Töteten Jäger 130 Deutsche in den letzten 5 Jahren?

Autor: Andre Wolf

Der Wolf
Der Wolf

Ein Sharepic vergleicht die Zahl der getöteten Menschen durch Jäger und den Wolf. Die dabei verwendeten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache und sollen vermitteln: Jäger sind gefährlicher für Deutsche als Wölfe.

Sharepics ohne Quellenagabe sind grundsätzlich schwierig: Man weiß nicht, woher diese Zahlen stammen, welche Kriterien dabei zugrunde liegen, wer diese Zahlen erhoben hat und letzendlich ob diese Zahlen überhaupt stimmen. Und genau das gilt auch für ein Sharepic, welches die Todesopfer durch Jäger und Wolf gegenüberstellt. Der Text auf dem Sharepic lautet:

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In den letzten 5 Jahren kamen alleine in Deutschland über 130 Menschen durch Jäger ums Leben!

Durch den Wolf getötete Menschen in ganz Europa in den letzten 40 Jahren? Genau! 0

Aber der Wolf ist die Gefahr…

Optisch tritt das Sharepic in folgender Form auf:

Sharepic Wolf
Sharepic Wolf

Der Faktencheck

Woher stammen nun die Zahlen aus dem Sharepic? Hierzu kann man verschiedene Herangehensweisen nehmen. Auf der einen Seite haben wir hierzu die Pressestelle des Deutschen Jagdverbands befragt. Wie viele Todesopfer durch Jäger wurden verzeichnet? Die Antwort:

Sollte sich diese auf den Anhang und die genannte Zahl von Jagdunfällen beziehen: Die Zahl von 130 Unfällen mit Jagdwaffen in 5 Jahren ist kompletter Unsinn. Das statistische Bundesamt erfasst leider nur tödlich Unfälle mit Waffen insgesamt (z.B. Polizei, Bundeswehr, Sportschützen, Jäger) – davon gibt es jährlich insgesamt etwa ein Dutzend.

Wir werten regelmäßig die Meldungen der Nachrichtenagentur dpa aus, die nach unseren Erfahrungen lückenlos über Jagdunfälle berichtet. Demnach gab es 2018 einen traurigen Rekord von 6 tödlichen Jagdunfällen. 2017 waren es 2 und 2016 kein einziger.
Weitere Werte:
2015: 2
2014: 4
2013: 3
2012: 2
2011: 1

In acht Jahren kam es also insgesamt zu 20 tödlichen Unfälle mit Jagdwaffen – das sind durchschnittlich 2,5 pro Jahr. Jeder ist verbunden mit Leid und Trauer. Jeder ist einer zu viel. Die Zahlen von Jagdgegnern sind allerdings nicht mehr als Fakenews.

Mit freundlichen Grüßen

Torsten Reinwald
Pressesprecher, stv. Geschäftsführer

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Die Pressestelle des DJV spricht hier von Jagdunfällen und beschreibt entsprechend die Darstellung durch das Sharepic als Fakenews. Sehr ähnlich handhabt es auch ein Faktencheck der dpa, in welchem die Faktenchecker der dpa ein recht ähnliches Ergebnis veröffentlichen. In der Bewertung lautet es:

Die Aussage, dass in den vergangenen 40 Jahren kein Mensch in Europa von einem Wolf getötet wurde, ist falsch. Dass in fünf Jahren über 130 Menschen in Deutschland von Jägern getötet wurden, ist nicht belegbar, da es hierzu keine offizielle Statistik gibt.

Den gesamten Faktencheck der dpa mit dem Titel „Es wurden Europäer von Wölfen getötet“ gibt es hier.

Gegendarstellung

Auf der anderen Seite beziehen sich die Zahlen aus dem Sharepic auf einen Artikel der Webseite „Abschaffung der Jagd“ (vergleiche). In diesem Artikel werden allein für das Jahr 2017 mehr als 30 Presseberichte mit Todesfällen aufgelistet. Hier lautet es:

Bis Mitte Dezember gab mindestens 31 Tote durch Jagdunfälle und Straftaten mit Jägerwaffen.
Liest man die Todesmeldungen, so fällt auf, dass es sich nicht nur um klassische Jagdunfälle (»Jäger verwechselt Jäger mit Wildschwein«), sondern vor allem um bewaffnete Beziehungstaten (»Jäger erschießt Ehefrau«) handelt.

Hier wird es interessant, wie die Unterschiede zwischen der Auskunft des DJV und dem Artikel auf „Abschaffung der Jagd“ zustande kommen, da die angeführten Presseberichte durchaus korrekt sind.

Der Unterschied liegt im Zählansatz beider Seiten. Während der DJV von „Jagdunfällen“ spricht, listet der Artikel auf „Abschaffung der Jagd“ alle Jagdunfälle und Straftaten mit Jägerwaffen auf. Aus diesem Ansatz heraus bildet sich eine andere Zahl, die sich entsprechend auf jährlich ca. 40 beläuft und somit das Zustandekommen von über 130 Menschen in 5 Jahren erklärt (siehe Sharepic).

Fazit

Für dieses Sharepic stehen verschiedene Zahlen und Zählansätze im Raum. Je nach Ansatz ist es möglich, verschiedene Ergebnisse zu erzielen. Auch die über 130. Wie bereits die Faktenchecker der dpa schreiben, gibt es keine offiziellen Statistiken. Beide Darstellungen und Zählweisen legitimieren sich über ihre eigene Definition.

Bezieht man sich jedoch auf den wortwörtlichen Laut des Sharepics („In den letzten 5 Jahren kamen alleine in Deutschland über 130 Menschen durch Jäger ums Leben!“), dass auch Straftaten durch Jäger infrage kommen und eben nicht nur Tote durch Jagdunfälle, kann man durchaus höhere Zahlen erzielen, die ein Ergebnis von über 130 Menschen aufweisen.

Recherche: Anna Tisgo

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