jahren mindestens eine Impfung erhalten haben (vergleiche). Das wäre dann eine extrem knappe Zahl. ABER wir reden hier von dem Extrem, dass ALLE Personen ohne gemeldeten Impfstatus auch wirklich geimpft sein müssten.
Nun das Extrem 2: Alle ungeimpft
Nehmen wir in diesem Szenario an, alle Personen innerhalb der Schwankungsbreite sind nicht geimpft. Dann hätten wir folgendes Szenario (Zahlen gerundet):

  • 10.443 Fälle sind die Ausgangsbasis von 100 %
  • 6.275 ungeimpfte Patientinnen und Patienten entsprechen 60,09 % aller Fälle
  • 4.020 wären vollständig geimpft und entsprechen 38,5 % aller Fälle
  • 148 Reinfektionen machen einen Anteil von 1,41 % aller Fälle aus
  • 1.137 geimpft mit Auffrischimpfung sind innerhalb der 4.020 zu finden („4.020 waren vollständig geimpft, von diesen wurde für 1.137 eine Auffrischimpfung angegeben“)

Aus dem Problem der Schwankungsbreite erkennen wir: Der Anteil der ungeimpften Personen innerhalb der Omikron-Verdachtsfälle liegt zwischen 10,5 % (Mindestextrem) und 60,09 % (Maximalextrem). Wir sehen an dieser Stelle, dass diese Angaben im Grunde keinerlei Aussagekraft tragen.
Eine Wirksamkeit (im Gegenzug auch Unwirksamkeit) der Impfung kann anhand statistischer Zahlen genau dann angegeben werden, wenn die Impfquote mit klaren Zahlen an anteilsmäßig geimpften Personen innerhalb der Infiziertenquote verglichen wird. Bedeutet im Klartext:

  • Ist die Impfquote höher als der Anteil der geimpften Infizierten, spricht das für eine Impfung.
  • Ist die Impfquote niedriger als der Anteil der geimpften Infizierten, kann die Impfung einen negativen Einfluss haben.
  • Ist die Impfquote in etwa gleich dem Anteil der geimpften Infizierten haben wir entweder keine Wirksamkeit vorliegen, oder alle Menschen sind im Grunde geimpft.

Wir sehen an dieser Stelle: Einen Rückschluss aus diesen Zahlen auf eine Impfwirksamkeit zu ziehen, ist kaum möglich. Wenn doch, dann ist die Aussage sehr spekulativ und somit kaum seriös.
 

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