Antibiotika: Verbot für die Haustiere? Haustierbesitzer alarmiert!

Autor: Andre Wolf

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Haustierbesitzer sind besorgt! Werden ihre Lieblinge in Zukunft nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden dürfen? Dieses Thema hat die Netzgemeinde besonders kontrovers diskutiert: Es geht um das geplante Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermedizin.

Durch die vermehrte Gabe von Antibiotika entstehen auch vermehrt Resistenzen bestimmter Keime, die dann nicht mehr auf diese ansprechen. Daher soll die Verwendung von Antibiotika mit einer Verordnung in dem Bereich der Massentierhaltung auf europäischer Ebene eingeschränkt werden.

Hierzu hatte die EMA in Zusammenarbeit mit der WHO bereits einen wissenschaftlich fundierten Vorschlag eingebracht. Der Europaabgeordnete Häusling (Die Grünen) hatte eine verschärfte Version, welche bestimmte Wirkstoffgruppen klar benennt, nachgelegt, um diese die aktuelle Diskussion entstanden ist. Um Resistenzen vorzubeugen, dürften dann ab dem 01. Januar 2022 keine dieser gelisteten Medikamente angewendet werden. Diese sollen dann als sogenannte „Reserveantibiotika“ zurückgehalten werden, um im Notfall noch wirksame Präparate, für die es keine Resistenzen gibt, zur Verfügung zu haben.

Diese stellt Tierärzt*innen allerdings vor das Problem, dass damit komplette Wirkstoffklassen für die Behandlung wegfallen, teilweise auch Präparate, die überhaupt keine Humanzulassung haben, also als Reserveantibiotika gar nicht in Frage kommen, z.B. Cefovecin (Handelsname „Convenia“). Auch Ausnahmeregelungen, die z.B. die Gabe nach Erstellung eines Antibiogramms ermöglichen würden, wären wenig hilfreich, da man bei verschiedenen Spezies die Zeit für ein mehrtägiges Antibiogramm gar nicht hat.

Als Reaktion auf Häuslings Vorhaben wurde daher eine Unterschriftenkampagne ins Leben gerufen (HIER). Auch der Tierarzt Ralph Rückert bloggte zu dem Thema und stellt die Sachlage dar.

Antibiotika: Wie ist die Sachlage?

Da dieses Thema bereits seit Anfang August diskutiert wird und die Rechtslage auch maximal kompliziert ist, lässt sich dies nicht in einem Satz zusammenfassen.

Es gibt jedoch eine Reihe von Fakten, die man wissen muss, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können. Diese sind in den nachfolgend verlinkten Artikeln genauer ausgeführt, eine kurze Zusammenfassung findet sich am Ende des Artikels.

Der Bundesverband praktizierender Tierärzte hat auf seiner Webseite dazu eine Zusammenfassung der Sachlage veröffentlicht. Auch in der GEO wird das Problem noch einmal behandelt, sowie beim Bayerischen Rundfunk.

Der Tierarzt und YouTuber Karim Montasser hat sowohl das Problem an sich (HIER), als auch die Reaktionen sowie die Diskussion und Berichterstattung in den Medien (HIER) in Videos thematisiert.

Zusammenfassend kann man festhalten

  • Der Europaabgeordnete Häusling will sicherlich nicht bewusst die Kleintiermedizin in solch einen Therapienotstand manövrieren. Seine Behauptung, sein Vorstoß ziele nur auf die Massentierhaltung ab, ist durchaus glaubwürdig.
  • Aber: Da diese Regelung auf der EU-Richtlinie 2019/06 (HIER) basiert, die eine solche Trennung nicht vorsieht, spielen hier auch EU-rechtliche Punkte eine Rolle. Hier müsste eine Änderung an der Richtlinie vorgenommen werden, was Häusling auch einräumt. Experten für Europapolitik sehen es jedoch kritisch, ob dies rechtzeitig bis zum Inkrafttreten funktionieren würde.
  • Manches an der vorgebrachten Kritik an der Tierärztegemeinschaft ist unsachlich, unbelegt oder gar inkorrekt, so kann beispielsweise ein finanzielles Interesse für die Tierärzte durch Antibiotikaverkauf keine Rolle spielen, wenn die Proteste primär aus der Kleintiermedizin kommen, wo Antibiotikaverkauf – wenn er überhaupt praktiziert wird – i.d.R. nur einen äußerst geringen Anteil am Umsatz einer Praxis hat.
  • Juristische Gutachten kommen zu dem Schluss, dass beide Lesarten möglich sind: Sowohl die Interpretation, dass Haustiere aus der Regelung ausgenommen werden können, als auch die, dass dies nicht möglich ist, sind auf Basis der aktuellen Gesetzeslage richtig. Wie die zuständigen Gerichte letztendlich urteilen würden, lässt sich natürlich jedoch nicht vorhersehen – hier liegt das eigentliche Problem an der Sache.

Dass Resistenzen gegenüber Antibiotika ein wichtiges Thema sind, steht außer Frage. Dass man auch rechtlich etwas tun muss, um die Verwendung von Antibiotika zu reglementieren, ebenfalls. Inwiefern die Veterinärmedizin eine Rolle bei der Bildung von Resistenzen spielt, ist ein anderes Thema (Untersuchungen zufolge gehen über 90% der Resistenzen auf die Humanmedizin zurück), die Veterinärmedizin hat jetzt schon die strengsten Vorschriften und Einschränkungen zur Gabe von Antibiotika überhaupt. Zudem ist der Verbrauch an Antibiotika in der Tiermedizin in den letzten Jahren je nach Bereich um bis zu 60% zurückgegangen, auch in der Massentierhaltung ist ein deutlicher Fortschritt zu sehen.

Die angrenzenden Themengebiete wie Massentierhaltung generell, Antibiotikaeinsatz in konventioneller oder Bio-Haltung, etc. werden in der Hitze der aktuellen Diskussion oft mit ins Feld geführt, sollen aber nicht Inhalt dieses Artikels sein.

Es geht hier zunächst lediglich um einen Faktencheck, ob die Sorge, dass es in Zukunft durch die EU-Verordnung zu Problemen bei der Behandlung von Kleintieren geben kann, berechtigt ist.

Dies ist in der Tat der Fall. Auch wenn eventuell das betreffende europäische Recht so zurechtgerückt werden könnte, dass es nicht dazu kommt, besteht durchaus die Chance, dass hier ein sicherlich gut gemeinter Vorschlag durch die Tücken einer EU-Verordnung über das Ziel hinausschießt und erheblichen Schaden anrichtet. Zudem spielt der Zeitfaktor hier eine große Rolle: Die Verordnung soll bereits Anfang 2022 in Kraft treten. Die notwendigen Änderungen würden zudem, wie bei Europarecht üblich, einer Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedingen, was erfahrungsgemäß dauert. Zur Relation: Die zu Grunde liegende Verordnung 2019/06 hat acht Jahre benötigt, bis sie in der aktuellen Form endlich mehrheitsfähig war.

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