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Strafzahlungen beim Betrieb von Balkonkraftwerken fällig?

Photovoltaik ist toll. Solar liegt im Trend. Mit einem Balkonkraftwerk war es noch nie so einfach, die eigene Stromrechnung zu verringern. Wäre da nicht ein kleines Problem…

Autor: Walter Feichtinger

Strafzahlungen beim Betrieb von Balkonkraftwerken fällig? Artikelbild: Pexels
Strafzahlungen beim Betrieb von Balkonkraftwerken fällig? Artikelbild: Pexels

*** Update: Strafzahlungen für Balkonkraftwerke wurden abgeschafft, siehe unten ***

Steigende Energiepreise und kein Ende in Sicht. Da ist es sehr verlockend, den benötigten Strom selbst zu produzieren. Aber nicht jede:r hat die Möglichkeit, eine große Solaranlage auf dem eigenen Hausdach zu betreiben. Kleinkraftwerke am eigenen Balkon sind für solche Fälle eine Option: Sie sind sehr leicht aufzustellen und brauchen in Deutschland bei einer Leistung bis zu 600W nicht einmal eine Genehmigung. Alle wichtigen Informationen dazu haben wir hier zusammengefasst. Wie viel Strom und Geld Sie so ein­sparen, zeigt Ihnen der Stecker-Solar-Simulator der HTW Berlin.

Allerdings gibt es ein Detail, das vor dem Kauf unbedingt berücksichtigt werden sollte: In bestimmten Fällen wird beim Betrieb eines solchen Balkonkraftwerks eine Strafzahlung entsprechend dem vor Kurzem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fällig. Solaranlagen mit einer „installierten Leistung von höchstens 25 Kilowatt“ müssen, wenn sie vor dem Jahr 2023 in Betrieb genommen wurden, die „Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung begrenzen“ (Paragraf 9, Absatz 2).

Diese Klausel soll verhindern, dass es durch den eingespeisten Strom zu Überlastungen im Stromnetz kommt. Bei mittelgroßen Solarkraftwerken am Dach oder auf der grünen Wiese – solchen mit Leistungen bis 25 Kilowatt – macht die Regelung durchaus Sinn. Bei „Steckersolar“ mit Minileistungen bis 600 Watt aber weniger. Doch genau diese werden üblicherweise ohne eine entsprechende Begrenzungsmöglichkeit verkauft.

Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz

Bisher sah das EEG in §52 bei Verstößen lediglich eine Reduzierung der Einspeisevergütung vor. Da sich Balkonkraftwerke wegen geringer Einspeiseleistung ohnehin nicht für diese Vergütung qualifizierten, blieb das für die Betreiber:innen ohne Auswirkung. Die Novellierung vom 20. Juli 2022 bringt allerdings Neuerungen, welche die Rahmenbedingungen entscheidend verändern: Auf Solaranlagen, die nicht den Vorgaben des EEG entsprechen, kommen nun Strafzahlungen zu: zehn Euro im Monat je installiertem Kilowatt Leistung.

Die Computer-Bild hat das für ein typisches Balkonkraftwerk mit zwei 300-Watt-Modulen durchgerechnet: 6 Euro je Monat, 72 Euro pro Jahr Strafe. Wenn sich die Betreiber:innen unter idealen Bedingungen rund 200 Euro an Stromkosten sparen, dann senkt sich effektive, jährliche Ersparnis um gut ein Drittel auf 128 Euro. Für jene, die bereits ein Steckersolar betreiben oder sich noch eines im laufenden Jahr anschaffen möchten, gibt es allerdings Möglichkeiten dem zu entgehen.

Kleine Adaption – keine Strafzahlung

Das EEG sieht vor, dass maximal 70 Prozent der installierten Leistung ins Stromnetz gespeist werden dürfen. Dafür könnte zum Beispiel eine Fernsteuerung durch den Netzbetreiber sorgen. Bei Kleinstkraftwerken ist diese verständlicherweise nicht vorgesehen. Durch einen Wechselrichter, der über 30 Prozent weniger Ausgangsleistung als die Solarmodule verfügt, kann das auch sichergestellt werden. Beim obigen Beispiel mit zweimal 300 Watt wäre das ein 420-Watt-Wechselrichter.

„Grundsätzlich kann die 70 %-Grenze, d.h. die Begrenzung der maximalen Wirkleistungseinspeisung, auch durch die Ausrichtung der Anlage oder durch Eigenverbrauchskonzepte umgesetzt werden. Durch die Begrenzung der Wechselrichterleistung auf 70 % der installierten Leistung ist dies in jedem Fall möglich.“

Auszug aus dem Schiedsspruch 2019/4 der Clearingstelle EEG KWKG

Eine zweite Möglichkeit ist der Nachweis, dass ein großer Teil der produzierten Energie sofort im Haushalt verbraucht wird und deshalb sogar beim Leistungsmaximum die geforderte 70-Prozent-Marke nicht überschritten wird. Am einfachsten gelingt dieser Nachweis, wenn zwischen Solarkraftwerk und dem Einspeiseort eine smarte Steckdose installiert wird. Diese muss allerdings fähig sein, den Strom auch in Einspeiserichtung zu messen. Der Smarthome-Blog Siio hat sich intensiv technisch und rechtlich mit dieser Problemstellung auseinandergesetzt. Manche Wechselrichter sind auch direkt fähig, den Verbrauch zu messen.

Wenn durch die Ausrichtung der Solaranlage sichergestellt wird, dass auch beim Leistungsmaximum weniger als die 70 % der installierten Leistung produziert werden können, dann sind die Betreiber:innen auch auf der sicheren Seite. Die Clearingstelle EEG KWKG verweist in dieser Frage auf den eigenen Schiedsspruch 2019/4. Eines sollte bei dieser Strategie allerdings nicht vergessen werden: Sie verzichten damit freiwillig auf 30 Prozent der Stromersparnis durch Eigenerzeugung – und aus den veranschlagten 200 Euro werden 140 Euro pro Jahr.

Update 31.08.2022

Eine aufmerksame Leser:in hat uns darauf hingewiesen, dass die Rechtslage nicht so eindeutig ist und zwei mögliche Interpretationen zulässt. Auf der Seite des PV-Magazins werden diese diskutiert: „Für die 70-Prozent-Regel hat man zwei Betrachtungsebenen: das EEG und die technische Norm“ wird Rechtsanwalt Jörn Bringewat zitiert. „Das EEG sanktioniert aber Verstöße gegen technische Vorgaben nur durch Förderungsausfall, also EEG-intern, sodass eine Nichtumsetzung der technischen Vorgaben bei der Entscheidung, die Förderung nicht in Anspruch zu nehmen, im Grunde ohne Folgen bleibt.“

Die technische Norm VDE-AR-N 4105 „hält im Grunde die genau gleiche Regelung hinsichtlich der Wirkleistungsreduzierung bereit, sodass die 70 Prozent-Regel im Grunde auch wieder deshalb gilt.“ Diese habe aber keine Auswirkung auf das „Verhältnis von Anschlussnutzer und Netzbetreiber. […] Im Grunde braucht es nach wie vor eine politische Entscheidung, kleine Photovoltaik-Balkonmodule grundsätzlich zuzulassen und von administrativer Nörgelei zu befreien“, stellt Bringewat fest.

Update 30.09.2022

Am 14. September beschloss die deutsche Bundesregierung „weitreichende steuerliche Entlastungen und Entbürokratisierungen für die dezentrale Nutzung von Photovoltaikanlagen“. Die Details fasste Sven Giegold, grüner Staatssekretär im Wirtschaftsministerium in einem Twitter-Thread zusammen. Konkret davon betroffen sind auch die Balkonkraftwerke, für die nun keine Leistungsbegrenzungen mehr notwendig sind:

Der Gesetzesentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ wurde nun am 30. September genehmigt. Damit fällt die 70-Prozent-Regelung ab sofort. Im Begründungsteil liest sich das wie folgt:

Artikel 7 ändert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021).
Durch die Änderung des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EEG 2021 sollen Solaranlagen, die noch in diesem Jahr
in Betrieb genommen werden, nicht mehr der Verpflichtung aus § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EEG 2021 unter-
liegen (sogenannte 70-Prozent-Regelung).

Hier erfahren Sie alles Weitere, das Sie vor einer Anschaffung eines Balkonkraftwerkes wissen sollten.

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