Die “Paracetamol-Challenge”: Panik um einen nicht vorhandenen Trend

Autor: Andre Wolf

Nur weil es alle schreiben, muss es noch lange nicht stimmen!

Und an dieser Stelle bäumen wir uns ein wenig auf und sagen: es gibt keinen Trend zu einer “Paracetamol Challenge”. Hier haben sich verschiedene Meldungen gegenseitig aufgewärmt und eine Legende verbreitet, welche es so auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken nicht gab und auch nicht gibt.

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(Screenshot: metro.co.uk)

Seit wenigen Tagen liest man überall von dieser Challenge, bei der sich angeblich Jugendliche völlig unkontrolliert Paracetamol einschmeißen und es auch schon ein Todesopfer gibt. Bei der „Paracetamol-Challenge“ fordern sich Teenager gegenseitig dazu auf, hohe Dosen an Schmerzmitteln einzunehmen, was zu ernsthaften Schäden führen kann.

Zunächst: Ja, es gab ein Todesopfer

Im Jahr 2011 verstarb die 19-jährige an einer Überdosis des Medikamentes. Das ist zumindest kein Fake und entspricht absolut der Wahrheit. ABER: der Tod der jungen Frau hat absolut gar nichts mit einer Paracetamol-Challenge zu tun, sondern wird als Warnung genutzt, dass man von einer Überdosis Schmerzmittel sterben kann.

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(Screenshot: express.co.uk)

Die Warnung, dass man von einer Überdosis Paracetamol sterben kann, wurde übrigens herausgegeben, nachdem ein (EIN!) Teenager aus Ayrshire  (Schottland) aufgrund einer Medikamentenvergiftung in das Krankenhaus eingeliefert wurde und danach behauptete, an einer solchen Challenge teilgenommen zu haben.

Police were called in after one person was thought to have been hospitalised after taking part in what education chiefs describes as a ‘dangerous craze’.

Nachweise gab es niemals

Die örtliche Schule begann daraufhin zu warnen, der Direktor der Schule sagte aus:

“The challenge results in young people daring each other, through Instagram and Facebook, to take excessive amounts of paracetamol and this is a matter of great concern”
(Bei der Challenge ermutigen sich junge Menschen gegenseitig über Instagramm und Facebook,  große Mengen an Paracetamol nehmen und das ist sehr Besorgniserregend.)

(Quelle: Scotsman.com)

Genau zu dieser Meldung, sowie auch der Warnung der Polizei, man habe von einer “Paracetamol-Challenge” gehört (!), hat sich nun die Mutter des Todesopfers von 2011 gemeldet.

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(Screenshot: Twitter)

Kurz nochmal Zusammenfassend:
1. es gab EINEN Teenager mit der Behauptung, es gäbe diese Challenge.
2. ein Schuldirektor warnt groß in der Zeitung aufgrund dieser Angabe.
3. die Polizei warnt auch, weil sie diese Meldungen gehört hat.
4. eine Mutter aus Mittelengland hört davon und warnt laut in den Medien, dass man an einer Überdosis sterben kann, da ihre Tochter an einer Überdosis gestorben ist. Diese Überdosis hat jedoch inhaltlich nichts mit der Aussage des Teenagers aus Schottland zu tun.
5. Was danach passiert ist zeigt, wie einer dem anderen ohne zu hinterfragen glaubt. Verschiedene Medien vermischen nun die Todesopfer der Bier-Nominierungen mit einer angeblich existierenden “Paracetamol-Challenge”. Das Todesopfer aus 2011 wird durch falsche Überschriften und Fehlinterpretationen vorschnell zu einem aktuellen Todesopfer in einer angeblich aufkeimenden Challenge gemacht.

Und schon haben wir einen nichtexistierenden Hype

Mittlerweile wird vor dieser Challenge, die wirklich keinerlei Nachweise hat, im europäischen Raum gewarnt.

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(Quelle: oe24.at)

Die Challenge existiert allein dadurch, dass alle Welt davor warnt und sich einer auf den anderen beruft. Problem nur: nur weil es alle schreiben, ist es noch lange nicht wahr!

Es mag nun Trittbrettfahrer geben, die das aufschnappen und auch so machen, vielleicht gab es auch lokal eine Gruppe, die sich als Mutprobe aufgestachelt hat, aber eine „Challenge“, in der Form dass dringlich europaweit gewarnt werden muss, gibt es so nicht.

Kuriose Parallele

Parallelen zu der 72-Challenge sind unübersehbar. Auch vor wenigen Wochen wurde in den Medien ein großer Aufriss um eine Challenge gemacht, welche nie existierte, sondern lediglich der Aussage einer Person entsprang, die eine Challenge als Schutzbehauptung erfand. Macht hier nun eventuell auch eine Schutzbehauptung eine riesen Welle um nichts?


02. Juni 2015

Mittlerweile

hat sich nun auch herumgesprochen, dass es sich um einen Fake handelt (man darf nicht vergessen, dass beim Erscheinen unseres Artikels nahezu alle Medien diesem Hoax aufgesessen waren und wir recht allein gesagt haben, es sei ein Hoax). Selbst die Polizei, welche in Schottland die ursprüngliche Warnung schrieb, ist bereits zurückgerudert, warnt mittlerweile nur noch vor generellem Medikamentenmissbrauch.

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(Quelle: Twitter)

Leider hat es sich immer noch nicht überall herumgesprochen, dass diese Challenge nicht existent ist, so dass immer noch munter gewarnt wird.

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(Screenshot: Sundaypost.com)

Die Gefahr

Durch die gesamten Warnungen ist jedoch nun ein Medienhype entstanden – viel Wirbel um Nichts könnte man sagen – so dass die Gefahr bestehen könnte, dass diese geborene Idee nun Nachahmer findet.

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(Screenshot: Washingtonpost)

Wir weisen daher nochmal darauf hin: Es gab keine Paracetamol Challenge, das Ganze ist ein Hoax. Verschiedene Meldungen wurden miteinander verstrickt, eine junge Frau, welche 2011 an einer Medikamentenüberdosis starb, wurde als Beispiel aufgrund oberflächlichen Lesens als Opfer einer Challenge angeführt, welche es in den sozialen Medien in Form einer “Challenge” nicht gab.

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