Sarco-Pod – Die Suizidkapsel ist in der Schweiz legal zugelassen?

Autor: Ralf Nowotny

Sarco-Pod - Die Suizidkapsel ist in der Schweiz nun legal zugelassen
Artikelbild: Exit International

Eine 3D-gedruckte Kapsel, der Sarco-Pod, ermöglicht einen sanften Suizid – und bekam möglicherweise eine Zulassung in der Schweiz.

Seit 2018 gibt es bereits den Sarco-Pod, kurz für „Sarcophagus“, angelehnt an die Sarkophage, in denen ägyptische Herrscher und reiche Bürger begraben wurden. Nun darf die auch Suizidkapsel genannte Maschine in der Schweiz angewendet werden – behauptet zumindest der Entwickler.

Tod auf Knopfdruck

Euthanasie, also die aktive Sterbehilfe, ist in einigen Ländern erlaubt, in vielen Ländern verboten. Quasi eine Marktlücke ist da der Sarco-Pod: eine große Kapsel, die überall platziert werden kann – ob in der eigenen Wohnung oder in der freien Natur – in die man sich hineinlegt und per Knopfdruck den Zeitpunkt des eigenen Todes bestimmt. Somit ist es technisch gesehen keine Euthanasie mehr, sondern ein gewaltloser Suizid ohne Mithilfe eines Mediziners.

Wie funktioniert der Sarco-Pod?

Sie Seite swissinfo.ch sprach mitdem in den Niederlanden lebende Australier Philip Nitschke, dem Entwickler der Suizidkapsel, über dessen Funktionalität.

Demnach legt sich die Person einfach in die Kapsel und bekommt eine Reihe von Fragen gestellt, die sie ohne Zeitdruck beantworten kann. Danach kann sie einen Knopf im Inneren der Kapsel aktivieren, wodurch ein Mechanismus ausgelöst wird, die den sanften Suizid einleitet.

Ein Gerät unter der Kapsel flutet nach dem Druck des Knopfes mit Stickstoff und reduziert dadurch den Sauerstoffgehalt im Inneren der Kapsel sehr schnell von 21 Prozent auf 1 Prozent. Zuerst fühle sich die Person ein wenig desorientiert, möglicherweise auch leicht euphorisch, bevor sie das Bewusstsein verliert – dies geschehe innerhalb von 30 Sekunden.

Durch einen Mangel an Sauerstoff bzw. Kohlendioxid trete dann der Tod innerhalb von 5 bis 10 Minuten ein. Panik und Erstickungsgefühle werde es keine geben.

In der Schweiz nun zugelassen?

Derzeit gibt es in der Schweiz nur die aktive Euthanasie durch die Einnahme von flüssigem Natrium-Pentobarbital, wodurch die Person innerhalb einiger Minuten einschläft, in ein tiefes Koma fällt und kurz darauf stirbt.

Die Organisation Exit International hat nun allerdings ein Gutachten erhalten, wonach der Sarco-Pod legal in der Schweiz betrieben werden kann. Rechtlich gebe es keine Probleme, sodass die dritte Version der Suizidkapsel bereits 2022 einsatzbereit sein wird. Diese wird derzeit in den Niederlanden gedruckt.


Ergänzung 9.12.2021:
Die Schweizer Seite Watson.ch, welche ebenfalls über den Sarco-Pod berichtete, zeigt in einem neuen Artikel auf, dass es aber noch Klärungsbedarf gibt.

So sagte die Journalistin, welche mit dem Entwickler das Interview führte, gegenüber Watson, dass zwar gesagt wurde, dass die „rechtliche Prüfung“ in der Schweiz bestanden sei, dies aber bisher nur eine Behauptung seitens des Entwicklers sei, es aber noch keine offizielle Bestätigung gibt – weder Swissinfo noch Watson bekamen Einsicht in die Dokumente.

Watson.ch fragte daraufhin bei den Schweizer Organisationen an, die assistierten Suizid anbieten und mit denen der Entwickler bereits gesprochen habe, doch Exit Deutsche Schweiz und Dignitas wissen davon nichts, eine dritte Organisation antwortete noch nicht.

Auf weitere Anfragen und E-Mails seitens Watson.ch reagierte der Entwickler offenbar nicht mehr, sodass derzeit der Eindruck entsteht, als ob es keine handfeste Zulassung gibt.


Berechtigte Kritik am Sarco-Pod

Laut der Seite Exit International kann und wird der Sarco-Pod nicht käuflich zu erwerben sein. Stattdessen werden die Pläne des Pods in einem eBook stehen. Wie hoch die Druckkosten sind, ist noch nicht abzuschätzen, dürften aber mehrere Tausend Dollar betragen.

Es ist also eher unrealistisch, einen solchen Pod zu Hause mit einem 3D-Printer anzufertigen, ganz unmöglich aber auch nicht. Bereits 2017, als der Sarco-Pod erstmals vorgestellt wurde, kritisierte Dr. Daniel Sumalsy, Professor für biomedizinische Ethik an der Georgetown University:

„Es ist schlechte Medizin, Ethik und schlechte öffentliche Politik. Sie verwandelt das Töten in eine Form der Heilung und erkennt nicht an, dass wir heute durch Palliativmedizin mehr für die Symptome tun können als je zuvor.“

Timon van Zijp, Student der Technischen Medizin, und Varun Sudhakar, Student der Fortgeschrittenen Technologie, merken in einem Interview an, dass es völlig falsch ist, den Sarco-Pod als „Open Source“ anzubieten, da es die Sterbehilfe trivialisieren würde.

So sollte die Beendigung des eigenen Lebens ein langwieriger Prozess sein, der der Person die Möglichkeit gibt, ihre Entscheidung zu überdenken oder zumindest alle Aspekte zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu ist die Verwendung des Sarco-Pods so, als würde man zu Hause einen Ikea-Tisch zusammenbauen: Man hat keine Zeit, das, was man tut, zu verarbeiten.

Zudem sei der Online-Test, der den Sarco-Pod überwacht, algorithmusbasiert. Sterbehilfe erfordere ein persönliches Gespräch mit einem Berater, um sicherzustellen, dass sich alle Beteiligten der Schwere der Entscheidung bewusst sind, die sie treffen. Der Sarco-Pod sollte nur für Krankenhäuser zugänglich sein und genauso reguliert werden wie die bestehenden Methoden.

Van Zijp ergänzte, er könne sich nicht vorstellen, dass eine suizidgefährdete Person sich die Mühe macht, den Bauplan herunterzuladen und selbst zusammenzubauen, um Selbstmord zu begehen, daher glaube er nicht, dass dies eine echte Bedrohung darstelle. Allerdings müsse man sich darüber im Klaren sein, welchen Einfluss dies auf die Art und Weise hat, wie wir über Selbstmord und Euthanasie denken.

Zum Abschluss noch das Fazit von Varun Sudhakar:

„Es fördert die Mentalität, dass es in Ordnung ist, aufzugeben, dass man nicht mehr kämpfen muss, weil man sich jederzeit einfach umbringen kann. Der Mensch wird sich nie weiterentwickeln, wenn er sich damit abfindet, aufzugeben.“

Hotlines zur Suizidvermeidung

Notrufnummern für Suizidgefährdete bieten Hilfe für Personen, die in Not sind. Wende dich an eine Notfallnummer, wenn du selbst Hilfe brauchst oder Hilfe für einen Freund suchst. Falls du wegen eines/einer Freundes/Freundin besorgt bist, ermutige die Person dazu, die Notrufnummer ebenfalls anzurufen.

Österreich

Rat auf Draht
http://rataufdraht.orf.at
Telefon: 147

Deutschland

Telefonseelsorge
http://www.telefonseelsorge.de
Telefon: 0800 111 0 111
Telefon: 0800 111 0 222

Nummer gegen Kummer
https://www.nummergegenkummer.de
Telefon: 0800 111 0 550 (Erwachsene)
Telefon: 0800 111 0 333 (Kinder)

Schweiz

Tel 143 – La Main Tendue – Die Dargebotene Hand – Telefono Amico
http://www.143.ch
Telefon: 143

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