Ein neuer, alter Cola Mythos

Autor: Jens | ZDDK | MIMIKAMA

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Uns haben die Einzelheiten der Meldung keine Ruhe gelassen, also sind wir denen mal nachgestiegen. Am gestrigen Tage haben wir nochmals über das Gerücht berichtet, “Cola würde Knochen zersetzen” (siehe hier). Die vielen Unstimmigkeiten und Thesen der Vorlage wollten wir daher noch einmal aufgreifen.

Die Phosphorsäure

Nach dem Genuss einer 0,33 l Dose Cola hätte man sich eigentlich innerhalb der ersten 10 Minuten, wegen der Süße von 10 TL Zucker, eigentlich übergeben müssen. Dies werde jedoch durch die Phosphorsäure verhindert.

Diese These lesen wir in der Vorlage [1]. Dass Cola so schön gleichmäßig gefärbt ist, ist keinesfalls selbstverständlich, der Colasirup mag sich eigentlich nicht so gerne mit dem Wasser verbinden und würde sich unheimlich gerne von diesem absetzen. Vermischt man beides, trennen diese sich wieder, wir haben eine klassische Emulsion vor uns, um die beiden Bestandteile jetzt davon zu überzeugen, dass sie doch füreinander bestimmt sind, setzen die Lebensmittelchemiker sogenannte Emulgatoren ein. In Cola wurde früher Zitronensäure verwendet, heutzutage nimmt man Phosphorsäure.

Phosphorsäure? Die soll doch den Zucker neutralisieren!

Ja, also…. Zucker lässt sich nicht mit Säure neutralisieren, dann wird es süß-sauer, aber nicht wirklich weniger süß..

Gut, aber wenigsten übergeben müsste man sich von der Menge!

Nein, auch nicht wirklich, die Seite Buzzfeed hat sich deswegen mit Experten in Verbindung gesetzt. Speziell hier um die Behauptung:

„Eine Dose Coca-Cola enthält in etwa zehn Teelöffel Zucker. Dies entspricht 100 Prozent des menschlichen Zuckerbedarfs. Laut Naik ist das zu viel Zucker in kurzer Zeit. Daher mischt der Hersteller dem Getränk Phosphorsäure bei, um zu verhindern, dass der Süße-Schock bei seinen Konsumenten zum sofortigen Übergeben führt.“

Antwort von Dr. Kimber Stanhope (vom Lehrstuhl für molekulare Biologie der Universität von Kalifornien):

Für sie ist diese Aussage falsch. Tests hätten ergeben, dass Menschen ohne größere Probleme Getränke zu sich nehmen könnten, die zehn oder gar mehr Teelöffel Zucker enthalten können. Während ihren Studien hätten Probanden für Studienzwecke Getränke mit einem höheren Zuckergehalt zu sich genommen, ohne, dass diesen Phosphorsäure beigefügt gewesen wäre.

Ergebnis: nach Angaben von Dr. Stanhope hat sich keine einzige Testperson übergeben, auch sei ihr kein Fall bekannt in dem sich einer der Probanden über Übelkeit beklagt hätte. Also auch das wird nichts.


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Weiter, nach 20 Minuten

„Der Blutzucker steigt und verursacht eine erhöhte Insulin-Ausschüttung. Daraufhin beginnt die Leber, so viel Zucker wie möglich in Fett umzuwandeln, den der Organismus dann einlagert.“

Auch das wird durch die Studien von Dr. Stanhope widerlegt, für die Fettumwandlung ist nicht ursächlich der erhöhte Insulinspiegel verantwortlich, sondern die Leber, die Fruktose umwandelt. Nach ihren Angaben reagiere zwar der Insulinspiegel auf zuckerhaltige Getränke, aber dies sei nicht der Hauptgrund für die gesteigerte Fettumwandlung der Leber. Auch hier wurde also etwas falsch dargestellt.

Dritte These Dopamin

Nach 45 Minuten

„Der Körper schüttet nun das Glückshormon Dopamin aus, wodurch das Belohnungszentrum im Gehirn angeregt wird. Dabei handelt es sich um die gleiche Reaktion des Körpers, die auch beim Heroin-Konsum beobachtet werden kann.“

Hierzu wurde der Neurobiologe Michael A. Taffe befragt. Er sagt dazu:

„Beim Thema Drogen muss alles in der Beziehung zwischen Dosierung und Tolerierung gesehen werden. Die sensationsheischende Formulierung klingt weitaus dramatischer, als sie für den durchschnittlichen Cola-Trinker ist. Koffein stimuliert keinesfalls die Produktion von Dopamin, es unterstützt die Ausschüttung und mag andere Nebeneffekte haben, aber die Produktion wird nicht davon beeinflusst.“

Wenn man bedenkt, dass Cola weniger Koffein enthält als eine Vergleichsmenge durchschnittlichen Kaffees, mag es verwundern, warum so wenig Kaffeetrinker durch die Gegend schweben.

Prof. Taffe stellt noch deutlich heraus, dass hierbei auch wichtig sei, wieviel Koffein eine Person normaler Weise zu sich nimmt. Für Personen, die regelmäßig Koffein konsumieren, fallen die Effekte weitaus geringer aus, als für diejenigen, die normaler Weise, wenig bis gar kein Koffein gewöhnt sind.

Am Ende ist der Effekt, der von dem Koffein der Cola hervorgerufen wird, weitaus geringer als die Formulierung vermuten lässt.

Nach Taffe sind die Aussagen über Koffein nicht grundsätzlich falsch, aber eindeutig überbewertet und zu dramatisch dargestellt.

Vierte These wieder Phosphorsäure

Nach 60 Minuten: Kalzium, Magnesium und Zink werden durch die Phosphorsäure im unteren Verdauungstrakt gebunden, und der Stoffwechsel dadurch angeregt. Weil Zucker und künstlicher Süßstoff auch harntreibend wirken, wird zudem die urinale Ausscheidung von Kalzium aus dem Körper begünstigt. Weil Koffein auch auf die Blase wirkt, ist der Gang zur Toilette quasi nicht mehr vermeidbar. Dabei werden das Kalzium, Magnesium und Zink, das eigentlich in die Knochen wandern sollte ausgespült. Ebenso wie Elektrolyte und Wasser.

Eine weitere Funktion ist die als Puffer im Säure-Basen-Haushalt – er hilft dabei, den pH-Wert des Blutes zu stabilisieren. Der Bestand von Phosphor im Körper liegt bei etwa 600–700 g; etwa 90 % davon sind in den Knochen gebunden. Ausgeschieden wird er vor allem über den Urin, weniger über den Stuhl. Bei einem Kalziummangel im Blut schüttet die Nebenschilddrüse ein Hormon (Parathormon) aus, dass Kalzium aus dem Knochen löst, gleichzeitig wird dann auch Phosphor freigesetzt.
Die Darstellung, dass die Phosphorsäure Kalzium im Darm binden würde, ist also falsch. Allerdings wird beides gemeinsam bei Kalziummangel ausgeschieden, was den Verdacht aufkommen lassen kann.

Der GAU – Koffein Crash

Nach mehr als 60 Minuten: Nach einer Stunde beginnt die Wirkung der Cola nachzulassen. Das bedeutet, der Zuckerspiegel stürzt ab. Es kommt zu Reizbarkeit und Müdigkeit, so Naik. Das Wasser, das durch die Cola ausgenommen wurde ist längst mit dem Urin aus dem Körper verschwunden. Ebenso wie wichtige Mineralien und Spurenelemente. Wenige Stunden später folgt dann der Koffein-Crash.

Der Zuckerspiegel ist im Normalfall eine Variable, schwankend, es gibt einen „Normbereich“ in dem sich der Zuckerspiegel bei gesunden Menschen bewegt. Ein Absturz des Zuckerspiegels hat meist pathologische Gründe und kann zum Beispiel bei Typ 1 Diabetikern beobachtet werden, wenn sie, nach Berechnung ihres Insulinbedarfs gespritzt haben und aus irgendeinem Grund nicht ausreichend essen konnten.

Bleibt der Koffein Crash…

Dazu vergleichen wir aus einer Laune heraus mal den Koffeingehalt verschiedener koffeinhaltiger Getränke, dazu nehmen wir die Tabelle von koffein.com, demnach enthalten 100 ml:

  • Coca-Cola 9,0 mg
  • Coca-Cola Light 12,0 mg
  • Pepsi 10,0 mg
  • Cappuccino 27,0 mg
  • Kaffee 80,0 mg

Cola (abgesehen von Afri und Fritz Cola, die mit 25,0 mg auf 100 ml bei den Colas vorn liegen) enthält also im Schnitt ein neuntel des Koffeingehaltes von Kaffee..

Wenn also Cola Trinker nach mehreren Stunden dem Koffein Crash erliegen, wie arg mag der erst Kaffeetrinker dahin raffen?

Ein Hinweis: auch wenn diese Elemente entkräftet wurden, sollte sich jeder im Klaren sein, dass sogenannte Softdrinks natürlich kritisch zu betrachten sind.

Der Ersteller des Schaubildes hat sich gegenüber Buzzfeed wie folgt geäußert.

He also pointed out that he created the infographic, but was not the original creator of the content in it. “I don’t know exactly how accurate that infographic is for every single person as I was not the original creator of the content, but if you study each ingredient you will find they are metabolised with similar effects that will vary for each individual,” he wrote in an email. “Moderation is key.”

Ich weiß nicht wie genau das Schaubild für den Einzelnen ist, der Inhalt ist nicht von mir, ich habe lediglich das Schaubild erstellt. Wenn man die Inhaltsstoffe untersucht, stellt man fest, dass sie immer auf die gleiche Weise verstoffwechselt werden, aber der Effekt ist von Person zu Person unterschiedlich.

Ein viel besseres Beispiel für unser „Credo“: Zuerst denken – dann klicken, kann es fast nicht geben, hätte er sich mit der gleichen Sorgfalt der Überprüfung seiner Quelle gewidmet, wie er sie der Erstellung seines Schaubildes angedeihen ließ. Hätte er das Schaubild gar nicht erst erstellt und den vielen Medien, die auf sein Pferd gesetzt haben, eine Peinlichkeit erspart. Und die Sache mit den schwarzen Füssen stimmt auch nicht.

Auf den Ersteller der Urquelle gehen unsere Kollegen in einem gesonderten Artikel ein.

Quellen:

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