„BGH-Urteil bestätigt: Masern-Viren existieren nicht“ – Falschmeldung!

Autor: Ralf Nowotny

"BGH-Urteil bestätigt: Masern-Viren existieren nicht" - Falschmeldung!
"BGH-Urteil bestätigt: Masern-Viren existieren nicht" - Falschmeldung!

Ein Artikel über ein BGH-Urteil von 2017 macht aufgrund der Diskussion rund um angebliche „Zwangsimpfungen“ wieder die Runde: Angeblich gäbe es gar keinen Masern-Virus.

Ohne Existenz von Masern-Viren wäre natürlich auch eine Impfung gegen Masern unnötig, was von manchen Leuten als Argument genommen wird, dass es dann wahrscheinlich auch keine Coronaviren gibt. Doch hat das BGH denn wirklich die Nichtexistenz von Masern-Viren bestätigt?

Masern-Viren existieren nicht?
Masern-Viren existieren nicht?

„Pharma-Lüge aufgeflogen – BGH-Urteil bestätigt: Masern-Viren existieren nicht“

So berichtet die Seite „altermed zentrum“ im Dezember 2018:

„Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben in einem aktuellen Urteil jetzt bestätigt, dass Masern-Viren gar nicht existieren. Mehr noch: Es gibt weltweit keine einzige wissenschaftliche Studie, die die Existenz des Virus bisher nachweisen konnte.“

Als Quelle des Artikels nennt „altermed zentrum“ die Seite „anonymousnews.ru“, auf der im Januar 2017 ein Artikel von Dr. Stefan Lanka erschien, der vor Gericht die Behauptung aufstellte, dass Masern-Viren nicht existieren.

Vorab gleich das Fazit für die Ungeduldigen:

Nein, das BGH hat mit Bestätigung des Urteils zu keinem Zeitpunkt die Nichtexistenz von Masern-Viren bestätigt.
Die Zahlung des Preisgeldes wurde lediglich wegen eines Formfehlers abgewiesen: Bardens konnte nicht die exakten Voraussetzungen erfüllen, die Lanka in seiner Ausschreibung forderte. Jedoch ist die Existenz des Masern-Virus zweifelsfrei bewiesen – auch wenn Impfgegner sich lieber auf „Neue Germanische Medizin“ und Globuli verlassen wollen.

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Worum genau ging es bei diesem Urteil?

Unsere Geschichte beginnt am 24. November 2011. An diesem Tag lobte Dr. Stefan Lanka, seines Zeichens Impfgegner und Anhänger der „Neuen Germanischen Medizin“, ein Preisgeld von 100.000 € für diejenige Person aus,  die ihm die Existenz des Masern-Virus glaubhaft mittels einer Studie nachweist. Konkret greift er in seiner Ausschreibung die Arbeit von Frau Dr. Annette Mankertz an, die laut Lanka nirgendwo den Durchmesser des Masern-Virus nachweist, obwohl sie das Virus doch erforsche. Und was keinen eindeutigen Durchmesser hat, kann ja offensichtlich auch nicht existieren, so die Logik Lankas.

Der deutsche Mediziner David Bardens nahm die Herausforderung an und sandte ihm gleich mehrere Studien zu, die alle möglichen Aspekte rund um das Masen-Virus abdeckten -auch dessen Durchmesser. Lanka ließ sich davon jedoch nicht sonderlich beeindrucken, denn – wie es Martin Moder auf Scienceblogs so schön schrieb – „Wer braucht schon 19.000 Studien, wenn man eine Meinung hat“.

Vor Gericht wurde dann entschieden, dass Bardens ohne jeglichen Zweifel die Existenz des Masern-Virus erbracht habe; das Preisgeld stehe ihm zu. Lanka hingegen war damit natürlich gar nicht glücklich und ging in Berufung. Seine Begründung: Seine vorgegebenen Voraussetzungen für den Nachweis des Masern-Virus würden durch die von Bardens eingereichten Studien nicht vollständig berücksichtigt werden.

Der Showdown

Am 16. Februar 2016 war es dann schließlich soweit: Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gab es  die Berufungsverhandlung, nachdem das Landgericht Ravensburg Lanka in erster Verhandlung am 12. März 2015 dazu verdonnert hatte, die 100.000 € Preisgeld zu zahlen.

Und hier kam es nun zu jenem Urteil, welches knapp ein Jahr später vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt wurde: Dr. Stefan Lanka muss keine 100.000 € an David Bardens zahlen.

Haben die Impfgegner damit Recht bekommen?

So tönt es zumindest im Newsletter von Lankas Homepage „Wissen schafft Plus“ vom 17. Januar 2017:

„In den Prozess haben sich fünf Gutachter eingebracht und die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen vorgelegt. Alle fünf Gutachter, darunter der vom Erstgericht beauftragte Prof. Dr. Dr. Andreas Podbielski haben übereinstimmend festgestellt, dass keine der sechs in den Prozess eingebrachten Publikationen einen wissenschaftlichen Beweis für die Existenz des behaupteten Masern-Virus enthält.“

Aber wir schauen uns ja gerne beide Seiten einer Medaille an und werfen einen Blick auf das Gerichtsurteil:

Die Klage wurde abgewiesen
Die Klage wurde abgewiesen

Tatsächlich wurde die Klage Bardens auf Zahlung der 100.000 € vom OLG Stuttgart abgewiesen. Die Begründung wurde nun im Januar 2017 auch vom BGH bestätigt.

Und was war die Begründung?

Und nun kommen wir zu dem Punkt, den sowohl „Maras Welt“ als auch sämtliche anderen Seiten, die den Blog verlinken oder zitieren, wohl vollkommen überlesen haben: Die eigentliche Begründung!

Werfen wir doch noch einmal ein Blick in das Urteil:

Die Bedingungen
Die Bedingungen

Absatz 12 und 13 sind wichtig: Es muss eine (!) wissenschaftliche Publikation vorliegen, in der sowohl die Existenz als auch u.a. der Durchmesser des Masern-Virus bewiesen und bestimmt sind.

Aber es geht noch genauer:

Eine EINZIGE Publikation wurde verlangt, nicht mehrere
Eine EINZIGE Publikation wurde verlangt, nicht mehrere

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Wir fassen das mal kurz zusammen:

Lanka verlangte eine Publikation des Robert-Koch Instituts. Und zwar eine einzige Publikation, nicht mehrere. Und in dieser einzigen Publikation sollten sowohl der Nachweis als auch der Durchmesser des Masern-Virus stehen. Weiterhin durfte dieser Durchmesser  nicht aufgrund einer Zeichnung bewiesen werden, sondern sollte anhand eines Fotos aufgezeigt werden.

Warum der Nachweis des Durchmessers eines Virus in einer Publikation allerdings nicht auch dessen Existenz beweist, ist selbst uns schleierhaft.

Es geht aber noch weiter, was die Anforderungen angeht:

Nur Empfänger des Newsletters waren berechtigt
Nur Empfänger des Newsletters waren berechtigt

David Bardens war zu dem Zeitpunkt nicht Empfänger des Newsletters. Also hätte er an dieser Ausschreibung gar nicht teilnehmen dürfen. Selbst wenn er also die obigen verlangten Nachweise erbracht hätte, hätte er das Preisgeld nicht bekommen.

Was denkt das Gericht denn selbst über das Urteil und Lanka?

Auch dazu finden wir noch einen hübschen Absatz im Urteil:

Das Gericht hält das Preisausschreiben für eine PR-Kampagne
Das Gericht hält das Preisausschreiben für eine PR-Kampagne

Für das Gericht war die Auslobung nichts anderes als ein Bestandteil einer Kampagne – wobei Lanka erkennbar kein Interesse daran hat, dass seine Behauptung, Masern-Viren gäbe es nicht, je widerlegt wird.

Fazit

Nein, das BGH hat mit Bestätigung des Urteils zu keinem Zeitpunkt die Nichtexistenz von Masern-Viren bestätigt.

Die Zahlung des Preisgeldes wurde lediglich wegen eines Formfehlers abgewiesen: Bardens konnte nicht die exakten Voraussetzungen erfüllen, die Lanka in seiner Ausschreibung forderte.

Jedoch ist die Existenz des Masern-Virus durch mittlerweile tausende Studien zweifelsfrei bewiesen.

Auch wenn Impfgegner sich lieber auf „Neue Germanische Medizin“ und Globuli verlassen wollen.

Artikelbild: Shutterstock / Von fotohay
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