Die Behauptung

Angeblich patrouillieren ab dem 1. Oktober Bundeswehr-Soldaten die Straßen, um Unruhen entgegenzuwirken und die Maskenpflicht durchzusetzen.

Unser Fazit

Aus einem fragenden Artikel der russischen Seite RT über Einsätze der Bundeswehr wurde im „Stille Post“-Prinzip die Behauptung, dass ab 1. Oktober Soldaten die Straßen patrouillieren würden, an der Behauptung ist jedoch nichts dran und wäre auch ohne Gesetzesänderung gar nicht möglich.

Im Oktober ist es also wieder einmal soweit: Die Diktatur in Deutschland beginnt, Soldaten werden die Straßen patrouillieren, angeblich sogar eine Maskenpflicht (nur für Ungeimpfte!) kontrollieren. Zumindest glauben das einige einschlägige Seiten, die als Grund dafür eine Umstrukturierung der Bundeswehr nennen. Die eigentliche Quelle der Behauptung, dass in Deutschland Unruhen drohen und deshalb die Bundeswehr eingesetzt werde, verwundert nicht sonderlich: Russia Today.

Die Chronik einer Behauptung

Am 28. Juli stellte RT (vormals Russia Today) in einem Artikel die Frage, ob die Regierungen in Deutschland und Österreich Angst vor Aufständen hätten, da es diverse Manöver gab – die es eigentlich immer wieder mal gibt, aber zum „Fragen stellen“ eignet sich so etwas immer gut. Angeblich seien die Manöver Vorbereitungen für Militäreinsätze im Innern.

Ebenfalls am 28. Juli wurde der Text des Artikels auf telegra.ph gepostet, einer Seite, auf der jeder seine eigenen Artikel posten kann – wahrscheinlich, da RT ohne VPN nicht mehr hierzulande gelesen werden kann. Gepostet wurde der Text von einem russischen Telegram-Bot namens „Article reader|Статей читалка“.

Und weiter geht es, immer noch am 28. Juli: Eine einschlägige deutschsprachige Seite namens „W.I.M“. postet eine stark verkürzte Version des RT-Artikels, verweist auf den oben genannten Artikel auf telegra.ph und ergänzt den Text mit neuen Behauptungen: „Die Polizei wird ab 1. Oktober 2022 durch die Bundeswehr unterstützt. Dies kann nicht anders aus der Beschreibung herausgelesen werden, die die Bundeswehr veröffentlicht“.
Wir kommen gleich noch dazu, was es mit dem „Territorialen Führungskommando der Bundeswehr“ auf sich hat.

Am 29. Juli kopierte eine reichsbürgernahe Seite den Text des obigen Artikels und leitete ihn noch zusätzlich mit der „Richtigstellung“ ein, dass Deutschland gar keine Bundesrepublik sei und die Bürger nur „unter Kriegsrecht stehende, rechtlose Bewohner“ seien. Der Artikel wurde mittlerweile wieder von der Seite gelöscht.

Am 4. August wanderte die Behauptung in die Niederlande: Ein niederländischer Account schrieb auf Twitter: „Ab dem 1. Oktober wird die deutsche Polizei durch Armeeeinheiten verstärkt. Einfach gesagt, das Militär wird auf die Straße gehen. Die deutsche Armee hat 100 Milliarden Euro erhalten, es scheint, dass die Bevölkerung der Feind ist. Sind die Zeiten von Adolf zurück?
Dazu postete er einen Screenshot von dem Artikel der Seite „W.I.M.“.

MIMIKAMA
Tweet eines niederländischen Accounts

Am 15. August erschien ein Artikel auf der Seite „Vision Times“ (kein Impressum, veröffentlicht nach eigenen Angaben Informationen für Chinesen im Ausland). Der niederländische Autor hat den obigen Tweet in seinen Artikel eingebunden und spinnt die Behauptungen noch weiter:
Die deutsche Armee wird ab dem 1. Oktober die Strafverfolgungsbehörden unterstützen, was dazu führen könnte, dass Züge auf den Straßen patrouillieren und die Maskenpflicht wieder eingeführt wird – nur für Ungeimpfte.

Am 17. August wurde der Text der „Vision Times“ gekürzt und nun wieder auf Deutsch auf einem niederländischen Blog gepostet. Der einleitende Satz macht auf einem niederländischen Blog Sinn, wird uns aber gleich noch einmal eher unpassend wieder begegnen:
In den niederländischen Medien war die Nachricht nicht zu lesen, aber es ist eine Tatsache: Die Bundeswehr wird ab dem 1. Oktober 2022 auf den Straßen patrouillieren.

Am 19. August kopierte die pro-russische reichsbürgernahe Seite „Pravda-TV“ (benannt nach dem Chefredakteur) den Text der „Vision Times“ einfach, aber hätte wenigstens den ersten Satz ändern können, denn „In den niederländischen Medien war die Nachricht nicht zu lesen“ macht dort nicht allzuviel Sinn.

Die Chronik hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn die Behauptung wurde noch durch viel mehr Seiten und Foren getragen, die aus Platzgründen hier nicht alle aufgeführt werden können und/oder keine zusätzlichen Informationen bargen.

Was hat es denn nun eigentlich mit der Umstrukturierung der Bundeswehr auf sich?

Bereits am 28. Juli, als die Behauptung erstmals kursierte, wurde diese Umstrukturierung der Bundeswehr benannt und frei interpretiert. Es handelt sich dabei um das „Territoriale Führungskommando der Bundeswehr“ (TerrFüKdoBw), welches ab dem 1. Oktober aufgestellt wird (siehe HIER).

Aus dem Namen ist bereits ersichtlich, dass es um etwas Territoriales handelt, also um etwas, was ein Gebiet betrifft, und exakt darum geht es auch: Bisher war die operative Führung der Kräfte für diverse Aufgaben (Heimatschutz, Amts- und Katastrophenhilfe, Zivil-Militärische Zusammenarbeit) an unterschiedlichen Standorten verteilt, was auch bisher kein Problem war.

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Durch die Corona-Pandemie aber beispielsweise, bei der die Bundeswehr in den Impf-Zentren Hilfe leistete (jeder, der eine Impfung bekam, wird sicherlich auch mal im Impfzentrum einem Soldaten begegnet sein, der Amtshilfe leistete)stellte sich heraus, dass eine zentrale Steuerung der Einsatzkräfte effektiver ist, weswegen dies ab dem 1. Oktober in Berlin bündeln will, ab März 2023 soll dieses dann einsatzbereit sein.

Ihr merkt vielleicht schon, dass alleine deswegen es Unsinn ist, dass ab dem 1. Oktober Soldaten die Straßen patrouillieren sollen: Ab dem Datum fängt die zentrale Bündelung in Berlin erst an, ist aber voraussichtlich erst im März 2023 abgeschlossen.

Und könnten dann Soldaten die Straßen patrouillieren und alle kontrollieren?

Nein, denn das zählt gar nicht zu den Aufgaben der Bundeswehr und würde eine Änderung des Grundgesetzes benötigen.

Gegenüber der dpa erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass durch die Neuaufstellung des Kommandos kein vermehrter Einsatz der Bundeswehr im Bevölkerungsschutz beabsichtigt ist. Auch ändern sich dadurch nicht die gesetzlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Zudem betonte er, „dass der bewaffnete Einsatz im Innern außerhalb der eigentlichen Grundfunktion der Streitkräfte in einem demokratischen Rechtsstaat immer nur das äußerste Mittel sein darf, da die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in erster Linie Aufgabe der Polizei ist“.

Und diese Hürden zum Einsatz im Innern sind sehr hoch: Es müsse eine konkrete drohende Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung geben, eine „einfache“ Lage des inneren Notstands reiche dafür nicht aus. Zudem steht bei der Gefahrenabwehr die polizeilichen Mittel immer vor den militärischen Mitteln.

Also erst, wenn Polizei und der Bundesgrenzschutz (seit 2005: Bundespolizei) nicht ausreichen würden, um eine drohende Gefahr im Inneren abzuwenden, würde erwägt werden, die Bundeswehr einzusetzen. Dies ist allerdings keine neue Regelung, und diese Situation traf bisher auch noch nie ein!

Fassen wir zusammen

Aus einem fragenden Artikel der russischen Seite RT über Einsätze der Bundeswehr wurde im „Stille Post“-Prinzip die Behauptung, dass ab 1. Oktober Soldaten die Straßen patrouillieren würden – auffallend häufig von pro-russischen Accounts und Seiten geteilt, um Verunsicherung auszulösen.

Im Endeffekt handelte es sich aber nur um übliche Manöver, einer Übung in Donaueschingen für den Auslandseinsatz in Mali (ein Foto davon wird gerne auf den pro-russischen Seiten verwendet) und einer Umstrukturierung der Bundeswehr, die keinen Einfluss auf die Gesetzgebung hat.

Die Behauptung, dass ab 1. Oktober die Bundeswehr die Straßen patrouillieren würden, ist somit Unsinn.

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