Auch die Wirkung unbezahlter Botschaften muss berücksichtigt werden.

Welche Rolle hat bezahlte politische Werbung in sozialen Netzwerken, insbesondere Microtargeting, bei der letzten Europawahl gespielt? Erste Einblicke liefert die Studie „Microtargeting in Deutschland bei der Europawahl 2019“ von Simon Hegelich und seinem Team an der TU München. Zentrale Ergebnisse der Untersuchung, die die Landesanstalt für Medien NRW, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg und die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben haben, sind heute auf den Medientagen München 2019 präsentiert worden.

Es handelt sich bei diesem Inhalt um eine Pressemitteilung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), der Landesanstalt für Medien NRW, der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK).

Die Forderung nach mehr Transparenz bezahlter politischer Werbung in sozialen Netzwerken hat auf jeden Fall ihre Berechtigung, denn die politischen Parteien in Deutschland haben begonnen, mit Microtargeting, also bezahlter personalisierter Werbung, zu experimentieren, setzen dies aber bisweilen sehr unterschiedlich ein. Das hat die Studie des Teams rund um den Politik- und Datenwissenschaftler Prof. Dr. Simon Hegelich ergeben.

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Microtargeting Analyse

Die Forscher hatten zur Analyse von Microtargeting in Deutschland bei der Europawahl 2019 Zugang zu den Werbearchiven von Facebook und Google. Ausgewertet wurde, wieviel bezahlte politische Werbung von welcher Partei gebucht und nach welchem Prinzip diese ausgespielt wurde. Grundsätzlich lässt sich anhand der Daten erkennen: In Deutschland spielt Microtargeting noch eine untergeordnete Rolle. Weitere Ergebnisse im Detail: Die CDU hat mit knapp 560.000 Euro, ungefähr zu gleichen Teilen aufgeteilt auf Facebook und Google, mit Abstand das meiste Geld in politische Werbung investiert und genau wie die anderen Parteien eine Microtargeting-Strategie verfolgt. Die AfD hingegen hat mit nur ca. 45.000 Euro, ungefähr zu gleichen Teilen aufgeteilt auf Facebook und Google, am wenigsten investiert und kein Microtargeting betrieben.

Hohe Reichweiten werden indes vor allem mit nicht als Anzeigen gebuchten politischen Botschaften erzielt, bei denen die Grenze zwischen Werbung und Information für den Betrachter zunehmend verschwimmt. Insbesondere diese Form der politischen Kommunikation gilt es nun, näher auf ihre Inhalte und Mechanismen hin zu untersuchen und gegebenenfalls in eine Regulierung einzubeziehen. Weitere Analysen zeigen, dass die AfD zehnmal so viel Interaktion und damit eine viel größere organische Reichweite in den sozialen Netzwerken erzielt hat als die anderen Parteien. Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob ihr Erfolg durch authentisches Nutzerverhalten erklärt werden kann.

Dazu Simon Hegelich: „Wir haben in unseren Analysen festgestellt, dass Microtargeting bisher nur einen kleinen Teil der Aktivitäten der Parteien in Wahlkämpfen ausmacht. Gleichzeitig sehen wir die extreme Reichweite, die die AfD mit ihren Posts erreicht. Diese werden nicht als Werbung gekennzeichnet und so gibt es hier eine bedenkliche Verzerrung im politischen Onlinediskurs. Bisher wird diese jedoch weder von den Plattformen noch von der Regulierung erfasst.“

Ab wann ist etwas politische Werbung?

Ein weiteres Problem, das sich aus der Analyse der Werbearchive ergeben hat: Unklar ist, nach welchen Kriterien die Plattformen eine Werbung als politisch einordnen. Während sich Google auf bekannte politische Akteure bezieht, versucht Facebook, politische Werbung am Inhalt festzumachen. Damit wiederholt sich das Transparenzproblem auf einer anderen Ebene.

BLM-Präsident Siegfried Schneider bewertet die vorliegenden Ergebnisse stellvertretend für die beteiligten Medienanstalten: „Wir wissen jetzt, dass politische Werbung auf Social Media im digitalen Wahlkampf der Parteien angekommen ist und auch Einfluss auf den politischen Diskurs nehmen kann. Die Studie belegt aber vor allem die mangelnde Transparenz politischer Werbung in den sozialen Medien. Im Unterschied zum Rundfunk gibt es hier bisher keine Regelung.“

Die Ergebnisse der Studie stehen unter: blm.de zum Download bereit.

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Artikelbild: Shutterstock / Von BigTunaOnline

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