Warum verweigern Musliminnen dem Kronprinzen den Handschlag?

Autor: Ralf Nowotny

Auf einschlägigen Seiten, Gruppen und Profilen in den sozialen Medien wird derzeit ein Foto geteilt, auf dem man sieht, dass einige Musliminnen dem Kronprinzen von Norwegen den Handschlag verweigern.

Es wird nicht viel über die Situation geschrieben, dementsprechend regen sich viele politisch auf der rechten Seite zuzuordnenden Seiten und Nutzer darüber auf, wie diese Frauen es quasi wagen können, einem Kronprinzen den Handschlag zu verweigern.

MIMIKAMA
Screenshot: mimikama.org

Die Personen auf den Bildern, die Musliminnen und der Kronprinz, sehen in dieser Situation nun nicht wirklich angespannt oder verärgert aus, sondern scheinen sich über das Mißverständnis bei der Begrüßung eher zu amüsieren.

Wann und wo war das?

Mehrere nowegische Seiten berichteten über diese Begegnung, auch über diese Situation, die nur wenige Sekunden dauerte: Nachdem Kronprinz Haakon bei einem Besuch der Moschee des Al-Noor Islamic Center in Bærum (nicht bei einem Besuch eines Flüchtlingsheims, wie viele Seiten behaupten!) am 22. August 2019 einer Muslimin die Hand schütteln wollte, lächelte diese verlegen, legte die Hand auf das Herz und verneigte sich stattdessen, worauf es ihr der Kronprinz gleichtut. Das Video dazu ist in diesem Artikel zu sehen.

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Warum verweigern Musliminnen den Handschlag?

Ein Handschlag ist im Westen ein Zeichen des gegenseitigen Respekts. Doch bedeutet dies nicht, dass diese Geste eine globale Allgemeingültigkeit hat, genauso wie das mit den Fingern geformte O bei uns zwar „Okay“ bedeutet, in anderen Ländern aber den Darmausgang symbolisiert und somit ein Schimpfwort darstellt.
Nun ist der Handschlag zwar keine Beleidigung an sich, aber tatsächlich eher eine Respektlosigkeit gegenüber muslimischen Frauen, die sich nicht von einem fremden Mann berühren lassen dürfen.

Der Islamwissenschaftler und Historiker Lutz Jäkel erklärt dazu in einem Beitrag auf Facebook:

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2976105955738363&set=a.106289729386681&type=3&theater

Das Thema „Die Hand geben“ ist natürlich ein altes Reizthema.

Ich sehe auf dem Foto folgendes: Keine Respektlosigkeit, denn die Damen legen ihre rechte Hand auf das Herz und verneigen sich. Der Kronprinz erkennt die Geste und macht das gleiche: Er legt die rechte Hand auf sein Herz und verneigt sich ebenfalls. Was ist daran respektlos?

Ein Sprecher der Moschee wird übrigens damit zitiert, dass sie nicht wussten, dass einige Musliminnen nicht die Hand reichen möchten. Hätte man es gewusst, hätte man den Kronprinzen vorher informiert, dann hätte er wahrscheinlich nicht zunächst die Hand ausgestreckt, sondern sogleich die Hand aufs Herz gelegt.

Als Dayami und ich im vergangenen Jahr in Tokio waren, haben wir uns übrigens auch verneigt und nicht die Hand gereicht, wie es in Japan eben üblich ist. Kein Problem. Warum auch?“

Muslime unterscheiden bei der Weigerung des Händeschüttelns übrigens nicht zwischen „Gläubigen“ und „Ungläubigen“, ein muslimischer Mann weigert sich mit der gleichen Wahrscheinlichkeit – in vielen Fällen sogar mit größerer Wahrscheinlichkeit -, einer muslimischen Frau die Hand zu schütteln, wie er sich weigert, einer nichtmuslimischen Frau die Hand zu schütteln, umgekehrt genauso.

Tatsächlich ist das Händeschütteln eigentlich ein wesentlicher Bestandteil der Begrüßung in der muslimischen Kultur, die als Ausdruck für Freundschaft und Brüderlichkeit (bzw. Schwesternschaft) gelten. Auch Nicht-Muslime werden, sofern vom gleichen Geschlecht, mit einem Handschlag begrüßt.

Und da kommen wir auch schon zu dem wichtigen Punkt:
Es geht um den Handschlag mit Personen des anderen Geschlechts! Was dies angeht, herrscht nämlich im Islam ein striktes Verbot, welches aber einige Ausnahmen hat. Ehepartner, Vorfahren und Nachfahren einer Person, Geschwister, Onkel und Tanten, oder kurz: der näheren Verwandschaft darf auch die Hand geschüttelt werden, wenn sie vom anderen Geschlecht sind.

Diese Praxis, den physischen Kontakt zu anderen Personen zu meiden, wenn sie vom anderen Geschlecht sind, ist übrigens keineswegs auf den Islam beschränkt, denn auch bei Anhängern des jüdischen Glaubens ist dies verankert, ebenso bei Hindus und Theravda-Buddhisten. Wie schon Lutz Jäckel als Beispiel in seinem Beitrag sagt und es viele Nutzer zumindest aus Filmen mit Japanern kennen sollten: Auch dort wird sich nie die Hand geschüttelt, sondern sich voreinander verneigt.

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Fazit

Der Islam lehrt, dass körperliche Berührungen des anderen Geschlechts in jeglicher Form als Zeichen von Bescheidenheit, Demut und Keuschheit verboten sind. Darüber hinaus ist es eine Form des Respekts gegenüber der anderen Person, wenn man anerkennt, dass niemand das Recht hat, sie zu berühren, außer dem Nächsten und Liebsten.

Im Prinzip also sogar eine sehr höfliche Geste, die es früher auch ähnlich in westlichen Ländern gab. Die berühmte Etiquette-Autorin Emily Post schrieb dazu 1922:

„Herren geben sich immer die Hand, wenn sie einander vorgestellt werden. Damen tun dies selten mit Herren, die ihnen vorgestellt werden. aber normalerweise schütteln sie anderen Frauen die Hand, wenn sie in der Nähe stehen.“

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