Sharepic: „Deutschland ist mehr als klimaneutral“ – Eine krumme Rechnung

Autor: Ralf Nowotny

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Eine Rechnung auf einem Sharepic soll beweisen, dass Deutschland mehr als klimaneutral sei. Doch diese Rechnung vergisst einige Faktoren.

Die Rechnung sieht eigentlich sehr einfach aus: Es wird der Pro-Kopf Ausstoß von CO2 genommen, davon abgezogen, wieviele Bäume es in Deutschland gibt und wieviel CO2 diese rechnerisch binden, schon kommt ein negativer Wert dabei heraus. Augenscheinlich ist also Deutschland mehr als klimaneutral – doch so einfach ist die Rechnung leider nicht.

Um dieses Sharepic handelt es sich:

Die krumme Rechnung über den CO2-Ausstoß
Die krumme Rechnung über den CO2-Ausstoß

Der Text auf dem Sharepic:

„Einwohner Deutschland 83,1 Millionen
CO2 Ausstoß pro Einwohner pro Jahr: 7,9 Tonnen
Damit: rund 660 Mio. Tonnen CO2 kommen von Deutschland.
In Deutschland gibt es rund 90 Milliarden Bäume.
Jeder bindet rund 10 kg CO2 Pro Jahr, also rund 900 Milliarden kg CO2 oder 900 Millionen Tonnen CO2.
Damit binden alleine die deutschen Bäume fast 50% mehr CO2 pro Jahr als wir in Deutschland pro Jahr ausstoßen.
Deutschland ist mehr als klimaneutral.“

Ist die Rechnung korrekt und hat da jemand durch eine einfache Rechnung sämtliche Klimaexperten als Lügner entlarvt? Oder ist die Rechnung doch nicht so einfach, wie da jemand meinte?

Der erste Teil der Rechnung

Werfen wir erst einmal einen Blick auf den ersten Teil der Rechnung, der CO2-Ausstoß pro Einwohner im Jahr. Dieser beträgt laut dem Sharepic 7,9 Tonnen, somit rund 660 Millionen Tonnen im Jahr (83.100.000 * 7,9 = 656.490.000).

Die 7,9 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf im Jahr stammen mutmaßlich aus einer Tabelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (siehe HIER, Excel-Tabelle). Die Zahl findet sich in der Registerkarte 8a.

Der CO2-Ausstoß pro Kopf
Der CO2-Ausstoß pro Kopf, Quelle: bmwi.de

Das Problem allerdings, und das ist auch in der Tabelle ersichtlich: Es handelt sich nur um den energiebedingten CO2-Ausstoß je Einwohner, welcher laut dem Umweltbundesamt nur etwa 85 Prozent der Treibhausgas-Emissionen ausmacht – die eigentliche Zahl wäre also viel höher.

Bei entsprechenden Berechnungen wird auch nicht die Gesamtemission eines Landes einfach auf alle Bürger verteilt und mit jener Zahl weitergerechnet, diese hat einen rein statistischen Wert. Zudem ist die Grundlage für die 7,9 nur die Emissionswerte, die innerhalb von Deutschland entstanden sind, die tatsächlichen Pro Kopf-Werte werden jedoch anders berechnet.

Bei der tatsächlichen Pro-Kopf-Emission (auch C02-Fußabdruck genannt) werden noch andere Werte mit einbezogen, nämlich die oftmals im Ausland liegenden Vorketten (siehe HIER, PDF-Datei), damit sind Waren gemeint, die im Ausland hergestellt werden und dort Emissionen verursacht haben.

Die Pro-Kopf-Emission mit Vorkette betrug in Deutschland im Jahr 2019 nicht etwa 7,9 Tonnen, sondern ganze 11,6 Tonnen. Bei der Berechnung kämen somit nicht rund 660 Millionen Tonnen heraus, sondern rund 965 Millionen Tonnen (83.100.000 * 11,6 = 963.960.000).

Damit liegen wir jetzt bereits über den in der Berechnung angegebenen 900 Millionen Tonnen CO2, welche von Bäumen wieder gebunden werden sollen. Doch wie schon geschrieben, ist die Pro-Kopf-Rechnung ohnehin ein wenig krumm, deshalb nehmen wir doch einfach den Emissionswert für Deutschland, der vom Umweltbundesamt angegeben wird (siehe HIER, Excel-Tabelle-Datei, Register CO2), und dieser beträgt für 2019 711 Millionen Tonnen.

Der zweite Teil der Rechnung

Die letzte Zählung der Bäume Deutschlands fand im Jahr 2012 statt, die aktuelle Zählung läuft noch (siehe HIER), also müssen wir uns mit der alten Zahl begnügen, und diese beläuft sich tatsächlich auf rund 90 Milliarden Bäume in Deutschland.

Rätselhaft wird es aber bei der Behauptung, dass ein Baum 10 Kilogramm CO2 im Jahr speichert, denn diese Zahl scheint völlig aus der Luft gegriffen zu sein. Selbst die „Stiftung Unternehmen Wald“ gibt an, dass man nicht seriös sagen kann, wieviel CO2 ein Baum im Jahr speichert.

So kann man zwar als Faustregel anwenden, dass ein Hektar Wald pro Jahr 10-13 Tonnen CO2 speichert, dies aber über alle Altersklassen hinweg, und jüngere Bäume nur in sehr geringem Maße.

Das klingt nach viel, aber zusätzlich ist auch noch zu bedenken, dass Bäume ja nicht nur die von Menschen verursachten CO2-Emissionen aufnehmen, sondern auch CO2 aus dem Kohlenstoffkreislauf, zu dem unter anderem ausgeatmetes CO2 von allen Lebewesen gehört, aber auch CO2 aus sich zersetzenden Pflanzen und verwitternden Steinen.

Die 1:1-Rechnung, dass Bäume also zu 100 Prozent die menschengemachten CO2-Emissionen aufnehmen können, ist also von Grund auf bereits falsch.

Doch natürlich ist es interessant zu wissen, wieviel CO2 denn die Bäume nun aufnehmen können, und das wurde auch berechnet (siehe HIER, Excel-Tabelle, Register Trend Summary).

Die CO2-Emissionen sind niedriger durch Bäume
Die CO2-Emissionen sind niedriger durch Bäume, Quelle: Umweltbundesamt

Ohne LULUCF (Land Use, Land-Use Change and Forestry) hätte Deutschland demnach CO2-Emissionen von 711 Millionen Tonnen, mit der Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaftjedoch nur rund 692 Millionen Tonnen.

Fazit

Zweifellos dämmen Bäume die CO2-Emissionen ein, doch weitaus weniger, als die Rechnung in dem Sharepic uns weismachen will. Im Jahr 2019 wurden rund 20 Millionen Tonnen CO2 durch die Land- und Forstwirtschaft gespeichert – nur ein Bruchteil der verursachten Emissionen.

Auf Bäume alleine sich zu verlassen, wenn es um Klimaneutralität geht, ist also zu einfach gedacht – dazu braucht es weitaus größere Anstrengungen.


Quelle: dpa
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