Hunde in der Müllpresse: eine Analyse führt weit in den Osten der Türkei

Autor: Andre Wolf

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Derzeit wird ein Artikel auf Facebook geteilt, welcher beschreibt, dass Hunde im Osten der Türkei in den Mullabfuhrpressen zu Tode gequetscht werden.

Mimikama: Information

Achtung! Dieses Thema ist sehr umfangreich und daher fällt der Artikel lang aus. Wir beziehen uns hier auf den Artikel mit dem Titel “BILDER, DIE WEH TUN: HUNDE WERDEN LEBENDIG ZU TODE GEPRESST” von der Seite “Issnruede.de”. Dieser trägt ein aussagekräftiges Bild, welches einen Hund zeigt, der sich in einer Presse eines Müllwagens befindet.

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(Screenshot: Facebook, öffentlicher Status)

Der Artikel selbst befindet sich auf der Seite “Issnruede.de” und trägt mehrere Bilder des Hundes in sich, wie er in dieser Lage gefangen ist. Ebenso ist ein Fahrzeug einer Müllabfuhr abgebildet, in dem der Hund angeblich stecke. Es handelt sich nach inhaltlich strittigen Aussagen um Bilder aus Tunceli Pülümür (im Osten der Türkei), aber auch im gleichen Atemzug Izmir (Westen der Türkei).

Daneben erhält der Artikel eine Wiedergabe eines Briefes, der an die Bürgermeisterin der Stadt Bremen gerichtet ist. Gemeint ist in diesem Falle Frau Linnert von Bündnis 90/Die Grünen, die seit 2007 die Bürgermeisterin und Senatorin für Finanzen als Stellvertreterin von Carsten Sieling in Bremen ist.

Da Bremen und Izmir eine Städtepartnerschaft unterhalten, versucht die Bittstellerin auf diesem Wege die qualvollen Umstände für die Tiere beenden zu können. Man bittet nun die Bürgermeisterin:

Sie als Bürgermeisterin von Bremen haben es in der Hand, die verantwortlichen Behörden in Izmir zur Rechenschaft zu ziehen und die Städtepartnerschaft zu kündigen, wenn diese grausamen Morde an unschuldigen Tieren nicht UNVERZÜGLICH eingestellt werden.

(Zitat: Issnruede.de)

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Kurz noch die Einordnung in den zeitlichen Verlauf: auch wenn ein Großteil der Kommentare, sowie auch die Verteilung auf November 2015 deuten, so ist dieser Artikel bereits ein Jahr alt und stammt vom 24. November 2014. Ob und inwiefern in dieser Zeit sich an der Situation in der Türkei etwas geändert hat, geht nicht aus dem Inhalt hervor.

Ein Auszug aus dem Kommentarverlauf unter dem Artikel zeigt: es gibt einen Eintrag vom 25. November 2014, einen Eintrag aus dem März 2015 und 94(!) Kommentare aus dem November 2015 (Stand 10.11.2015)

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(Screenshot: Issnruede.de)

Dieses Schreiben an Frau Linnert in Bremen wird jedoch kaum Früchte tragen. Den Grund dazu werden wir im Folgenden darlegen.

Geografische Problematik

In dem Brief wird nun die bremer Bürgermeisterin angeschrieben, da es sich um eine angebliche Problematik in Izmir handeln soll, denn in dem Artikel ist ebenfalls ein Bild eines Müllwagens aus Izmir dargestellt. Der einleitende Teil des Artikels scheint jedoch redaktionell bearbeitet worden zu sein, denn dort findet sich eine andere Ortsangabe:

Uns erreichte der Aufruf an die bremer Bürgermeisterin, der Schockierendes zutage brachte. Hunden in Tunceli Pülümür (im Osten der Türkei) werden von der Strasse geholt und in Müllwagen zu Tode gepresst.

(Zitat: Issnruede.de)

Problematisch wird nun, wenn man sich anschaut, wo die genannten Städte liegen! Izmir als große Stadt liegt an der Westküste der Türkei, die Stadt Tunceli Pülümür liegt jedoch ca. 1340km weit entfernt im Osten des Landes. Es sollte nun für eine bremer Bürgermeisterin sehr schwer sein, Missstände in Izmir anzuprangern, die jedoch 1340km weiter östlich stattgefunden haben sollen. Daher schauen wir nun, woher diese Unstimmigkeit stammt.

In diesem Zuge beantwortet eine weitere Quelle diese Frage. Der Inhalt von “Issnruede.de” scheint von der Seite “houndsandpeople” übernommen worden zu sein, welche 5 Tage älter ist und somit auch ursprünglicher ist. Hier wird nun deutlich, wie der geografische Fehler entstanden ist. Dieser Artikel auf “houndsandpeople” spricht in seiner ersten Fassung vom 19. November, 09:57 Uhr in dem Brief ausschließlich von Izmir, jedoch wurde 19. November, 16:22 folgende Berichtigung hinzugefügt:

B e r i c h t i g u n g:

Liebe Tierfreunde,

wie ich erst jetzt erfahren habe von Jutta Turan, Tierhilfe Izmir ([email protected]) betrifft es nicht I z m i r sondern Tunceli Pülümür ganz im Osten der Türkei, wo das passiert ist, dort gibt es keine Tierschutzorganisationen oder Tierheime / Auffangstationen. Das Kennzeichen fängt zwar mit 35 an gehört aber nicht zu Izmir. Ich hab den Orginalbeitrag gelesen.

Der Artikel trägt jedoch weiterhin die Überschrift “I Z M I R / TÜRKEI – HUNDE WERDEN LEBENDIG ZU TODE GEPRESST” und die Aufforderung in dem Artikel ist ebenso weiterhin, die bremer Bürgermeisterin um Hilfe zu bitten.

Ursprung der Bilder

Jetzt wird es noch interessanter: was man mit recht großer Gewissheit sagen kann: die Bilder stammen aus der Türkei. Auf einem Twitteraccount findet man am 13.  November 2014 eine ganze Serie an Bildern, die diesen Hund, sowie auch einen Müllwagen zeigen. Da diese Bilder nochmals 6 Tage älter als der Artikel auf “houndsandpeople”  sind, und auch gleichzeitig noch von einem türkischen Account stammen, scheinen diese die ursprünglichen zu sein.

Und hier gibt sich eine etwas andere Geschichte zu diesen Bildern. Zunächst: ja, die Tiere sind in dem Müllwagen gelandet. Aber hier gibt der türkische Inhalt nun eine ganz andere Geschichte wieder!

Der türkische Twitteraccount spricht nicht von einer Tötung der Tiere, sondern von einem nicht artgerechten Transport der Tiere von einer Stadt in eine andere Stadt. Neben den bisher bekannten Bildern gibt es noch einige Bilder aus dieser Situation mehr, welche die Ursprünglichkeit der Angaben untermalen. Es gibt sogar eine Art handschriftlicher “Lieferschein”, der einen Transport von 36 Hunden bestätigt.

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(Screenshot: Twitter)

Auf diesem steht:

Protokoll

Die in  [der Gemeinde] Pülümür-Tunceli aufgefundenen 36 Streuner [?kaper] wurden am 13.11.2014 durch die Gemeinde Pülümür an das Tierheim in [der Gemeinde] Erzincan übergeben.

Übergabe durch Angestellter der Stadt Pülümür: Düzgün IBIN

Übernahme: Murat Susmus

Was hier nun geschieht: hier wird der Umstand des nicht artgerechten Tiertransportes angeprangert. Die Hunde werden nicht in einem angemessenen Fahrzeug überführt, sondern in einem Müllwagen. Und hier kommt nun auch das Bild aus Izmir ins Spiel: der Besitzer des Twitteraccounts nutzt das Bild des Müllwagens aus Izmir um zu zeigen, unter welch schlechten Umständen die Tiere transportiert werden. Er betitelt dieses Bild mit Vorwurf: “Was wäre, wenn Du da drinnen wärst?”

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Insofern ist dieses Bild eher als Sinnbild zu verstehen und zeigt nicht den echten Tiertransport. Hier soll gezeigt werden, wie man sich fühlen würde, wenn man in einem Müllwagen eingesperrt wäre.

Aber den vorgefallenen Transport und den Wagen sieht man ebenfalls auf diesem Twitteraccount. Das folgende Bild zeigt die Situation des Tiertransportes.

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Auf diesem Bild sieht man nun das Müllfahrzeug, sowie auch das Hundegatter. Ebenso deutlich postet der Accountinhaber auf Twitter ein Bild, wie ein Hundetransport in seinen Augen auszusehen hat (siehe hier). Somit ist seine Intention, sowie auch die ganze Schilderung, welche auf seinem Twitteraccount am 13. November 2014 zu lesen ist, recht schlüssig.

Abgesehen von der tatsächlich nicht artgerechten Transportweise der Hunde gibt es auch ein Bild, welches die Tiere nach ihrer Ankunft in Erzincan zeigen.

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Diese Geschichte liest sich nun aus dem Twitteraccount und wurde von dort aus in das Netz geladen. Es gibt keine Parallelstellen, aber auch keine älteren Fundstellen. Ebenso gibt es nirgendwo ausführlichere Fundstellen, so dass wir davon ausgehen, dass dieser Twitteraccount der Urheber der Bilder ist und auch dem Transport beiwohnte. Dieser Transport scheint jedoch sehr unwürdig abgelaufen sein, so dass er es für wichtig ansah, dass man mit diesen Bilder des qualvollen Transports die Menschen wachrütteln muss.

Die Bilder sind öffentlich auf diesem Account zu finden: https://twitter.com/aaskim71 , bitte bis zum 13. November 2014 scrollen. Wer selber die Inhalte lesen möchte, sollte am besten eine türkischsprachige Person dabei haben, da die Onlineübersetzer teilweise sehr schräg übersetzen.

Zum Abschluss

Aus verschiedenen Quellen im Zuge der Recherche zu diesen Bildern haben wir nun gelesen, dass die Situation für Hunde in der Türkei, besonders für Streuner, wahrlich problematisch ist. Wir zweifeln an dieser Stelle auch in keiner Weise jegliche Art von Tierschutzbemühungen an! Das lassen wir auch so an dieser Stelle stehen und vertiefen es nicht weiter. Unser Schwerpunkt in diesem Artikel liegt auf den gezeigten Bildern, deren Herkunft und warum ein Schreiben an die Bürgermeisterin von Bremen wenig Erfolg hat.

An dieser Stelle gilt mein Dank meiner Kollegin Özlem, die durchgehend mit der Übersetzung zur Seite stand.

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