Ist dies tatsächlich der Brief Albert Einsteins an seine Tochter “Lieserl”?

Autor: Kathrin Helmreich

Im Internet kursiert ein Text, von dem man annimmt, Albert Einstein habe ihn für seine Tochter “Lieserl” geschrieben. Es ist jedoch nicht klar, ob er diesen wirklich selbst verfasst hat.

Obgleich die Botschaft in diesem Brief eine wirklich schöne ist, deutet Vieles darauf hin, dass Albert Einstein diesen Brief nicht selbst verfasst hat.

Es ist ein Brief über die Liebe, an seine Tochter “Lieserl”:

Nachdem ich die Relativitätstheorie veröffentlicht hatte, wollte mich fast niemand verstehen. Was ich nun der Menschheit offenbare, trifft wieder auf eine Welt voller Unverständnis und Vorurteilen. Bitte halte deshalb diesen Brief zurück, bis die Menschen sich soweit entwickelt hat, dass alle verstehen, wovon ich rede.

Es gibt viele Kräfte, die auf irgendetwas wirken aber es gibt auch eine unglaublich starke Kraft, für die Wissenschaft bisher noch keine Erklärung gefunden hat. Diese Kraft beeinflusst alles andere, sie steht über allen Phänomenen des Universums und doch haben wir sie noch nicht verstanden.

Diese Kraft ist die Liebe.

Wissenschaftler haben diese stärkste, unsichtbare Kraft vergessen. Liebe ist das Licht, das die erhellt, die sie geben und erhalten.

Liebe ist fast wie die Schwerkraft, denn sie bringt die Menschen dazu, sich voneinander angezogen zu fühlen, wie zwei Magnete.

Liebe ist die stärkste Kraft von allen, denn sie ist es, die verhindert, dass die Menschheit in ihrer blinden Selbstsucht zugrunde geht.

Für die Liebe leben und sterben wir.

Liebe ist unser Gott und Gott ist unsere Liebe.

Diese Kraft erklärt alles und gibt unserem Leben einen Sinn. Es ist eine unscheinbare Kraft, die wir viel zu lange ignoriert haben. Vielleicht, weil wir Angst vor ihr haben, da sie die einzige Kraft im Universum ist, die sich nicht wissenschaftlich steuern lässt.

Die Menschheit wird immer wieder versagen, wenn es darum geht, die Kräfte des Universums zu erforschen, zu nutzen und zu kontrollieren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit einer anderen Energie nähren und neben der Wissenschaft die Liebe nicht vergessen!

Wenn wir wollen, dass die Menschheit weiter überlebt, wenn wir einen Sinn im Leben finden wollen, wenn wir die Welt und alles, was in ihr lebt retten wollen, dann ist Liebe die einzige richtige Antwort!

Vielleicht sind wir auch nach dieser Veröffentlichung noch nicht stark genug, um all den Hass, den Egoismus und die Gier zu zerstören, die unseren Planeten Stück für Stück vergiften.

Wenn wir lernen, diese universelle Energie, in Form der Liebe, zu geben und auch anzunehmen, meine liebe Lieserl, werden wir feststellen, dass die Liebe alles überwinden kann, denn die Liebe ist die wahre Essenz des Lebens .

Bitte entschuldige, dass ich nie in der Lage war, meine Liebe direkt zu zeigen. Vielleicht ist es zu spät für eine Entschuldigung, aber da die Zeit relativ ist, kann ich dir auch jetzt noch sagen, dass ich dich liebe. Dank dir habe ich die letzte Antwort gefunden, die Antwort des Lebens!

In Liebe, dein Vater Albert Einstein.

Wahr ist, dass erst 1986 54 Liebesbriefe auftauchten, die von Albert Einstein stammten und zwar an seine erste Frau Mileva Marić. Diese wurden 1992 in dem Buch „The Love Letters“ publiziert. Milevas Enkelin Evelyn fand Fotokopien davon. Ihre Stiefmutter übergab sie 1986 dem Einstein-Archiv der hebräischen Universität in Jerusalem.

So wurde auch offenbart, dass Albert Einstein sehr früh eine Tochter namens “Lieserl” hatte. Sie wurde 1902 nahe Belgrad geboren. Seitdem versuchen Forscher vergeblich den Verbleib des Kindes zu enträtseln. Es ist jedoch nicht bekannt, was aus dem Mädchen geworden war.

Michele Zackheim war so gefesselt von diesem Mysterium, dass sie ein Buch mit dem Titel “Einsteins Tochter”darüber verfasste. Die amerikanische Publizistin begab sich dafür auf die Suche nach “Lieserl”. Albert und Mileva hatten die Existenz des Kindes geheim gehalten. Möglicherweise starb “Lieserl” 1903 an Scharlach oder wurde zur Adoption frei gegeben.

Nachdem „Lieserl“ 1903 gestorben war bzw. nicht sicher ist, ob sie ihre Kindheit überlebt hat und ihr Verbleib ungeklärt ist, kann die Aussage aus dem oben angeführten Artikel nicht stimmen:

Einstein hatte eine Tochter, welche er liebevoll Lieserl nannte und er schrieb ihr sein Leben lang liebevolle Briefe.
In den späten 1980er Jahren gab Lieserl der Hebrew University alle Briefe ihres Vaters mit der Bedingung, diese erst 20 Jahre später zu veröffentlichen.

Es bleibt weiterhin umstritten, ob sich dieser Brief an “Lieserl” tatsächlich in diesen Memoiren befunden hatte. Er taucht nirgends zur Gänze auf und wurde nirgends offiziell medial belegt. Abgesehen davon, dass nach 1903 kein Wort mehr über „Lieserl“ verloren wurde.

Unsere Kollegen von Snopes gehen ebenfalls davon aus, dass dieser Text nicht von Einstein selbst verfasst wurde und nennen drei Hinweise darauf:

 

This letter is very much unlike, in tone and content, any other extant correspondence or writing of the famed scientist, particularly in the latter part of his life. (The reference to Einstein’s famous mass/energy equivalence E = mc2 would date this letter to no earlier than 1946, as that was the first time Einstein expressed the equivalence in that form.)

Even allowing for the vagaries of translation (in letters that may have been written in German rather than English), searches on resources such as the Einstein Archives Online and the Collected Papers of Albert Einstein fail to turn up any matches on any of several distinctive phrases from the letter.

We found no reproduction of, or reference to, this alleged letter in print or online prior to its seemingly sudden appearance on the Internet in April 2015.

  • Dieser Brief unterscheidet sich sehr in Ton und Inhalt von anderen noch existierendem Schriftverkehr bzw. Schriften des berühmten Wissenschaftlers, vor allem vom späteren Teil seines Lebens. (Der Verweis zu Einsteins berühmtem Masse/Energie-Äquivalenz e=mc² würde diesen Brief auf nicht früher als 1946 datieren, denn zu dieser Zeit drückte er zum ersten Mal diese Äquivalenz in dieser Form aus.)
  • Selbst unter Berücksichtigung der Unwägbarkeiten der Übersetzung (in Briefen, die auf Deutsch und nicht auf Englisch verfasst wurden), konnten bei der Suche nach Originalquellen im Einstein-Archiv Online und den gesammelten Papieren von Albert Einstein keine Treffer zu einem von mehreren markanten Sätzen aus dem Brief gefunden werden.
  • Wir fanden keine Kopie oder eine Referenz zu dem angeblichen Brief in Print- oder Onlineform vor dem plötzlichen Erscheinen im Internet im April 2015.
    *Übersetzung der Redaktion

Aber selbst wenn dieser Brief nicht aus der Feder des Genies stammte, die Botschaft des Textes ist durchwegs positiv und schön.

Ergebnis:

Es existieren „lediglich“ Liebesbriefe von Albert Einstein an seine erste Frau Mileva Marić, es gibt keine Beweise, dass Einstein ebenfalls Briefe direkt an seine, bis dato geheim gehaltene, erste uneheliche Tochter geschrieben hätte. Jedoch wird „Lieserl“ in diesen Briefen bis 1903 erwähnt.

Die Aussage, dass die Briefe in den 1980er Jahren von Lieserl höchstpersönlich an die Hebrew University übergeben wurde ist falsch, da nie abschließend geklärt werden konnte, was nach 1903 mit „Lieserl“ passiert war.

Quellen:

Galerie Einstein
Hamburger Abendblatt
Snopes

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