Hat Käßmann alle Deutschen als Nazis bezeichnet?

Autor: Andre Wolf

Ist es der Skandal der Stunde? Es geht um den Satz “Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern – da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht“. Sieht Käßmann nun alle Deutschen, deren Eltern und Großeltern ebenfalls Deutsche sind, als Nazis per Geburt an oder fehlt an diesem Satz nun der Kontext, aus dem eine andere Deutung ersichtlich ist?

Beginnen wir ganz vorne: hat sie diesen Satz gesagt? Ja. Man kann sogar nachlesen, in welchem Umfang sie wann und wo diesen Satz gesagt hat. Er stammt aus ihrer Lesung zur Bibelarbeit zu Lk 1, 39-56 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin. Dort steht der Satz in einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Frauenbild, welches ihrer Meinung nach durch das Wahlprogramm der AfD transportiert wird.

Hier insbesondere baut sie eine Vergleichsebene zwischen dem Begriff “biodeutsch”, der Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate und dem so genannten kleinen Arierparagraphen der Nationalsozialisten auf. Man kann diese Lesung auf der Webseite der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Ganzen finden [1]. Dort lautet es in der entsprechenden Fragestellung:

Keine Frage mehr, jetzt ist es klar. Frauen sollen Kinder bekommen, wenn sie „biodeutsch“ sind. Das ist eine neue rechte Definition von einheimisch gemäß dem so genannten kleinen Arierparagraphen der Nationalsozialisten: zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. So einfach klein und eng können selbst die Neonazis sich die Welt im Jahr 2017 nicht malen. Ich bin mehrfache Großmutter, aber schon ich bin mit Kindern von Einwanderern aus Anatolien in die Schule gegangen, die einen deutschen Pass haben.

Faktenfinder

Die Faktenfinder der Tageschau haben hierzu bereits eine kurze Analyse veröffentlich. Dort lautet es [2]:

Die prominente evangelische Theologin Margot Käßmann ist Opfer eine Falschdarstellung geworden. Sie hatte beim Kirchentag die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert. Diese Äußerung wurde in den Sozialen Netzwerken aus dem Kontext gerissen.

Die Theologin Margot Käßmann ist Ziel einer Kampagne in den Sozialen Medien geworden. Käßmann hatte in einer Bibelarbeit auf dem Kirchentag in Berlin die AfD scharf angegriffen. Deren Forderung nach einer „Erhöhung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ entspreche dem „kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten: Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern – da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht“, so Käßmann auf der Veranstaltung. Diese Aussagen waren demnach direkt auf das familienpolitische Programm der AfD bezogen.

Weiter zum kompletten Artikel auf faktenfinder.tagesschau.de

Nebeninfo:

Der Satz „‚Biodeutsche‘ mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern” wurde bereits einen Monat früher genutzt, und zwar durch den AfD-Landtagsabgeordneten Ralph Weber. Hierzu schrieb der Nordkurier am 25. April 2017 [3]:

„„Biodeutsche” mit nicht weniger als zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern sollen dafür sorgen, dass auch in 30 Jahren eine deutsche Leitkultur fortbesteht. Das verlangt der vorpommersche AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber.“

Nach weiterer Aussage des Nordkuriers habe Weber „seinen Facebook-Eintrag geändert. Die vom Nordkurier zitierte Text-Passage „‚Biodeutsche‘ mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern” wurde gestrichen, ebenso fehlt die Phrase „Deutschland den Deutschen“ am Ende des Textes.“ ursprüngliche MeldungDie trug jedoch diese Passage.

Juristisch relevante Darstellung?

Käßmann erwägt nun nach dem Shitstorm rechtliche Schritte gegen AfD. In einer Presseerklärung des epd lautet es [4]:

Nach einer falschen Darstellung ihrer Aussagen über die AfD in sozialen Netzwerken erwägt die prominente evangelische Theologin Margot Käßmann rechtliche Schritte. Es gebe Inhalte, die einfach gelöscht werden sollten, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) und berief sich auf einen kürzlich gehörten Experten. „Manche Inhalte sollte man demnach aber auch rechtlich verfolgen“, sagte die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ergänzte: „Das überlege ich mir in diesem Fall.“

Ebenso lautet es hier:

Käßmann selbst nannte diese durch Falschdarstellung erweckte Unterstellung „lächerlich und absurd“: „Dann gehörte ich ja selbst auch dazu.“ Sie habe zwar schon erlebt, dass Äußerungen von ihr entstellt oder aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben worden seien. „Die Erfahrung, dass etwas bewusst falsch dargestellt wird, mache ich aber zum ersten Mal“, sagte Käßmann. Es mache zornig, und „du fühlst dich auch hilflos, weil du es nicht geraderücken kannst“.

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