Flüchtlinge attackieren Polizisten in Schweden – Wahr, aber mit einem groben Fehler

Autor: Ralf Nowotny

Schweden hat ein Flüchtlingsproblem, das ist bekannt. Die teilweise unwürdigen Unterbringungen lassen Aggressionen aufkochen, die manchmal eskalieren. Insofern schockiert jene Meldung, welche sich international verbreitet, noch mehr: Eine Gruppe von Polizisten sollen vor Flüchtlingen geflohen sein, die verhindern wollten, dass sie einen 10-jährigen Jungen mitnehmen, der mehrfach vergewaltigt worden sein soll.

Was ist an der Geschichte richtig, was falsch?

Vorab: Wir haben keine Ahnung, warum aus einem Auszug einer Familie plötzlich ein vergewaltigter Junge wurde. Wir wissen auch nicht, warum jede Seite nur stumpf voneinander abschrieb, anstatt einmal die Originalquellen zu prüfen

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„Flüchtlings-Mob attackiert Polizisten
Die Beamten wollten einem vergewaltigten Buben helfen.“

…so titelt oe24.at. Demnach wollten Polizisten in der Stadt Västerås einen 10-Jährigen Jungen aus einem Flüchtlingsheim holen, der mehrfach vergewaltigt wurde. Während des Einsatzes wurden die Beamten in einem schmalen Korridor von Flüchtlingen umzingelt und mussten fliehen.

Welchen Weg ging diese Meldung?

Auf oe24 erschien jener Artikel am 27.1.2016 um 10:30 Uhr. Sie übernahmen den Artikel aber sinngemäß von der Daily Mail, welche am 26.1.2016 um 17:21 Uhr darüber berichtete. Der Artikel der Daily Mail war auch die am meisten verlinkte Grundlage für die Artikel auf allen anderen Seiten.


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Wahr? Falsch? Halbwahrheit!

Wenn so viele Seiten genau dasselbe berichten, aber nur eine Quelle nutzen, muss man die Quelle der Quelle suchen, sprich: direkt auf den schwedischen News-Seiten.
Die schwedische Lokalseite „VLT-Västerås“ berichtete zuerst am 25.1.2016 von dem Vorfall, und dort stellt sich die Sache ein wenig anders dar.

Zuerst: Der Vorfall ist wahr. Tatsächlich mussten die Polizisten vor den aufgebrachten Flüchtlingen fliehen.

Aber: Der Grund ist falsch!

Im Originalartikel von „Västerås“ steht mitnichten irgendetwas von einem 10-Jährigen Jungen, der befreit werden sollte. Vielmehr war es so, dass eine dort lebende Flüchtlingsfamilie in ein anderes Flüchtlingsheim verlegt werden sollte. Da die anderen Flüchtlinge dagegen protestierten, riefen die Mitarbeiter die Polizei zu Hilfe, welche dann von den Flüchtlingen bedrängt wurden, woraufhin sie fliehen mussten.

Nachspiel

Schweden hat öfter gravierende Probleme mit Flüchtlingen. Dies wird dort jedoch als Herausforderung angesehen. In jenem speziellen Falle versuchen die Verantwortlichen sowie Vertreter der schwedischen Einwanderungsbehörde, die individuellen Problematiken hinter einzelnen Fällen besser zu erkennen, wie VLT am 28.1.2016 berichtet.
Warum jene Familie nun nicht ausziehen wollte, darüber lässt sich nur spekulieren. Das Verhalten der anderen Flüchtlinge war aber auf jeden Fall inakzeptabel, daran gibt es nichts zu rütteln.

Fazit:

Wir haben keine Ahnung, warum aus einem Auszug einer Familie plötzlich ein vergewaltigter Junge wurde. Wir wissen auch nicht, warum jede Seite nur stumpf voneinander abschrieb, anstatt einmal die Originalquellen zu prüfen.

Es wurden Polizisten zur Flucht gezwungen. Das alleine ist schon unschön und wirft kein gutes Licht auf Flüchtlinge, Solidarität mit einer Familie hin oder her. Das Verhalten ist inakzeptabel, und die Autoritäten in Schweden sollten dementsprechend auch Maßnahmen ergreifen, die sowohl jenen Vorgang ahndet als auch weitere Vorfälle dieser Art verhindert.

Aber einen vergewaltigten Jungen zu erfinden, um das ohnehin schon schlechte Bild über Flüchtlinge noch mehr zu zerfleddern, ist unter aller Kanone!

Schade, dass sogar renommierte Medien lieber ungeprüft Artikel übernehmen, anstatt ein wenig einem Sachverhalt nachzugehen.

Autor: Ralf, mimikama.org

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