Einstweilige Verfügungen wegen irreführender Werbung mit Corona-Bezug

Autor: Tom Wannenmacher

Einstweilige Verfügungen wegen irreführender Werbung mit Corona-Bezug
Einstweilige Verfügungen wegen irreführender Werbung mit Corona-Bezug

„99,9 Prozent Keimreduktion“ durch eine Mundspüllösung oder „Vitalpilze“ und Nahrungsergänzungsmittel als Schutz vor dem Coronavirus? Wettbewerbszentrale erwirkt einstweilige Verfügungen wegen irreführender Werbung mit Corona-Bezug

Wettbewerbsbeschwerden über Werbung mit Corona-Bezug sind derzeit an der Tagesordnung in der Tätigkeit der Wettbewerbszentrale: Seit Mitte Februar 2020 hat die Wettbewerbszentrale insgesamt 159 Anfragen und Beschwerden zu unlauterem Wettbewerb im Zusammenhang mit Corona erhalten. 51 Abmahnungen wegen unlauterer Werbung im Zusammenhang mit Corona und 16 formlose Hinweise hat die Selbstkontrollinstitution zwischenzeitlich ausgesprochen, außerdem hat sie vier einstweilige Verfügungen erwirkt und eine Unterlassungsklage bei Gericht eingereicht.

Gesundheit und Lebensmittel

Die meisten Fälle betreffen Werbemaßnahmen in den Bereichen Gesundheit und Lebensmittel, mit denen den Verbrauchern direkt oder auch subtil Schutz vor Coronaviren suggeriert wird. Sowohl nach dem allgemeinen Irreführungsverbot als auch nach spezialgesetzlichen Regelungen, z. B. im Lebensmittel- und im Heilmittelwerberecht, ist es aber unzulässig, mit Eigenschaften oder Wirkungen eines Produkts zu werben, über die es tatsächlich nicht verfügt.

„Corona-Infektion: Wie wir uns mit Vitalpilzen schützen können!“

So hat das Landgericht Gießen die Werbeaussage „Corona-Infektion: Wie wir uns mit Vitalpilzen schützen können!“ als unzulässig untersagt (LG Gießen, Beschluss vom 06.04.2020, Az. 8 O 16/20 – nicht rechtskräftig; F 4 0109/20).

Ein anderes Unternehmen hatte für seine Nahrungsergänzungsmittel, also Lebensmittel, mit der Abbildung eines stilisierten Menschen, der Coronaviren abwehrt, und mit der Aussage „Volle Power für Ihr Immunsystem“ geworben.
Das Landgericht Essen befand, dass die verwendete Grafik fälschlicherweise einen Schutz vor Viren suggeriere und untersagte die betreffende Werbung (LG Essen, Beschluss vom 27.04.2020, Az. 43 O 39/20 – nicht rechtskräftig, F8 0034/20).
In einem dritten Fall wurde für Produkte wie Mundspüllösungen, Ohrentropfen-Gel u. ä. geworben mit Abbildung eines stilisierten Coronavirus und der Aussage „99,9% Keimreduktion aller relevanten Keime einschließlich MRSA“. Auch diese Aussage wurde gerichtlich untersagt durch das LG Düsseldorf (Beschluss vom 22.04.2020, Az. 34 O 26/20 – rechtskräftig; F 4 0130/20).

In einem Fall reichte die Wettbewerbszentrale Klage ein.

Das beklagte Unternehmen hatte sich zuvor verpflichtet, es zu unterlassen, in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige für ein mit Vitamin C angereichertes Lebensmittel unter Abbildung einer Frau mit Mundschutz und verbunden mit den Aussagen „Schützen Sie Ihren Körper. JETZT!“ sowie „Vor multi-resistenten Bakterien und internationalen Viren schützt Sie ein optimales Immunsystem* – 365 Tage im Jahr.“ zu werben.
Durch das plakative Bild der Frau mit Atemmaske sollte nach Auffassung der Wettbewerbszentrale gezielt die Aufmerksamkeit der Verbraucher erreicht und suggeriert werden, mit der Einnahme des Produktes könne eine Infektion mit „internationalen“ Viren, eben auch dem Corona-Virus, verhindert werden. Krankheitsbezogene Aussagen sind in der Werbung für Lebensmittel jedoch verboten. Wegen der Folgeanzeige, die zwar geändert worden war, aber nach Auffassung der Wettbewerbszentrale gleichwohl einen Schutz vor Coronaviren suggerierte, reichte die Zentrale Ende April 2020 beim Landgericht München I Klage ein (Az. 17 HK O 5079/20; F 8 0014/20).
„In den uns vorliegenden Beschwerdefällen werden teilweise Aussagen über Produkte getroffen, die den Verbraucher in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Das ist nicht nur riskant für Verbraucher, sondern auch eine echte Wettbewerbsverzerrung zu Lasten derjenigen Unternehmen, die sich an die Spielregeln im Wettbewerb halten.“, meint Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale.
In Coronazeiten werben einige Unternehmen mit Spenden- und Unterstützungsaktionen, etwa in Form von Geschenken und „Umsonst“-Angeboten. Speziell im Gesundheitsbereich hat der Gesetzgeber aber zum Schutz vor einer zu starken Kommerzialisierung gesundheitlicher Leistungen Geschenke, Rabatte und sonstige Zuwendungen an Verbraucher verboten (§ 7 Heilmittelwerbegesetz – HWG). Diese strikte Regelung gilt auch in coronabedingten Krisenzeiten, was einige Anbieter nicht beachtet haben.
So musste die Wettbewerbszentrale eine weitere einstweilige Verfügung beantragen wegen der Werbung eines Optikers, der unter Hinweis auf den Verzicht vieler Verbraucher in der Coronakrise u. a. ankündigte „Brillengläser geschenkt für alle!“ (LG Flensburg, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 6 HK O 20/20 – nicht rechtskräftig; HH 3 0075/20). Das Gericht hat die Ansicht der Wettbewerbszentrale bestätigt, dass die Werbeaktion gegen das Zuwendungsverbot des § 7 HWG verstößt. Aufgrund der Werbung gehe der Kunde – so das Gericht – auch nicht davon aus, dass hier nur ein vergünstigtes Komplettangebot vorliege. Nach dem Heilmittelwerbegesetz sind Zuwendungen im Gesundheitsbereich grundsätzlich nicht erlaubt, damit der Verbraucher sich bei seiner die Gesundheit betreffenden Entscheidung nicht von sachfremden Zuwendungen oder Geschenken leiten lässt.

Was der Kunde außerdem erst telefonisch erfuhr, war die Tatsache, dass die Abgabe der „kostenlosen Brillengläser“ an den Kauf einer Brillenfassung geknüpft war, beim Mitbringen einer kundeneigenen Fassung eine „Einschleifgebühr“ in Höhe von 25 Euro berechnet wurde oder die Gläser nur gegen eine „Bearbeitungsgebühr“ versandt wurden. Das hielt das Gericht für irreführend.

Gut gemeinte Unterstützungsaktionen sind nicht per se unzulässig. „Jedem Unternehmen ist es erlaubt, wirklich altruistisch Spenden an entsprechende Personengruppen zu leisten. Wird jedoch im Bereich „Gesundheit“ die „gute Tat“ mit dem Absatz der eigenen Produkte gekoppelt, ist in manchen Fällen nicht nur die altruistische Zielrichtung der Maßnahme, sondern auch ihre Zulässigkeit zweifelhaft“, erklärte Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale.

In anderen Beschwerdefällen hat die Wettbewerbszentrale außergerichtlich Unterlassungs-erklärungen erwirkt. Einige Verfahren laufen derzeit noch.

Quelle: Wettbewerbszentrale
Artikelbild: Shutterstock / Von creativeneko
Unterstützen 🤍

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!

Mit Deiner Unterstützung via PayPal, Banküberweisung, Steady oder Patreon ermöglichst Du es uns, Falschmeldungen zu entlarven und klare Fakten zu präsentieren. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied. Vielen Dank für Deine Hilfe! ❤️

Mimikama-Webshop

Unser Ziel bei Mimikama ist einfach: Wir kämpfen mit Humor und Scharfsinn gegen Desinformation und Verschwörungstheorien.

Abonniere unseren WhatsApp-Kanal per Link- oder QR-Scan! Aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine aktuelle News-Übersicht sowie spannende Faktenchecks.

Link: Mimikamas WhatsApp-Kanal

Mimikama WhatsApp-Kanal

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Kämpfe mit uns für ein echtes, faktenbasiertes Internet! Besorgt über Falschmeldungen? Unterstütze Mimikama und hilf uns, Qualität und Vertrauen im digitalen Raum zu fördern. Dein Beitrag, egal in welcher Höhe, hilft uns, weiterhin für eine wahrheitsgetreue Online-Welt zu arbeiten. Unterstütze jetzt und mach einen echten Unterschied! Werde auch Du ein jetzt ein Botschafter von Mimikama

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.