Sharepic vergleicht Breitscheidplatz mit Hanau (Faktencheck)

Autor: Andre Wolf

Sharepic Breitscheidplatz Hanau
Sharepic Breitscheidplatz Hanau

Reagiert die Bundesregierung anders, wenn die Opfer eines Anschlags keine deutschen Staatsbürger sind? Werden ausländische Staatsbürger „besser“ behandelt? Ein Sharepic vergleicht die Anschläge von Breitscheidplatz und Hanau.

Die Zusammenfassung zum Faktencheck über den Vergleich zwischen Breitscheidplatz und Hanau:

Auf einem Sharepic werden verschiedene Aspekte zwischen den Anschlägen am Breitscheidplatz und in Hanau verglichen. Das Sharepic stellt bewusst Behauptungen in den Raum, in denen Kanzlerin Merkel, sowie die Bundesregierung in ein schlechtes Licht gerückt werden.

Es ist ein Aufwiegen von Opfern und zwei Anschlägen, sowie die Unterstellung, dass deutsche Staatsbürger der Bundesregierung weniger wichtig sind: Ein Sharepic stellt je drei Behauptungen zu den Anschlägen vom Breitscheidplatz in Berlin (Dezember 2016) und dem Anschlag in Hanau auf.

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Wie auf Sharepics üblich, finden sich leider keine Quellenangaben, aus denen die Behauptungen entstanden sind. Das ist in zweierlei Hinsicht ärgerlich, denn einerseits muss man nun nachvollziehen, was gemeint ist, und andererseits wollen sich die Behauptungen legitimieren, ohne einen Beweis zu liefern. Im Zuge eines Faktenchecks werfen wir daher einen Blick auf die aufgestellten Thesen.

Zunächst aber das Sharepic im Ganzen. Es handelt sich um das folgende Bild:

Sharepic Breitscheidplatz Hanau
Sharepic Breitscheidplatz Hanau

Die Einzelnen Behauptungen

In unserem Faktencheck schauen wir auf alle der je 3 Thesen.

Unterstützung

Behauptung Breitscheidplatz: In einem behördlichen Schreiben wird den Angehörigen mitgeteilt, dass die Fahrtkosten zur Gedenkfeier nur teilweise erstattet werden.

Diese Behauptung ist nur zum Teil korrekt. Es ging dabei um die Art der Beförderung. Erster Klasse Tickets und/oder Taxifahrten wurden nicht erstattet. Ferner ging es  um die Gedenkfeier ein Jahr NACH dem Anschlag (vergleiche hier). Dennoch wurde kritisiert, was durchaus legitim ist, dass die Angehörigen günstig abgespeist wurden. Mehr dazu in diesem Faktencheck beim Thema „offener Brief“.

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Behauptung Hanau: Der Opferbeauftragte der Bundesregierung spricht allen Angehörigen eine Soforthilfe von 30.000€ zu.

Ja, das ist korrekt. Angehörige ersten Grades sollen unkompliziert und unbürokratisch eine Soforthilfe aus dem Fond für Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten bekommen. Allerdings haben auch die Angehörigen der Opfer vom Breitscheidplatz eine Leistung erhalten, es könnte allerdings sein, dass die zu dem Zeitpunkt noch niedriger ausgefallen ist. In der Berichterstattung von NTV heißt es:

„Opfer des Terroranschlags haben nach Angaben der Bundesregierung bisher gut 1,6 Millionen Euro als Unterstützung erhalten. Ursprünglich seien in den Fonds 700.000 Euro eingestellt worden, der Topf sei mittlerweile auf bis zu 3,1 Millionen Euro aufgestockt.“

Für Ehepartner, Kinder und Eltern von Getöteten sind 30.000 Euro vorgesehen, für Geschwister 15.000 Euro (siehe ZEIT.de). Weitere Informationen liefert das Bundesamt für Justiz.

Merkel

Behauptung Breitscheidplatz: In einem offenen Brief kritisieren die Hinterbliebenen, dass die Bundeskanzlerin auch ein Jahr nach dem Attentat ihnen weder persönlich, noch schriftlich kondoliert habe.

Diesen offenen Brief gibt es. Man kann ihn beispielsweise auf der Webseite Tagesspiegel.de lesen. Darin wird generell beklagt, dass die Gedenkfeier ein Jahr später in den Augen der Angehörigen unangemessen ausgefallen ist.

 „Sie wollten nur Geld sparen, alles war sehr kalt. Sie haben nicht versucht, uns zuzuhören oder unsere Bedürfnisse zu verstehen. Die Behörden haben mit ihrem Verhalten noch zu unserem Schmerz beigetragen.“

Jedoch darf man jedoch das Verhalten von Angela Merkel nicht als teilnahmslos darstellen, so wie es das Sharepic anmuten lässt. Generell muss man auch sehen dass Merkel am Tag nach dem Anschlag in Berlin am Tatort war, Blumen niedergelegt hat und ebenso eine Rede gehalten hat (vergleiche).

„Ich denke in diesen Stunden zuallererst an diese Menschen: An die Toten und die Verletzten, und an ihre Familien, Angehörigen und Freunde. Ich möchte, dass sie wissen: Wir alle, ein ganzes Land, ist mit Ihnen in tiefer Trauer vereint.“

Behauptung Hanau: 14 Stunden nach der Tat spricht die Bundeskanzlerin den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Um sich ein besseres Bild zu machen, sagte sie außerdem alle Termine für den Tag ab.

Auch hier vergleicht das Sharepic wieder die Trauerfeier ein Jahr später mit der aktuellen Situation direkt nach den Morden in Hanau. Grundsätzlich stimmt es jedoch, dass Merkel schnell und auch persönlicher reagiert hat. Das dürfte die Folge aus einem Lernprozess gewesen sein, denn aus einem Artikel der ZEIT vom Dezember 2017 zu eben dieser Gedenkfeier erfährt man:

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Versäumnisse in Zusammenhang mit dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz eingeräumt. „Heute ist ein Tag der Trauer, aber auch ein Tag des Willens, das, was nicht gut gelaufen ist, besser zu machen“, sagte Merkel nach der Gedenkveranstaltung zum ersten Jahrestag des Attentats.

Sehr ähnlich stellt es auch ein Artikel von NTV dar, der davon spricht, dass sich Merkel den Breitscheidplatz-Opfern stellt. Dies kann und darf als Reaktion auf den offenen Brief der Angehörigen gesehen werden und auch als Eingeständnis, dass es zu wenige Reaktionen seitens der Kanzlerin gab.

Insofern ist die schnelle Reaktion zu den aktuellen Geschehnissen sehr begrüßenwert.

Erste Reaktionen

Behauptung Breitscheidplatz: Viele Politiker warnen davor, „voreilige Schlüsse zu ziehen“. Außerdem sei jetzt „nicht die Stunde, um Schuldzuweisungen zu machen“.

Grundsätzlich ist diese Reaktion immer die richtige Reaktion. Auch wenn auf Social Media neuerdings Herkunft eines Opfers und Motiv durch Nutzer wie eine hungrige Meute erwartet wird, so sollten man immer besonnen handelt.

Diese Aussagen haben Politiker speziell aufgrund von Äußerungen getroffen, die aus dem rechtspopulistischen Lager stammten. Sowohl die WELT, als auch die FAZ haben die provokativen Äußerungen thematisiert.

[…] postete am Dienstagmorgen auf Facebook ein Bild von Merkels „Raute“-Händen, auf die Blutspritzer montiert waren. „Frau Merkel, es klebt Blut an Ihren Händen“, steht auf dem Bild. „Treten Sie zurück!“ (aus: WELT, Die Ekel-Provokationen der AfD folgen einem Drehbuch)

Behauptung Hanau:  Politiker aller Parteien geben innerhalb von 24 Stunden der AfD eine Mitschuld. Die AfD biete „die Grundlage für solche Täter“ und die Tat sei der „Beweis, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben dürfe“.

Abgesehen davon, dass diese Behauptung entlarvend für das gesamte Sharepic steht, gibt es eine Reihe von Reaktionen verschiedener Politiker, die in ihren ersten Reaktionen (jene Reaktionen, in denen jeweils das erste Mal der Hashtag „#Hanau“ benutzt wurde und am 20 oder 21. veröffentlicht wurden) keine Schuldzuweisungen von sich gaben.

Grundsätzlich spricht sich ein Großteil der Politiker auf Social Media explizit gegen Faschismus und Terror aus, dabei werden Fotos von Menschenketten gezeigt, mitfühlende Worte und der Solidarität getwittert.

Mithilfe von Falschmeldungen und Verschwörungsmythen haben noch am selben Tag des Anschlags andere auf Social Media ausgeteilt. Hinweis: Der Vater des Täters ist kein Politiker der Grünen (siehe hier).

Fazit

Das Sharepic trifft in einigen Aussagen zu, ist jedoch tendenziös und lässt bewusst Informationen aus, um eine einseitige Faktenlage zu schaffen. In einigen Teilen wirkt das Sharepic wie eine AfD-Apologie.

Ferner spielt das Sharepic zwei Opfergruppen gegeneinander aus und spaltet somit bewusst. Gerade diese Instrumentalisierung erzeugt einen eher zweifelhaften Charakter, welcher bereits an der Suggestion, dass ausländische Staatsbürger wichtiger als deutsche Staatsbürger sind, erkennbar ist und ein typisches Narrativ fördert.

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