Abtreibung: Facebook und Google unter scharfer Kritik – Datensammlung ermöglicht Jagd auf Frauen, die sich online informieren

Wenn Frauen nach Abtreibungskliniken suchen, hinterlassen sie im Netz Spuren. Der digitale Fußabdruck kann in den USA von Strafverfolgungsbehörden genutzt werden, um diese Frauen aufzuspüren. Horrorszenarien sind Tür und Tor geöffnet.

Autor: Nicole Mühl

Der Oberste Gerichtshof der USA hat in der Vorwoche das liberale Abtreibungsrecht gekippt. Der Weg ist somit frei für das Verbot von Abtreibung in zahlreichen Bundesstaaten. Doch wo Verbote, da auch Bespitzelungen und Denunzierungen. In manchen Staaten soll es sogar eine Belohnung für jene geben, die Menschen vernadern, die abtreiben wollen, schreibt futurezone.

Das Ausmaß der Beschneidung des Selbstbestimmungsrechtes für Frauen geht noch weiter:

Websites von Abtreibungskliniken könnten getrackt und die Daten an Behörden weitergegeben werden. Medial verbreiten sich bereits die ersten Horrorszenarien, wie Abtreibungen unterbunden und Frauen kriminalisiert werden könnten. Die Digitalisierung macht es möglich.

Eva Galperin von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) weist darauf hin, „dass wir in einem beispiellosen Zeitalter der digitalen Überwachung leben.“ Das sei der Unterschied zum letzten Mal, als Abtreibung verboten war.

Der digitale Fußabdruck

Über Google könnten Behörden herausfinden, wer sich in unmittelbarer Nähe einer Abtreibungsklinik aufgehalten hat, so die Befürchtung von EFF.

Auch Apps, wie etwa die Menstruations-App, die jede Menge Daten sammelt, könnten problematisch werden. Immerhin zeichnen diese auch auf, wenn die Periode einmal ausbleibt.

Besteht ein konkreter Verdacht, können Behörden gerichtlich anordnen, dass bestimmte Daten herausgegeben werden müssen.

Auch über Smartphone Apps könnten sensible Daten an Abtreibungsgegner verkauft werden.

Die Verfolgung und Kriminalisierung der Frauen ist also möglich durch Datensammlungen der Tech-Konzerne. Eine Recherche von Reveal und The Markup deckt auf, dass Facebook hochsensible personenbezogene Daten über Abtreibungssuchende sammelt und es Anti-Abtreibungsorganisationen ermögliche, diese Daten zu verwenden, um Menschen zu beeinflussen. Eigentlich müsste Facebook sensible Gesundheitsdaten erkennen und blockieren. Doch die Recherche von Reveal und The Markup zeigt das Gegenteil auf.

Laut einem Bericht in futurezone ist das Ausmaß der Verfolgung noch größer. „Facebook gibt Abtreibungsgegner*innen die Möglichkeit, dieser Zielgruppe sogar irreführende Werbung zukommen zu lassen“, heißt es in dem Artikel. Und weiters: „Oft werden falsche Informationen verbreitet, wie etwa, dass jemand von einer Abtreibung Krebs kriegen kann.“

Auch Google wird von der Bürgerrechtsorganisation EFF kritisiert, denn in einigen US-Staaten führt die Suche nach einer „Abtreibungsklinik in meiner Nähe“ zu Anti-Abtreibungskliniken. Das Non-Profit-Center for Countering Digital Hate habe solche Fälle herausgefunden und veröffentlicht. Google empfiehlt Nutzer*innen, diese falsch platzierten Zentren zu melden.

Forderungspaket für mehr Privatsphäre

EFF fordert Tech-Konzerne auf, das Sammeln von Daten sofort zu stoppen. Nutzungsverhalten oder auch der Standortverlauf dürfen nicht gespeichert werden.

EFF fordert außerdem die Möglichkeit für eine anonyme Nutzung der Dienste sowie von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zur Datenübertragung.

Von Seiten der Politik wird mehr Schutz der Privatsphäre gefordert. derstandard.at berichtet, dass dies zum Teil auch von Politiker*innen selbst so gesehen wird. Vier demokratische Senator*innen fordern eine Untersuchung gegen Apple und Google, die eine Hauptrolle spielen, „Onlinewerbung in ein umfassendes Überwachungssystem zu verwandeln, das auf der praktisch uneingeschränkten Sammlung von Daten basiert.“
In dem Brief heißt es unter anderem:

„Data brokers are already selling, licensing, and sharing the location information of people that visit abortion providers to anyone with a credit card. Prosecutors in states where abortion becomes illegal will soon be able to obtain warrants for location information about anyone who has visited an abortion provider. Private actors will also be incentivized by state bounty laws to hunt down women who have obtained or are seeking an abortion by accessing location information through shady data brokers.“

Darin warnen die Senator*innen vor Datenhändlern, die bereits Standortinformationen von Personen, die eine Abtreibungsklinik besuchen, verkaufen und teilen. Staatsanwälte in Staaten, in denen Abtreibung illegal ist, werden durch Standortinformationen bald in der Lage sein, Haftbefehle über jede Person zu erhalten, die einen Abtreibungsanbieter besucht hat. Privatpersonen werden dazu angeregt, Frauen zu jagen, die eine Abtreibung durchgeführt haben oder eine planen, indem sie über zwielichtige Datenhändler auf Standortinformationen zugreifen.

Reaktionen der Tech-Konzerne

Apple und Google betonen, keinerlei Daten weiterzuverkaufen. Wie bekannt, hat Meta Gespräche unter Mitarbeiter*innen zum Thema Abtreibung untersagt, um ein feindliches Arbeitsklima zu vermeiden (HIER). Man würde aber Reise- und Gesundheitskosten von Mitarbeiterinnen übernehmen, die in einen anderen Bundesstaat reisen müssen, um einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Google, Amazon und Apple haben ähnliche Regeln. Eine Stellungnahme darüber, wie man mit gerichtlichen Anordnungen umgehen werde, die Abtreibungen betreffen, gibt es von Seiten der Konzerne bisher nicht.

Übrigens: An Menstruations-Apps, mit denen sensible Daten so gespeichert werden können, dass sie von Unternehmen im Falle einer gerichtlichen Anordnung nicht herausgegeben werden können, wird gearbeitet.

Quelle: futurezone, derstandard.at, Reveal, Arstechnica, Brief der US-Senator*innen

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