„Die Jugend von heute“ – das Problem mit dem ersten Eindruck

Autor: Rüdiger | ZDDK | MIMIKAMA

In 2014 ging dieses Bild durch das Netz; mit entsprechenden Kommentaren zu dem, was die Betrachter dort im ersten Moment zu erkennen glaubten. Es gibt nur ein Problem…

Es zeigt eine Gruppe von Jugendlichen, die vor dem Bild „Die Nachtwache“ von Rembrandt, welches im Rijksmuseum in Amsterdam hängt, auf einem Besuchersofa sitzen und auf ihre Smartphones starren.

Kinder im Rijksmuseum in Amsterdam
Jugendliche Besucher im Rijksmuseum in Amsterdam

Schaut Euch einmal dieses Bild an und überlegt mal kurz, was Euch dazu durch den Kopf geht. Was für ein Eindruck wird vermittelt, und vor allem: Wenn dies ein Facebook-Post wäre, was würdet ihr dort vermutlich kommentieren?

Wäre es vielleicht etwas in dieser Richtung?

„Smartphones verdummen unsere Kinder!“ – „Da sitzen sie vor einem Meisterwerk des Barock, und was machen sie? Mit dem Handy spielen!“ – „Das ist das, was mit unserer Gesellschaft nicht stimmt!“ – „Einfach traurig, keinen Sinn für Kultur mehr…“ – „Der Tod der Zivilisation!“


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Es ist einfach, sich über etwas aufzuregen. Ehrlich gesagt funktionieren soziale Medien genau auf diese Weise: Emotionen ansprechen. Man sieht ein Bild und reagiert aus dem Bauch heraus. Ein süßes Kätzchen – Like! Ein Meme, das Mißstände aufzeigt und dies mit einem emotionalen Bild unterlegt – Like! Ja, man ist genau dieser Meinung und hinterlässt ein „gefällt mir“. Man kommentiert, stimmt sich in den Kommentaren gegenseitig zu und fühlt sich gut danach. Man wirft seine Meinung mit in den Topf, der einladend im Newsfeed vor einem vorbei scrollt.

Grundsätzlich ist da auch gar nichts verwerflich daran. So funktionieren Facebook & Co nun einmal, und es gibt ehrlich gesagt auch genügend Themen, die es Wert sind, dass man zum Beispiel auf so eine Art und Weise darauf aufmerksam macht.

Aber bleiben wir mal bei diesem Bild

Hier ist noch ein zweites Bild, das die gleiche Gruppe von Kindern ein paar Minuten früher zeigt.

Kurze Zeit vorher...
Kurze Zeit vorher…

Was ist jetzt der erste Eindruck, der vermittelt wird? Was würdet ihr unter diesem Bild kommentieren? Würdet ihr überhaupt etwas kommentieren? Reicht die Aussage des Bildes aus, um Euch genügend zu „motivieren“?

Immerhin ist das doch – wenn man es im Kontrast zu der gefühlten Aussage des ersten Bildes sieht – ein vergleichsweise positives Bild: Es zeigt, dass auch die heutige Jugend Interesse an Kunst, Kultur und Geschichte zeigt. Eine Tatsache, die ihr bei manchen Gelegenheiten all zu schnell abgesprochen wird.

Ist es vielleicht so, dass man eher dazu geneigt ist, etwas Negatives anzuprangern, sich über etwas zu echauffieren oder über etwas zu schimpfen? Sind „schlechte Nachrichten“ die einzig „guten Nachrichten“, weil sonst die Empörungsmaschine nicht anläuft?

Aber was ist nun mit den Smartphones auf dem Bild?

Das Rijksmuseum in Amsterdam bietet als Museumsführer eine Smartphone-App an, wo ergänzend zu den Ausstellungsstücken Hintergrundinformationen, Dokumentationen, interaktive Lernspiele und diverse Quizze zu den jeweiligen Themen angeboten werden. Quasi ein digitaler Katalog, der noch viel mehr vermittelt, als ein Papierbüchlein. Dass sich die Kinder auf dem Bild also mit ihren Smartphones beschäftigen ist absolut gewollt und sogar sehr positiv.

Die Frage ist, ob dieses Bild genau so einen Sturm des Unmuts und der Entrüstung ausgelöst hätte, wenn die Kinder ein Papierprospekt oder eine Broschüre in der Hand gehabt hätten.

Die Assoziation des Smartphones mit Unterhaltung, Spielen, Ablenkung, Abschottung gegenüber der Außenwelt, neudeutsch „Smombies“, ist eben nicht immer korrekt.

Gerade die Generation der „Digital Natives“ ist eigentlich prädestiniert dazu, Technologie auch in dem Kontext des Lernens einzusetzen. Und das ist durchaus begrüßenswert. Leider ist das, wie man sieht, nicht unbedingt so ganz bei den anderen Generationen angekommen.

Traurig ist nur, dass diese Nachricht mit der Richtigstellung nicht annähernd so eine virale Verbreitung finden wird, wie der ursprüngliche Post des kommentarlos ins Netz gesetzten Bildes, der mit so vielen vorurteilsbehafteten Kommentaren bedacht wurde.

So schließt auch José Picardo in seinem Artikel auf medium.com mit der Frage, was nun eher der „Tod der Zivilisation“ ist: Kinder, die Smartphone-Apps nutzen um Dinge über Kunst zu lernen, oder die absichtliche Ignoranz von Erwachsenen, die zu schnell mit voreiligen Schlüssen zur Stelle sind.

Der erste Eindruck ist eben nicht immer der richtige. Ein Grund mehr, nicht sofort alles zu teilen oder zu kommentieren, sondern Dinge zu hinterfragen.

Autor: Rüdiger Reinhardt

Quellen:

http://www.telegraph.co.uk/news/newstopics/howaboutthat/12103150/Rembrandt-The-Night-Watch-The-real-story-behind-the-kids-on-phones-photo.html

https://itunes.apple.com/gb/app/rijksmuseum/id621307961?mt=8

https://medium.com/@josepicardoshs/technology-and-the-death-of-civilisation-5e831b3f8b5#.gi57md5hu

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