Gil Ofarim: Zeugen bestätigen anscheinend Antisemitismus-Vorwurf nicht

Autor: Ralf Nowotny

Gil Ofarim
Gil Ofarim

Die Antisemitismus-Vorwürfe von Gil Ofarim gegen das Hotel Westin in Leipzig werden immer verwaschener: Zeugen können die Aussagen nicht bestätigen.

Das Hotel Westin in Leipzig hat nach den Anschuldigungen des Musikers Gil Ofarim laut eigenen Aussagen eine „spezialisierte Anwaltskanzlei“ damit beauftragt, interne Untersuchungen durchzuführen. Dafür befragten Mitarbeiter der Kanzlei Gäste des Hotels und betrachteten Aufnahmen der Videoüberwachungsanlage (wir berichteten).
Zeit Online“ liegt der interne Untersuchungsbericht vor, und demnach kann keiner der befragten Zeugen die Aussagen Ofarims bestätigen.

Auch Zeugenaussagen der Ermittlungsbehörden enthalten

In dem 118 Seiten starken Dokument der Anwaltskanzlei seien nicht nur die Befragungsprotokolle der Kanzlei selbst enthalten, sondern auch die Aussagen der Zeugen, welche nur mit den offiziellen Ermittlungsbehörden reden wollten. Das sei zwar ungewöhnlich, rechtlich jedoch möglich.

Die Aussagen beinhalten die Schilderungen von acht Gästen, dem beschuldigten Mitarbeiter und zwei seiner Kollegen. Auch mit Ofarim selbst wollten die Anwälte der Kanzlei reden, dieser lehnte jedoch anscheinend ab.

Die Situation

Wie auch aus den Schilderungen Ofarims bekannt ist, warteten viele Gäste darauf, in das Hotel einzuchecken. Und es waren wirklich viele: An dem Abend wollten 140 neue Gäste ihre Zimmer beziehen, doch nicht nur das Check-In-System funktionierte nicht, sondern auch das für die Kodierung der Zimmerkarten zuständige Programm war ausgefallen.

Dazu kam noch, dass an dem Abend nicht, wie üblicherweise, vier Angestellte arbeiteten, sondern nur eine Auszubildende, eine Werkstudentin und der von Ofarim beschuldigte Mitarbeiter. Kurz gesagt, und das ist wichtig für die Beurteilung der Vorgänge: Es handelte sich um eine pure Stresssituation, sowohl für die Angestellten, als auch für ungeduldige Gäste.

Gäste wurden wirklich vorgezogen – weil ihre Zimmerkarten schon vorbereitet waren

Die Überwachungsvideos sollen zeigen, dass mindestens sieben Personen in einer Schlange vor der Rezeption stehen, als Ofarim das Hotel betritt. Der Sänger reihte sich in die Schlange ein, kurz darauf sprechen zwei Gäste hinter Ofarim den beschuldigten Mitarbeiter an und werden vorgezogen.

Der Grund dafür offenbarte sich in den Ermittlungen und durch die Videos: Die beiden Gäste waren Stammgäste, deren Zimmerkarten bereits vorbereitet an der Rezeption lagen. Auf den Videos sieht man auch, dass sie keinen Meldebogen ausfüllen mussten, sondern gleich ihre Zimmerkarten bekamen.

Was wurde gesprochen?

Laut den beiden Stammgästen habe Ofarim, was an den beiden Vorgezogenen denn so besonders sei, woraufhin einer der beiden antwortete, dass er lediglich häufig zu Gast sei. Als der Sänger am Schalter steht, sieht man, wie er erst auf den Beschuldigten deutet, an der Plexiglasscheibe vorbeisprechen möchte, dann erst mit dem Daumen, dann mit der ganzen Hand hinter sich deutet.

Doch was wurde in diesem Augenblick gesprochen? Geht man nach Ofarims Äußerungen in seinem Video auf Instagram, macht er an dieser Stelle auf die antisemitische Äußerung eines unbekannten Hotelgastes („Pack deinen Stern ein“) aufmerksam, woraufhin der Beschuldigte ebenfalls „Packen Sie Ihren Stern ein“ gesagt haben soll.

Die Zeugen jedoch geben das Gespräch ganz anders wieder.

Die Aussagen der Zeugen

Laut den Zeugenaussagen im Bericht der Kanzlei, wobei die Polizei ihre eigenen Zeugenbefragungen noch nicht abgeschlossen hat, soll Ofarim wahlweise gefragt haben, was das für ein „Scheißhotel“ oder ein „Scheißladen“ sei, das Gäste einfach aus der Warteschlange vorzieht.

Zwei Mitarbeiterinnen und drei Gäste schilderten weiterhin, dass Ofarim gesagt habe, er werde später in seinem Hotelzimmer ein Video für Instagram aufnehmen, welches „viral gehen“ würde. Antisemitische Äußerungen habe keine der Zeuginnen und Zeugen gehört.

Noch offene Fragen

Die Aussagen der Zeugen sind recht eindeutig, doch geklärt ist damit noch lange nichts. Beispielsweise ist immer noch die Frage offen, ob Ofarim seine Kette mit dem Davidstern sichtbar über dem Shirt trug oder nicht – bisher sagte nur ein Zeuge, dass er glaube, die Kette sichtbar im Hotel gesehen zu haben.

Dann sind noch die Zeugenaussagen selbst gegenüber den jeweiligen Ermittelnden zu bewerten: Äußern sich Zeugen anders gegenüber von Anwälten, die im Namen des Hotels ermitteln, als gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft? Gibt es da eventuell Unterschiede in den Aussagen?

Auch die endgültigen Auswertungen des Videomaterials könnten Licht auf die Angelegenheit werfen. Interessant ist aber bereits das Gutachten des Sachverständigen George A. Rauscher, welches 43 Seiten umfasst. Rauscher wertete in der Vergangenheit bereits das „Ibiza-Video“ aus, welches den damaligen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf Ibiza zum Rücktritt zwang.

Laut Rauscher seien die Videos des Hotels nicht manipuliert, zudem habe Ofarim mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Kette im Hotel nicht sichtbar getragen. In einer Aufnahme sehe man jedoch, wie sich Ofarim nach Verlassen des Hotels leicht nach hinten drehe und die rechte Hand zum Hals führt. Zieht er in diesem Moment die Kette unter dem Shirt hervor? Das ist noch offen. Als sich Ofarim jedoch danach wieder umdreht, ist die Kette deutlich zu sehen.

Weitere Aufnahmen werden jedoch noch ausgewertet, also kann sich das Gesamtbild immer noch verschieben, ein endgültiges Urteil ist in der Angelegenheit noch immer nicht gesprochen.


Quelle: Zeit Online
Weitere Informationen zu diesem Thema in unserer Analyse
„DIE CAUSA OFARIM“: ÜBER GLAUBWÜRDIGKEIT UND WENDUNGEN!

 

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