17-Jährige chattete über Abtreibung – Facebook half der Polizei bei der Fahndung

Eine 17-Jährige in den USA chattete über eine Abtreibung, was allerdings erst offenkundig wurde, nachdem Facebook die Chatprotokolle an die Polizei übergeben hatte.

Autor: Ralf Nowotny

Da eine 17-Jährige sich offenbar eine Abtreibungspille besorgte und den toten Fötus begrub, gab Meta die Chatprotokolle aus Facebook an die Polizei weiter – scheinbar zumindest, denn Facebook wusste nach eigenen Angaben nichts von einer Abtreibung.

Der Fallverlauf

Ein Detektiv der Polizei von Norfolk begann Ende April mit seinen Ermittlungen, nachdem er einen Hinweis erhalten hatte, dass eine 17-Jährige eine Fehlgeburt erlitten hatte und dass sie und ihre Mutter den toten Fötus vergraben hatten, wie es in einer Erklärung zum Durchsuchungsbefehl heißt.

Der Detektiv besorgte sich ihre Krankenakte und stellte fest, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als 23 Wochen – oder fast sechs Monaten – schwanger war und am 3. Juli entbinden sollte. Einige Tage später befragte der Detektiv die junge Frau, die erzählte, sie habe ihr totgeborenes Baby unerwartet in den frühen Morgenstunden in der Dusche zur Welt gebracht.

Daraufhin soll die junge Frau ihre Mutter geweckt haben und zusammen mit ihr den Fötus in einen Sack gesteckt und in den Kofferraum eines Vans geladen haben, um ihn einige Kilometer nördlich der Stadt mithilfe eines 22-jährigen Mannes zu vergraben. Am 29. April zeigte die junge Frau dem Polizeidetektiv die Stelle, an der der Fötus vergraben wurde.

Anfang Juni wurden die beiden Frauen wegen Entfernens, Verbergens oder Zurücklassens einer Leiche angeklagt, was ein Kapitalverbrechen darstellt, sowie wegen zweier Vergehen: Verbergen des Todes einer anderen Person und Falschaussagen.
Doch der Fall war damit noch nicht abgeschlossen!

Die Facebook-Chatprotokolle

Der Polizeidetektiv wandte sich auch noch an Meta, um Zugang zu dem Konto der 17-Jährigen zu bekommen. Der Grund: Obwohl die Autopsie zeigte, dass der Fötus nie Luft in den Lungen hatte, also wirklich tot geboren wurde, vermutete er, dass der Fötus möglicherweise erstickt wurde, da er sich in einer Plastiktüte befand.

Deshalb wollte er herausfinden, ob sich in den Chatprotokollen, den Fotos und anderen Daten des Mädchens Hinweise darauf ergeben, ob sie wirklich eine Totgeburt erlitt oder das Neugeborene tötete, was einen zusätzlichen Anklagepunkt darstellen würde.

Aus den Chatprotokollen wurde ersichtlich, dass die Mutter Abtreibungspillen besorgte und ihrer Tochter Anweisungen gab, wie diese einzunehmen sind. Ebenso schrieb die 17-Jährige davon, dass sie es nicht abwarten könne, „das Ding“ aus ihrem Körper zu entfernen und besprach mit ihrer Mutter den Plan, den Fötus hinterher zu verbrennen.

Bei einer Hausdurchsuchung aufgrund der Chatprotokolle beschlagnahmte die Polizei sechs Smartphones und sieben Laptops mit Daten wie Internetverläufen und E-Mails im Umfang von 24 Gigabyte, um weitere Beweise für die Bestellung von Abtreibungspillen zu finden.

Einen Monat später fügte der Staatsanwalt von Madison County, Joseph Smith, der Anklage gegen die Mutter zwei weitere Straftaten hinzu: Durchführung oder Versuch einer Abtreibung bei einer Schwangerschaft von mehr als 20 Wochen und Durchführung einer unlizenzierten Abtreibung.

Ein immenser Aufwand

Wichtig zu betonen: Bevor die Polizei die Chatprotokolle einsehen konnten, gab es keinen wirklichen Beweis für ein Verbrechen, die über die unsachgemäße Entsorgung eines fehlgeborenen Fötus hinausgingen. Die Erstickungstheorie des Polizeidetektivs, welche als Begründung für die Heranziehung der Chatprotokolle von Facebook herangezogen wurde, entbehrte jeglicher Grundlage, da die Autopsie eindeutig aufzeigte, dass der Fötus tot geboren wurde.

Offiziell bezog sich das Auskunftsersuchen an Meta auf „Verbotene Handlungen mit skelettierten Überresten„, doch war dies eher ein Deckmantel für eine Untersuchung, die ein anderes Verbrechen ohne jegliche Beweise voraussetzte, was die Polizei von Norfolk in die Kritik brachte, da die Untersuchungen einen immensen Aufwand aufgrund einer haltlosen Theorie hervorriefen.

In der Kritik stehen auch Meta und Facebook, da deren Position bei solcherlei Anfragen nach Nutzerdaten ist, dass sie diese anfechten oder nur teilweise herausgeben, wenn die Anfrage nicht mit geltendem Recht oder den Richtlinien übereinstimmt oder wenn sie rechtlich fehlerhaft oder zu weit gefasst ist. Doch in diesem Fall gab Facebook freimütig sämtliche Daten aufgrund einer Theorie preis.

Meta gab eine Stellungnahme ab

In einer Erklärung zu dem Fall stellt Meta klar, dass die Anfrage bezüglich des Falls kein Wort über eine Abtreibung erhielt, die Freigabe der Daten also nicht aufgrund einer vermuteten Abtreibung erfolgte:

„In den gültigen Haftbefehlen, die wir Anfang Juni, also vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, von den örtlichen Strafverfolgungsbehörden erhalten haben, wurde die Abtreibung nicht erwähnt. Die Haftbefehle betrafen Anklagen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen, und aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass die Polizei damals den Fall eines totgeborenen Babys untersuchte, das verbrannt und begraben wurde, und nicht die Entscheidung für eine Abtreibung.“

Fazit

Am Anfang stand also „nur“ eine Totgeburt und das heimliche Begraben des Fötus, was eine Strafverfolgung durchaus gerechtfertigt. Jedoch ergab die Autopsie ja bereits eindeutig, dass das Kind wirklich tot geboren wurde, die 17-Jährige oder ihre Mutter es also nicht töteten.

An der Stelle sollte der Fall also eigentlich abgeschlossen sein. Deshalb ist es umso beunruhigender, wenn eine Behörde dann trotzdem, also ohne jegliche Beweise, Daten bei Meta/Facebook anfordern kann und diese dann auch noch freimütig herausgegeben werden.

Die neuen Anklagepunkte „Durchführung oder Versuch einer Abtreibung bei einer Schwangerschaft von mehr als 20 Wochen und Durchführung einer unlizenzierten Abtreibung“ kamen demnach nur zustande, weil eine Behörde aufgrund eines unbegründeten Verdachts (Tod des Fötus durch Ersticken) vollen Zugriff auf die Facebook-Daten der 17-Jährigen bekam.

Man kann nun also zu dem Verhalten der 17-Jährigen und ihrer Mutter stehen, wie man möchte, doch die freimütige Nutzung der „digitalen Fußabdrücke“ durch eine Behörde aufgrund eines wackelnden Verdachtes ist etwas, was das Vertrauen in Facebook nicht unbedingt stärkt.


Artikelbild: Unsplash
Quellen: TechCrunch, Lincoln Journal Star, Vice

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