Kopfende: #hatespeech

Autor: Jens | ZDDK | MIMIKAMA

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Da sitze ich wieder einmal am Kopfende meines Tisches, vor mir ein Becher Kakao, der schaut recht blass aus, also nehme ich ein Rührwerkzeug und kümmere mich rührend um den Kakao, was er mir recht schnell dadurch dankt, dass er eine etwas mehr schokoladige Färbung bekommt und nicht mehr so blass um die Nase ist. Während ich so vor mich hin rühre, schießt draußen vorm Fenster etwas vorbei, etwas helles, fast weißes, sollte es einer meiner entfleuchteten Gedanken sein? Ich schau genauer hin und da wo der Fliederwald in den letzten Blütenzügen liegt, rauscht etwas weißes herum. Es trappelt, trampelt, trippelt, der schwere Atem erinnert an einen Hochleistungssportler bei den olympischen Spielen. Natürlich einen ungedopten, in meinen Gedanken gibt es kein Doping, es sei denn ich erwische mal wieder die falschen, aber lassen wir das…

ein weißes Etwas

Diese weiße Etwas, lässt mir ja keine Ruhe, aber so konzentriert ich auch hinausstarre, es lässt sich nicht definieren, huscht hinter den exblühenden Fliederbüschen entlang, diese verweigern aber ob des immer noch üppig vorhandenen Blattgrüns jeglichen längeren Blick auf des Huschding. Ich muss wohl oder übel meinen Platz am Kopfende meines Tisches verlassen, aber das bringt mich in eine prekäre Situation, kann ich noch weiter vom Kopfende meines Tisches berichten, wenn ich de facto mal eben nicht daran sitze? Vorsorglich sei gesagt, ich sitze mal wieder nicht hier am Kopfende meines Tisches, die geöffnete Terrassentür, eröffnet mir, wie die Bezeichnung bezeichnender Weise schon vermuten lässt, den Weg auf die Terrasse. Ich will selbige gerade erfahren, oder befahren, da huscht es wieder an mir vorbei, trampelnd, hechelnd, schnaufend, verschwindet von der Terrasse und im dichten Unterholz des Gartens. Es klingt wie Obelix auf der Jagd nach Wildschweinen. Das Geräusch tobt hinter den Büschen entlang, polternd, krachend, rumpelnd. Es nähert sich meiner Position, es ist durchaus beklemmend, aber ich halte wacker stand, bleibt mir auch nichts Anderes übrig, in der Panik habe ich den Rolli ausgeschaltet, die Elektronik muss erst wieder hochfahren.

Bang starre ich auf das Gesträuch, es schnauft, es jappst, es trampelt und kracht, da bricht es hervor poltern und tapst auf mich zu triefend, tropfend und irgendwie freudestrahlend steht er vor mir. Mein Hund glücklich über die fünf Minuten Irrsinn, die ihn wieder einmal gepackt hatten und ihm klarmachten, das ist ein guter Tag zum Durchdrehen, also drehte er seine Runden durch den Garten.

Nachdem das weiße Huschding, als weißes Hundding erkannt wurde, melde ich mich vom Kopfende meines Tisches zurück.

Back to Business

Also sitze ich jetzt wieder mal hier am Kopfende meines Tisches und denk weiter so vor mich hin, wie immer enteilen mir meine Gedanken, fleißig in alle Richtungen, krochen unter Brücken und Teppichen hindurch, immer auf der Suche nach neuen interessanten und uninteressanten Dingen, über die sie stolpern könnten, um sie mir dann vorzutragen, damit ich mir mit ihnen die Zeit vertreiben kann. Ich nehme mir, solange die kleinen Rabauken unterwegs sind, schon mal fest vor, diesmal lasse ich mich nicht auf irgendwelche Themen aus Neuland ein, dass wird ja auf die Dauer langweilig.

Mein Blick fällt auf den hauseigenen Duden, die deutsche Sprache, ein herrliches Instrument, wenn man weiß, wie man darauf spielen kann. Allerdings ebenso verwirrend wie begeisternd, so kommt sie daher, unser von Dialekten geprägte und leider doch immer mehr verfremdete Muttersprache. Natürlich hat sich jede Generation ihre eigene Sprache kreiert, aber manchmal frage ich mich, haben wir auch auf Teufel komm raus Anglizismen gebastelt? Nein haben wir nicht, zumindest nicht, dass ich mich entsinnen kann, wir konnten unsere Eltern noch „Geil“ schocken. Aber, wenn wir es einfach mal vergleichen. Die Probleme sind doch die gleichen geblieben.

Sagten wir früher „Ich geh mit den Jungs abhängen.“ Und unsere Eltern fragten sich was in aller Welt wir wo abhängen wollten. Gehen sie heute eben „chillen“ und die ältere Generation fragt sie zweifelnd, was an Chili entspannend sein soll, lässt dabei aber völlig außer Acht, das der Windchill durchaus etwas kühles, also cooles, sein kann.

Die Sache mit dem „ver“

Ein anderer Gedanke folgt dem Strang der Verwirrung in der deutschen Sprache, nun ist Sprache ja nichts am Reißbrett entworfenes dennoch sind einige Dinge bedenkenswert unterhaltsam. So kann ich mich wunderbar im Wald verlaufen, respektive verfahren und bin dann verloren. Ich kann Geld verleihen und bekomme es zurück, regelmäßig aber wird ein riesen Bohai um eine Preisverleihung gemacht von denen aber nur sehr, sehr wenige jemals zurückgegeben werden, ist es dann nicht eher eine Verschenkung?

Noch vertrackter wird die Lage beim verfahren, wenn man sich mit dem Auto verfährt, kann man, je nach Richtung und Art des Verfahrens, sehr schnell ein Verfahren am Hals haben. Die Sache mit dem Hovercraft, das vom Weg abkommt, sowie der Feststellung, dass es sich dabei um ein schwebendes Verfahren handelt, haben wir ja bereits abgehandelt.

Die Vorsilbe „ver“ hat es in sich, bei einer Vergabe, gebe ich etwas weg, zumeist einen Auftrag. Wenn ich etwas verliere, ist es ebenfalls weg, während ich aber bei einer Vergabe meist noch eine Gegenleistung erhalte ist etwas Verlorenes einfach weg. Wenn ich den falschen Weg einschlage also mich verirre, oder verlaufe bin ich weg. Wer jetzt vorschnell drauf schließen möchte alles mit „ver“ ist weg, irrt gewaltig, denn, wenn ich etwas Falsches einkaufe habe ich mich nicht etwa verkauft, sondern eher bekauft (auch, wenn das Wort nur noch selten benutzt wird).

Will jemand ein Buch schreiben so empfiehlt man ihm einen Verleger, wie jetzt kaum ist das Buch fertig soll es jemand verlegen? Dann ist es doch weg, denn, wenn ich meine Autoschlüssel verlege, sind die doch auch weg. Es gibt Profis zum Bücher verlieren? Wäre denn ein Buchfinder nicht eine bessere Wahl, oder ist das ein anderer Ausbildungszweig?  Ich werfe es nur in den Raum vielleicht begebe ich mich dereinst in die tiefere Wortentstehung und denke da weiter drüber nach, im Moment reicht mir dieser kleine Widerspruch, der vielleicht gar keiner ist.

Schule die Zweite

So wie der Vorfall, der einem Kind widerfahren ist, welches diesen Vorfall den Eltern berichtet, die wiederum sich bei der zuständigen Stelle über den Vorfall beklagen, von eben jener Stelle aber wird der Bericht als vages Hörensagen abgetan und das Kind dafür vom Unterricht freigestellt wird. Dachte ich beim letzten Mal, wenn Lehrer einem behinderten Kind nicht helfen, hätte wir den Gipfel des Unfassbaren erreicht, kann ich diesmal berichten, nein das waren bloß niedrig hängende Wolken der Gipfel ist, dass ein Augenzeugenbericht als vages Hörensagen abgetan wird und somit der gesamte Vorfall als nicht existent dargestellt wird, mit der Folge, dass das Kind, welches nichts weiter getan hat, als den Eltern davon zu berichten, von der Schule freigestellt wird, weil die Eltern es wagen diese Situation anzurügen. Das muss man sich auch erstmal geben, in einem Land dessen Regierung auf der ganzen Welt dafür eintritt, dass alle Kinder das Recht auf einen Schulbesuch haben, verweigert eine Schule dem Kind die Teilnahme am Unterricht, weil die Eltern rumzicken, kannste dir nicht ausdenken.

Netiquette

Da fallen einem als Elternteil sicher die einen oder anderen Kraftausdrücke ein, doch halt wie heißt das Neudeutsch #hatespeech, da hat doch die Bundesregierung sich auch so ein munteres Projekt zu einfallen lassen, och Mist natürlich im Neuland, da wollte ich doch heute eigentlich nicht hin, aber es ist ja für den guten Zweck, schauen wir mal was da so los ist. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am 29.06.2016 die europaweit laufende Kampagne „No Hate Speech“ als Schirmherr auch in Deutschland gestartet. Ein hehres Unterfangen, ist es uns ja beim letzten Mal über den Weg gelaufen wie sehr die schriftliche Interaktion im Netz in den letzten Jahren den Bach runtergegangen ist. Wenn es nach einigen geht ist das Netz randvoll mit „Hurensöhnen“ „Wi..ern“ und „Fi.. dich“s.

Ich finde es gut dagegen zu steuern und hoffe inständig, dass es sich bessert, bin ich doch schon damals mit dem 2400er Modem ein Verfechter der Netiquette und des freundlichen, toleranten und vor allem respektvollen Umgangs miteinander. Wenn jetzt dazu die für die Jugend richtigen und bekannten Vorbilder hinzukommen, die sie von dem überbordenden Gebrauch von Schimpfwörtern und Beleidigungen Abstand nehmen lässt, dann wären wir alle auf einem guten Weg.

vorsichtiger Konjunktiv

Tja, „wären“ totaler Konjunktiv und totaler Reinfall für das Bundesministerium. Wer auch immer beim Ministerium die Auswahl der Fürsprecher, Unterstützer getroffen hat, hat zumindest in drei Fällen absolut ins Klo gegriffen. Bei sowas geht es nicht nach Fanzahlen, Zugriffsquote, in diesem Fall darf es einzig und allein um die Tauglichkeit gehen.

Leider wurde aber gerade dies, so scheint es auf den ersten Blick, mindestens dreimal verrissen. Haben sie sich doch tatsächlich drei Figuren geangelt, die auf der einen Seite total betroffen in die Kamera „es wird sehr viel gehatet im Netz“ fabulieren und dann über ihre Accounts User mit Ausdrücken wie „Spastikinder“, „Hurensohn“, „hässlich und unhygienisch“, „Du Müll“ belegten. Da fragt man sich aber doch durchaus wes Geistes Kind der Verfasser solcher Zeilen ist, warum nimmt er überhaupt an der Kampagne teil? Gibt es Geld dafür, nein. Wer außer ihm kennt die Beweggründe, aber als positiv denkender Mensch unterstelle ich mal gute Absichten.

Die weibliche Person in unserer Troika der Vorbildlichkeit fragt „Darf Hass uns eigentlich egal sein?“ Eine hervorragende Überleitung zu ihrem Zitat „Schäm dich du nerviges blag & reiß erstmal selber was in deinem Leben bevor du so eine große Fresse hast.“ Super der hat gesessen. Eine selbstgemachte Mode und Kosmetik Beraterin (Respekt dafür, ganz ehrlich kann nicht jeder) hat auf dem Weg nach oben, also da wo sie sich wähnt, leider total die Bodenhaftung verloren und keilt aus wie ein Muli. Nicht ganz so dramatisch wie ihr Vorgänger aber auch nicht wirklich ein Ausbund an Vorbildlichkeit, zeigt sich doch eine exorbitante Reizbarkeit, tut doch wirklich nicht Not, ab und zu einfach mal tief Luft holen. Man kann Fragen, die einem auf die Nerven gehen notfalls schlicht links liegen lassen, aber ich gestehe, es fällt schwer 😉

Damit wären wir dann bei unserem dritten Ritter der No Hate Speech but who cares Kampagne angelangt, schauen wir mal was er uns zu bieten hat. „Egal ist, wenn man zu bequem oder zu feige ist“ – er betitelt die Hundebesitzer, die sich auf den Fotos mit ihren Hunden auf Instagram zeigen, als famegeil und sagt ihnen „Niemand will Euch sehen ihr Spastis“ auch hier wieder ein Ausbund an Freundlichkeit, die einem schier die Freudentränen in die Augen treibt.

Was mir persönlich mit schöner Regelmäßigkeit den Gebrauch von Beta Blockern nahelegt, ist die unverschämte Selbstverständlichkeit mit der, und das bitte unabhängig von diesen Dreien sehen, das gilt generell, irgendwelche mental fehlgeleiteten Lebewesen der Spezies Mensch meinen „behindert“, „Spasti“ und weitere Ausdrücke nutzen zu müssen, um andere zu diskreditieren, so als ob „behindert“ oder „Spasti“ etwas grundübles sei. Es ist einfach an der Zeit, dass alle ihren Sprachgebrauch überdenken.

Dreimal vom Saulus zum Paulus

Allerdings und das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt, sind alle Zitate vor Beginn der Kampagne getätigt wurden. Vielleicht gab es die dreifache Wandlung vom Saulus zum Paulus. Vielleicht ist den dreien tatsächlich bewusstgeworden, in welchen Sumpf sie sich haben reinziehen lassen, schließlich müssen sie sicherlich auch ordentlich einstecken. Wenn es aber durch die Kampagne gelungen sein sollte drei der auflagenstärksten deutschsprachigen Youtuber soweit zum Umdenken zu bewegen, dass sie ihr Betragen der Kampagne entsprechend anpassen, dann hat sich die Kampagne schon jetzt gelohnt. Ich hoffe einfach, dass dem so ist, denn was wir brauchen, ist tatsächlich eine Abkehr von dem hasserfüllten Umgang im Netz und, wenn diese drei dazu beitragen können, wäre es mit Sicherheit eine Bereicherung für die Kampagne.

Es muss ja nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sein, aber man kann auch ohne persönliche Beleidigungen trefflich miteinander streiten, macht sogar viel mehr Spaß.

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