Behörden lassen C.A.R.E. Diesel nicht zu – ein Faktencheck

Autor: Kathrin Helmreich

C.A.R.E. Diesel - ein Thema aus dem Jahr 2019
C.A.R.E. Diesel - ein Thema aus dem Jahr 2019

Deutsche Behörden lassen recycelten Diesel nicht zu? Das hat es mit dem C.A.R.E Diesel auf sich:

Lange war es ruhig um das Thema des C.A.R.E. Diesels. Nun tauchen immer wieder Sharepics auf, die von einem Öko-Diesel erzählen, der zu 100% synthetisiert wäre und aus Abfällen recycelt würde. Die Behörden würden den Kraftstoff jedoch ablehnen, da bereits Elektrofahrzeuge als Alternative bereitstünden.

Es geht dabei um folgende Bilder:

Der Faktencheck

Das Thema kam das erste Mal im Jahr 2019 auf. (wir berichteten)

Dabei ist dieser Kraftstoff keine Erfindung des Internets, sondern existiert wirklich. Bei dem Begriff C.A.R.E. handelt es sich um ein Akronym, welches aus den Begriffen CO2-Reduction (CO2-Reduzierung), Arctic Grade (Kältebeständigkeit), Renewable (Erneuerbarkeit), Emission Reduction (Emissionsreduzierung) besteht.

Es handelt sich um einen Kraftstoff, der nicht aus Rohöl synthetisiert wird. Stattdessen werden überwiegend unter anderem alte Frittierfette oder ähnliche Fettreststoffe oder Abfälle verwendet. Insofern ist C.A.R.E. zu 100 % regenerativ.

Was hat Bosch damit zu tun?

Auf dem Sharepic wird häufig Firma Bosch angemerkt. Bosch selbst produziert nicht den Kraftstoff (wie häufig irrtümlicherweise angenommen), sondern Bosch, bzw. Bosch-Chef Volkmar Denner ist ein Befürworter des Kraftstoffs.

Bosch hat daher bereits im November 2018 in einer Pressemitteilung verlauten lassen, dass der Kraftstoff in der eigenen Fahrzeugflotte über firmeninterne Tankstellen eingesetzt wird (vergleiche):

In Fahrzeugen der Geschäftsführung nutzt die Robert Bosch GmbH seit Anfang November einen zu 100 Prozent regenerativen Diesel. Bei dem Kraftstoff handelt es sich um den sogenannten C.A.R.E.-Diesel, vertrieben durch das Handelsunternehmens Toolfuel.

Ist C.A.R.E. eine „Deutsche Innovation?

An dieser Stelle erzählt das Sharepic Unsinn. Der Kraftstoff ist keine deutsche Innovation. Bei C.A.R.E. handelt es sich um einen HVO-Kraftstoff gemäß EN 15940 von dem finnischen Unternehmen Neste handelt (siehe hier). HVO bedeutet „Hydrogenated/Hydrotreated Vegetable Oils“, also hydriertes Pflanzenöl.

Vertrieben wird das Produkt von der deutschen Firma Tool-Fuel aus Hamburg. Auf der Webseite von Tuel-Fuel liest man über C.A.R.E.:

Bei dem von der TOOL-FUEL-Unternehmensgruppe vertriebenen C.A.R.E. Diesel® handelt es sich um einen Hochleistungskraftstoff, der überwiegend aus Rest- und Abfallstoffen nach einem speziellen Verfahren hergestellt wird. C.A.R.E. Diesel® zählt zu den paraffinischen Kraftstoffen nach EN 15940 und verfügt im Wesentlichen über dem fossilen Diesel ähnliche stoffliche Struktur. Weil schädliche Bestandteile vollends fehlen, übertrifft es jedoch die Spezifikationen von allen bisher an Tankstellen erhältlichen Dieselkraftstoffen mehr als deutlich.

Die Grundsubstanz von C.A.R.E. Diesel®, HVO wird von führenden Mineralölproduzenten in Mengen von bis zu 20 % ihrem Premiumdiesel beigemischt. TOOL-FUEL Services GmbH vertreibt das bisher nur zur Veredelung genutzte Produkt zu 100 % in Reinform.

Hat die Bundesregierung C.A.R.E. abgelehnt?

Tatsächlich gab es verschiedene Testphasen für den Kraftstoff. So nutzte unter anderem die Stadt Öhringen C.A.R.E. und betankte ab 2016 die Feuerwehrfahrzeuge damit (siehe hier).

Am 7. November 2019 veröffentliche der Focus einen entsprechenden Artikel dazu und beruft sich dabei auf die Stuttgarter Zeitung. Darin heißt es, dass in Deutschland die Zulassung des Biokraftstoffs verweigert wird (hier).

Hierzu finden sich verschiedene Gründe, die angeführt werden. Der Focus führt als Fazit an, dass die Elektromobilität alternativlos bleiben soll. An dieser Stelle setzt eine Anfrage an das Umweltbundesamt an, die von den Betreibern der Webseite „Fragdenstaat.de“ initiiert wurde. Die Anfrage, warum der Kraftstoff in Deutschland keine Zulassung bekommt, wurde ebenso im November 2019 versendet. Fragdenstaat.de zitiert hier das Umweltbundesministerium mit einem Grund für die Nicht-Zulassung:

XTL als reiner, genormter Kraftstoff in der 10. BImSchV würde PtL, BtL, GtL, etc. und auch HVO aus Palmöl einschließen, eine Differenzierung ist technisch nicht vorgesehen und von der Anwenderseite auch nicht notwendig. Derzeit ist am Markt lediglich paraffinischer Kraftstoff aus GtL und HVO verfügbar. Eine Zulassung von XTL könnte zu einem höheren Anteil palmölbasierter Biokraftstoffe in Deutschland führen und insgesamt negative Effekte auf die Umwelt haben.

Deutschlands Sonderweg führt über die EN 15940, das stellt ebenfalls ein Problem für die Zulassung dar. C.A.R.E. darf durchaus in Form von Biokraftstoff 6 – 10% dem normalen Diesel beigemischt werden. Doch der Bundesrat lehnte am 29. November 2019 ab, dass die DIN EN 15940 als Dieselkraftstoff in die 10. Bundes-Imissionsschutzverordnung (BImSchV) aufgenommen wird, und war eben auch das Aus für C.A.R.E. als reinen Kraftstoff.

Deutschland fährt somit hier einen Sonderweg, denn Länder wie unter anderen Österreich, Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, die Niederlande oder Spanien haben Alternativkraftstoffe gemäß EN 15940 zugelassen. Es geht also grundsätzlich bei diesem Thema nicht allein um C.A.R.E., sondern generell um alle sogenannten E-Fuels, die der EN 15940 unterliegen. Diese dürfen nicht in Reinform, sondern nur als Beigemisch angeboten werden.

Probleme des Kraftstoffs

Bereits aus dieser Anfrage, aber auch aus dem Artikel „Fragen und Antworten zum Biodiesel-Kraftstoff Care“ der Webseite Springerprofessional.de zeigen sich Probleme, die C.A.R.E. mit sich bringt.

Eines dieser Probleme ist das oben bereits angeführte Palmöl, welches bei dem alternativen Kraftstoff anfangs beigemischt wurde. Palmöl ist in den vergangenen Jahren heftigst in die Kritik geraten. Dem NExBTL der finnischen Firma Neste wurden nach eigener Aussage 2018 noch bis zu 20% Palmöl zugefügt (vergleiche). Tool-Fuel veröffentlichte jedoch in einer Pressemitteilung vom Oktober 2019, dass der C.A.R.E. Diesel seit 1. Januar 2019 frei von Palmöl sei (siehe hier).

Grundsätzlich haben alternative Kraftstoffe durchaus auch einen höheren Preis. Die Frage stellt sich, ob dann am Ende freiwillig zu dem teureren Kraftstoff gegriffen wird.

Daneben steht die Herstellergarantie/gewährleistung im Raum: Fahrzeuge, die E-Fuels gemäß EN 15940 tanken, benötigen die Freigabe des Herstellers dazu. Die bereits als Quelle angeführte Webseite Springerprofessional.de schreibt hier, dass der „paraffinische Kraftstoff Care im Vergleich zu herkömmlichem Dieselkraftstoff eine etwas niedrigere Dichte und höhere Zündwilligkeit“ aufweist und entsprechend vom Fahrzeughersteller für das Fahrzeug freigegeben werden muss.

Das ganze Spiel dürfte bekannt sein und war bereits vor nicht ganz 10 Jahren schon ein Thema, als in Deutschland das E10 eingeführt wurde. Seinerzeit gab es ebenso entsprechende Freigaben der Hersteller, die beachtet werden sollten (vergleiche).

Abschließend

In dem Faktencheck sind die wesentlichen Aspekte zum Thema C.A.R.E. und die verweigerte Zulassung für Deutschland vorhanden. Die politische Lage jedoch wesentlich komplizierter als die einfach Darstellung des Bildes es erlaubt.

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V. hat uns zudem noch eine tiefergehende Einordnung gesendet, die wir gerne HIER veröffentlichen.

Ob Deutschland am Ende mit dieser Entscheidung durchkommt, steht in Teilen auch zur Frage. Deutschland setzt sich hier über die EU Richtlinie 2014/94/EU hinweg, in der es um den über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe  geht (siehe hier). So hat der Tagesspiegel zu diesem Thema ebenfalls Alexander Stöhr, den Geschäftsführer von Tool-Fuel (Vertrieb C.A.R.E.) zu Wort kommen lassen. Dieser warnt vor einem Vertragsverletzungsverfahren, sollte paraffinischer Diesel nicht mit in die BImSch-Verordnung aufgenommen werden.

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