Satiriker Jan Böhmermann hat in seiner jüngsten TV-Sendung („ZDF Magazin Royal“) eine potenziell gravierende Schwachstelle in der deutschen Cybersicherheit aufgezeigt. Er widmete sich dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit dem Vorwurf, dass es Verbindungen zu russischen Geheimdiensten pflege. Auch wenn die Faktenlage schon vor einigen Jahren aufgedeckt wurde und die Vorwürfe damit nicht neu sind, handelte Innenministerin Nancy Faeser schnell: Der Chef, Arne Schönbohm, wurde von seinem Posten beim BSI entlassen.

Bericht ernst genommen – Sofortmaßnahme Suspendierung

Wie Stern berichtet, wurde Schönbohm kürzlich durch das Innenministerium abberufen. Vermutlich als Reaktion auf einen Bericht des ZDF Magazins Royale, muss Deutschlands oberster Chef für IT-Sicherheit den Platz räumen, so erfuhr es die AFP aus Regierungskreisen. Viele Medien informierten bereits im Verlauf des Wochenendes über die aufgeheizte Stimmung im Innenministerium. Die Regierung nahm den Bericht sehr ernst und wollte alle Optionen prüfen, wie man Schönbohm aus dem Amt entfernen könnte, so war es im „Handelsblatt“ zu lesen. Diese Entscheidung wurde nun rasch in die Tat umgesetzt.

Hintergrundinformationen

Im Mittelpunkt steht der – nun ehemalige – Leiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, so berichtet „Golem“. Dieser wurde bereits kurz nach der ZDF-Sendung im Internet als „Cyberclown“ betitelt; unter dem gleichnamigen Hashtag gibt es bereits eine weit umfassende Diskussion im Netz.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Arne Schönbohm war Mitgründer des Vereins „Cybersicherheitsrat Deutschland“

Arne Schönbohm war Mitgründer des Vereins „Cybersicherheitsrat Deutschland“, einer Lobbying-Organisation, also einer jenen, die die Interessenvertretung in Politik, Verwaltung und Gesellschaft darstellt. Der Verein will nach eigenen Angaben die „Zusammenarbeit zwischen Politik, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft zur Verbesserung des IT-Schutzes“ intensivieren.

Durch die Rolle von Arne Schönbohm folgte eine enge Zusammenarbeit des Vereins mit dem BSI – die jetzt zum Problem wurde.

Auch eine Vielzahl von Unternehmen kooperiert mit dem „Cybersicherheitsrat Deutschland“, darunter ist auch Protelion vertreten, ein Anbieter von Cybersicherheitslösungen für Regierungen. Protelion gehört aber dem russischen Unternehmen „Infotecs“, welches wiederum im engen Kontakt zum russischen Geheimdienst steht. Dieser enge Kontakt geht vom Gründer des Unternehmens aus und führte sogar dazu, dass es von Wladimir Putin eine Ehrenmedaille erhielt.

Bereits im Juni 2019 veröffentlichte die Wochenzeitung „Die Zeit“ einen Bericht, in welchem bekannt wurde, dass der Verein Cybersicherheitsrat Deutschland Kontakte zu Russland hat.

Dort wohnten VertreterInnen des Vereins einer Tagung des russischen Vereins Nationaler Verband für Cyber-Sicherheit (NAISS) in Garmisch Patenkirschen bei. Der BSI-Vorstand wies daraufhin die VertreterInnen zurecht und verbot ihnen, an gemeinsamen Auftritten mit dem Verein teilzunehmen. Dies galt offensichtlich aber nicht für Schönbohm selbst, denn erst im September 2022 beteiligte er sich persönlich an der Feier zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins. Dies ist unter anderem ein Grund dafür, warum das ZDF Magazin Royale den Verein erneut in seiner Sendung unter die Lupe nahm, so berichtet es Futurezone.

Von vielen Seiten Aufklärung gefordert

Nach der ZDF-Sendung und ihren Recherchen zum Thema fordern die Grünen Aufklärung:

„Es sind skandalöse Vorgänge und Zusammenhänge, die das ZDF-Magazin hier offenlegt, und die sofort und umfassend untersucht und aufgeklärt werden müssen“, so forderte es Konstantin von Notz, der Grünen-Bundestagsabgeordnete am 8.10.2022 auf seinem Twitter Account.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Ebenfalls auf Twitter erklärt die Linken-Abgeordnete und Digitalexpertin Anke Domscheit Berg:

„Was Jahn Böhmermann gestern an Verbindungen zwischen russischen Nachrichtendiensten, einem dubiosen Cybersicherheits-Verein, seinen Mitgliedern sowie dem BSI öffentlich machte, ist unfassbar. Ich habe deshalb beantragt, dass sich der kommende Digitalausschuss am 12.10.2022 damit befasst.“

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Brisantes Thema

Fest steht, dass nach der Suspendierung Schönbohms das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik international einen Ruf zu verlieren hat. Dort ist zudem das Nationale Cyber-Abwehrzentrum angesiedelt.

Vertrauliche Informationen mit Behörden sowie KollegInnen im In- und Ausland werden auch regelmäßig von staatlichen deutschen IT-Sicherheitsexperten geteilt.

Die Politikanalystin und Sicherheitsexpertin Jessica Berlin äußert sich zum Sachverhalt:

„Dies ist ein nationaler Sicherheitsnotstand. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Jahrzehntelange deutsche Regierungen, angeführt von CDU und SPD, haben die Augen vor der russischen (und anderen) Infiltration unserer Industrien, Ministerien und kritischen Infrastrukturen verschlossen und/oder sie ermöglicht.“

Der entscheidende Punkt ist, dass die Cybersicherheit der EU und der Nato nur so stark ist, wie ihr schwächtes Glied, so gibt es Berlin zu bedenken.

Der Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ reagiert nun mit Ausschluss, und weist Vorwürfe russischer Einflussnahme zurück!

Pressemitteilungen vom 10.10.2022

Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. schließt die Protelion GmbH mit sofortiger Wirkung aus. Bereits nach Kenntnisnahme der Vorwürfe der Einflussnahme russischer Nachrichtendienste auf die Protelion GmbH durch eine Medienanfrage wurde am 30. September 2022 ein Ausschlussverfahren gestartet.

Dazu erklärt Präsident Hans-Wilhelm Dünn:

„Das Agieren der Protelion GmbH ist ein Verstoß gegen die Vereinsziele des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. Die durch Medienberichte im Raum stehenden Vorwürfe sind nicht vereinbar mit dem Kampf gegen Cyberkriminalität und der Förderung von Cybersicherheit – Ziele, denen sich der CSRD e.V. mehr denn je verpflichtet sieht.“

Der Verein und der Präsident weisen die Vorwürfe zurück, Beziehungen zu staatlichen russischen Stellen zu unterhalten. Dazu erklärt Hans-Wilhelm Dünn:

„Die Vorwürfe gegen den Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., von russischen Stellen beeinflusst zu sein, sind absurd. Es handelt sich um Anschuldigungen gegen ein einziges Mitglied des CSRD e.V.. Die Protelion GmbH bzw. ihre Vorgängerfirma Infotecs GmbH sind im Juni 2020 in den Verein eingetreten. Seitdem gab es weder Gespräche noch gemeinsame Projekte mit Vertretern des Unternehmens. Dementsprechend konnte auf der Vereinsplattform und im Umfeld des CSRD e.V. keine Einflussnahme stattfinden.“

Weiter erklärt Dünn:

„Ich verurteile den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die diesbezügliche Tätigkeit russischer Nachrichtendienste aufs Schärfste. Wie dem BSI waren auch uns die Verbindungen der Protelion GmbH zu russischen Diensten nicht bekannt. Wir nehmen die Vorwürfe ernst und unterstützen die Bemühungen staatlicher Stellen zur Aufklärung der Rolle der Protelion GmbH, um beurteilen zu können, inwieweit tatsächlich ein Einflussversuch vorliegt.“

Die in verschiedenen Medienberichten aufgegriffene Aussage des Präsidenten Hans-Wilhelm Dünn, auch Gespräche mit Nachrichtendiensten zu führen, stammt aus dem Jahr 2019 und ist verkürzt wiedergegeben. Herr Dünn hat keine Kontakte zu aktiven Vertretern staatlicher russischer Stellen gepflegt. Vielmehr beziehen sich seine Aussagen generell auf die Aufrechterhaltung von Kommunikationskanälen zu allen relevanten Akteuren im internationalen Sicherheitsbereich. Dies ist unter Beachtung des russischen Agierens und der aktuellen geopolitischen Lage ohnehin nicht denkbar.

Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. hat in der Vergangenheit immer wieder auf die Gefahr russischer Einflussnahme hingewiesen und zusammen mit seinen engagierten Mitgliedern an Lösungen für sichere IT-Infrastrukturen gearbeitet. Das Fehlverhalten eines einzigen Mitglieds des CSRD e.V. ist ein herber Reputationsschaden, der die geleistete Arbeit der Mitglieder und des Vereins für mehr Cybersicherheit jedoch nicht schmälert. Mehr denn je braucht es nun das Zusammenwirken von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um die Sicherheit unserer Gesellschaft auch im Cyberraum sicherzustellen. Der CSRD e.V. sieht sich dazu verpflichtet nach einer Prüfung der internen Prozesse zur Aufnahme von Mitgliedern stärker denn je für mehr Cybersicherheit und gegen Cyberkriminalität zu kämpfen.

Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. wurde im August 2012 von namhaften Persönlichkeiten gegründet. Der in Berlin ansässige Verein ist politisch neutral und berät Unternehmen, Behörden und politische Entscheidungsträger im Bereich Cyber-Sicherheit. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen große und mittelständische Unternehmen, Betreiber kritischer Infrastrukturen sowie Bundesländer und Bundesinstitutionen, Experten und politische Entscheider mit Bezug zum Thema Cyber-Sicherheit. Über seine Mitglieder repräsentiert der Verein mehr als drei Millionen Arbeitnehmer aus der Wirtschaft und knapp zwei Millionen Mitglieder aus Verbänden und Vereinen.

V.i.S.d.P.: Hans-Wilhelm Dünn, Präsident, Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.

Quellen

Stern, Futurezone, Golem, ZDFHandelsblattZeitTwitterGrün DigitalTwitterCyber-Sicherheitsrat e.V.

Lesen Sie auch: Kaspersky: Wie viel Politik steckte in der Warnung des BSI?

Autor: Nick L.

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)