Der normale Internetuser

Autor: Jens | ZDDK | MIMIKAMA

Es gibt Artikel bei denen fällt es nicht leicht zumindest ansatzweise neutral zu schreiben. Natürlich sollte man bei einem Artikel, bei einer Recherche versuchen alles neutral zu bewerten, die eigenen Befindlichkeiten hinten an zu stellen. Natürlich spielt bei jedem Artikel die eigene Grundeinstellung eine Rolle, meistens gelingt es recht gut, diese für die Dauer des Schreibens außer Acht zu lassen, aber es gibt eben so Momente da ist es nicht wirklich leicht. So wie bei diesem hier.

Ich sitze jetzt hier schon knapp anderthalb Stunden und weiß nicht wie ich ansetzen soll.

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Dabei wäre es so einfach, es gibt lediglich um die Entscheidung des Landgerichts Hamburg bezüglich der Umgehung der Werbeblockersperre gilt. Die ist schon auch schon von Bild.de. Was mich ein wenig anficht, ist die Definition der Richter für einen durchschnittlichen Nutzer. Ich selber sehe mich da nicht als Internetüberflieger, oder überdurchschnittlich begabten User an und nein Javascript kann ich ad hoc auch nicht, also wäre ich doch eigentlich der durchschnittliche Nutzer – zumindest per Definition des Landgerichtes Hamburg.


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Wie dem auch sei, ich versuch es mal, vielleicht sieht ja das Landgericht Hamburg, die Webfail Lieferanten als die durchschnittlichen User an, wer weiß das schon so genau.

Worum es eigentlich geht ist, wie erwähnt, die Entscheidung bezüglich der Umgehung der Werbeblockersperre von Bild.de, die Anfang Dezember 2015 per einstweiliger Verfügung entschieden wurde. Es wurde verfügt, dass Eyeo keine Anleitung zur Umgehung eben jener Sperre mehr veröffentlichen darf. Jetzt wurde die Urteilsbegründung veröffentlicht.

Das 22 Seiten umfassende Schriftstück, geht vor allem auf die Frage ein, wie die Sperre funktioniert und wie sie zu umgehen wäre, es scheint damit haben sich die Richter intensiv auseinandergesetzt. Zum einen wird geklärt, ob die Seiten von Bild.de komplett heruntergeladen werden müssen, bevor die Sperre greift, andererseits wollte das Gericht geklärt wissen über welche Kenntnisse ein Nutzer verfügen muss, um die Sperre zu umgehen und welchen Aufwand er dafür betreiben müsste.

14.000 Zeilen Code, um den Adblocker zu sperren

Laut Urteilsbegründung gibt Bild.de an, dass das Sperrprogramm bereits eingreife, „wenn der Arbeitsspeicher des Betriebssystems mit dem Ladevorgang beginne“, demnach fände eine „vollständige Vervielfältigung des Seiteninhaltes im Betriebssystem“ nicht statt. Das wäre wichtig, um einzuschätzen, ob überhaupt ein Kopierschutz vorliege, denn das Herunterladen wird schon als Kopiervorgang bewertet.

Es sei aber nur „mit sehr guten Javascript-Kenntnissen möglich“ die Sperre zu umgehen, denn die für die Adblocker – Erkennung verantwortlichen Skripte seien mit 14.000 Zeilen Code obfuskiert worden. Das bezieht sich vermutlich auf die Datei core.js, die mit 329 KByte durchaus recht groß ist. Die Anwälte des Axel – Springer – Verlages sind der Überzeugung, dass bereits ein „durchschnittlicher Nutzer“ nicht in der Lage sei den Code auszulesen, ebenso wenig wie das anschließende Entwickeln von Filterregeln und die Einbindung der Regeln in die Filterlisten des Adblockers.

Umgehungsanleitung überfordert die Nutzer

Das Gericht folgt in seiner Begründung voll dieser Einschätzung. Die Wirksamkeit einer Sperre hänge nicht davon ab, ob sie überhaupt nicht umgangen werden könne. Es sei stattdessen „auf die Situation eines durchschnittlichen Benutzers abzustellen“ und eben nicht „auf den mehr oder weniger versierten ´Hacker´“. Das Gericht hatte sich verschiedene Umgehungsverfahren von einem Sachverständigen erklären lassen. Anschließend kam es zu der Einschätzung: „Dem durchschnittlichen Nutzer ist es – wie die Kammer aus eigener Sachkunde beurteilen kann, da sie selbst zum Kreis der durchschnittlichen Internetnutzer gehört – nicht möglich, die Adblocker – Sperre der Antragstellerin zu umgehen.“

Es mag uns verwundern, aber nach Ansicht des Gerichtes gilt dies nicht nur für den Fall, dass ein Nutzer persönlich durch die Analyse des Javascript Codes die Filterregeln entwickelt, nein die Kammer geht noch einen Schritt weiter und sieht den normalen Nutzer schon damit überfordert, die Filterregeln im Netz zu suchen und in den Adblocker einzubauen. „Die hierfür von dem Sachverständigen vorausgesetzte Internetaffinität übersteigt ersichtlich das durchschnittliche Können eines Internetnutzers.“ Allerdings dürfte das Gericht damit recht haben, dass die notwendigen Grundkenntnisse von Javascript bei einem durchschnittlichen Internetnutzer nicht vorausgesetzt werden können. Für sie sei, so der Sachverständige in seinem Gutachten, die Filteregeln daher nicht „von ihrem Inhalt her trivial und in kurzer Zeit formuliert“.

Adblockersperre längst umgangen

Eigentlich ist die Adblockersperre längst umgangen, denn für das werbefreie Lesen der Inhalte ist es gar nicht notwendig die Filterregeln von Adblock Plus zu verändern. Die Adblockersperre ist beispielsweise nicht wirksam, wenn die Seiten mit einem Webspider runtergeladen werrden, um sie anschließend offline zu lesen. Mit diesen Programmen, die auch der Axel – Springer – Verlag höchstselbst zur Verfügung stellt, lassen sich ganze Seiten, aber auch einzelne Artikel laden. Verzichtet der Nutzer dann noch darauf, externe Inhalte mitzuladen, kann er durchaus davon ausgehen, nur die eigentlichen Texte ganz ohne Werbung lesen zu können. Ohnehin könnte er sie offline mit aktiviertem Adblocker werbefrei lesen. Dies wäre aber Bild.de egal, es geht nur darum, dass die Werbung heruntergeladen wird und gegenüberr den Werbekunden als abgerufen zählen kann (jeder Klick bringt Geld).

Bereits Filterbefehle und Links sind Umgehungshandlungen

Wichtig für die Richter war es aber, dass die Adblockersperre die Darstellung der Seiten auf dem Bildschirm verhindert. „Daneben unterbindet das Sperrprogramm der Antragstellerin die Erstellung einer Bildschirmkopie, die eine weitere Vervielfältigung des Werkes darstellt, da durch sie das Werk erstmals vorübergehend oder dauerhaft sichtbar gemacht wird, während es zuvor auf dem Arbeitsspeicher (noch unsichtbar) festgehalten wurde.“ Auf der anderen Seite sei es nicht so entscheidend, ob schon das Herunterladen verhindert werde, oder lediglich das Erstellen einer Cache – Kopie „die für sich genommen bereits eine Vervielfältigungshandlung darstellt“.

Juristen stellen sich aber generell die Frage, ob man die Technik, die lediglich die Nutzer von Adblockern aussperrt, tatsächlich als technische Maßnahme zum Schutz eines urheberrechtlich geschützten Werkes bewerten kann. Denn die Maßnahme soll schließlich dem Schutz des Werkes dienen.

„Wir haben hier aber die Besonderheit, dass das Werk frei zugänglich ist und von jedem Nutzer, der einen Standardbrowser benutzt, auch aufgerufen werden kann“ so der IT – Fachanwalt Thomas Stadler. Die technische Maßnahme von Bild.de diene also nicht dem Schutz des Werkes, denn das sei schließlich ohne jede Zugangsbeschränkung online. „Die Maßnahme dient vielmehr ausschließlich dem Schutz der Werbung und der Werbeeinnahmen von Bild.de“ sagt Stadler.

Filterbefehle sind nur Anwendungen für Adblocker

Zudem sei es fraglich, ob die bloßen Filterbefehle respektive die Anleitung, wie man eine Adblockersperre umgeht, schon als verbotene Umgehungshandlung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes betrachtet werdne könne.

„Filterbefehle müssten Vorrichtungen, Erzeugnisse, Bestandteile oder Dienstleistungen sein, die entworfen wurden, um wirksame technische Maßnahmen zu umgehen. Wenn also der Adblocker selbst – und das schreibt das Landgericht Hamburg ausdrücklich – noch nicht als Umgehungstool im Sinne von Paragraf 95a Absatz 3 des Urheberrechtsgesetzes zu betrachten ist, stellt sich mir immer die Frage, ob man die bloße Anleitung zur konkreten Anwendung des Tools dann als Umgehungsmaßnahme ansehen kann“ sagte Stadler.

Die Richter gingen aber noch einen Schritt weiter, für sie ist nicht nur der Filterbefehl selbst, sondern sogar der Link auf einen entsprechenden Forenbeitrag als „verbotenen Umgehungshandlung“ zu werten. Sie schrieben „Derartige Links stellen keinen zulässigen redaktionellen Hinweis im Rahmen einer Berichterstattung dar, sondern dienen dem alleinigen Zweck, die Adblockersperre der Antragstellerin zu umgehen“.

Gute Chancen gegen Youtuber

Nach diesem „Erfolg“ mag es nicht weiter verwundern, dass Bild.de nun ansetzt den Youtuber Tobias Richter zu verklagen. Er hatte auf seinem Youtube Kanal eine Anleitung zur Umgehung gepostet, war daraufhin von Bild.de abgemahnt worden und hatte anschließend das Video entfernt, sich jedoch geweigert die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Bild.de will jetzt eine Leistungsklage erheben, nachdem Richter durch eine erfolgreiche Crowdfunding Kampagne eine negative Feststellungsklage eingereicht hatte.

Die Chancen des Axel – Springer – Verlages dürften vor dem Landgericht Hamburg, vor allem nach dieser Entscheidung, nicht schlecht sein, es ist allerdings unklar, ob der Fall vor derselben Kammer verhandelt wird.

Verrichtungsgehilfe Forenmoderator

In noch einem weiteren Punkt stimmten die Richter ebenfalls der Argumentation der Springer Anwälte zu. Dabei musste die Frage entschieden werden, ob der Forenmoderator mapx ein Angestellter von Eyeo sei und dem Unternehmen als Forenbetreiber der entsprechende Forenbeitrag mit den Filterbefehlen zugerechnet werden kann. In diesem Fall würde Eyeo nicht nur als Störer, sondern sogar als Täter haften. Das Gericht räumte zwar ein, dass mapx „anders als noch bei Erlass der einstweiligen Verfügung am 22.10.2015 von der Kammer angenommen – kein Mitarbeiter der Antragsgegnerin ist, sondern lediglich ein besonders engagierter Nutzer des Forums“.

Trotzdem haftet die Eyeo GmbH für dessen Einträge „täterschaftlich unter dem Gesichtspunkt des ´zu eigen machens´“, so das Urteil das Gericht. Hierbei sei entscheidend, dass die Eyeo GmbH den Moderator selbst als Mitglied ihres „Teams“ genannt habe und „dessen Beiträge mit dem Geschäftsmodell der Antragsgegnerin im Einklang stehen“. Ausserdem hafte Eyeo für seine Beitrage, da er als „Verrichtungsgehilfe“ im Sinne des Paragrafen 831 BGB handele.

Eyeo – Chef unglaubwürdig

Entgegen der Behauptung von Eyeo, habe der Moderator „nicht losgelöst von einer Weisungsbefugnis“ gehandelt. Falls er nicht ausreichend überwacht worden sei, so würde dies „einen Mangel in der Organisation“ des Unternehmens begründen. Das Organisationsverschulden „ergibt sich dabei aus der fehlenden Anleitung ihres Forenmoderators zum Umgang mit Nutzerfragen im Zusammenhang mit der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen“ schreibt das Gericht. Eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers von Eyeo, Till Faida, wertete die Kammer als „nicht glaubwürdig“ und die Ausführungen es habe sich um „eine rein private Angelegenheit“ des Moderators als „bloße Schutzbehauptung“.

Noch ist unklar, ob Eyeo gegen diese Entscheidung rechtlich vorgehen wird. Die entsprechende Frist soll Mitte April auslaufen. Zumindest die urheberrechtlichen Fragen dürften allerdings im Verfahren zwischen Tobias Richter und Bild.de noch einmal verhandelt werden.

Ich werde wohl nicht umhin kommen, zu akzeptieren, dass ich doch kein durchschnittlicher Internetnutzer bin.

Quelle: http://www.golem.de/news/adblocker-sperre-landgericht-hamburg-traut-nutzern-wenig-zu-1603-120055.html

Artikel- und Vorschaubild: Martial Red / Shutterstock.com

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