Zensiert Facebook MMS?

Autor: Kathrin Helmreich

Auf Facebook verschwinden immer mal wieder Gruppen. So passiert mit der Miracle Mineral Supplement-Gruppe.

Heute kamen mehrere Anfragen zu diesem Thema:

Wichtiger Hinweis: In diesem Artikel geht es nicht darum, etwas zu „glauben, wollen oder meinen“, sondern es geht um Fakten, und einem Faktencheck hält MMS nicht stand.

MIMIKAMA

„Die Zensur auf Facebook erreicht einen neuen Höhepunkt. Anscheinend im Dienste der Industrie (wem sonst sollte das nützen) werden Gruppen gelöscht, die sich mit alternativen Heilmethoden befassen.

Die Gruppe MMS (nach Jim Humble) & alternative Heilmethoden
https://www.facebook.com/groups/mms.alternative.wirkstoffe/

Verschwand von einem Moment auf den anderen, ohne jeden Kommentar. etwa 34.000 Benutzer vermissen diese Gruppe , die ich zu den hilfreichsten Selbsthilfegruppen zähle. Tausenden von Betroffenen wurde dort mit der Erfahrung der Anwender in aussichtlosen Situationen geholfen.

Wenn das so einfach ist, dass Gruppen verschwinden, mit Inhalten, Erfahrungsberichten und Hilfestellungen, ist das eine sehr unsichere Situation für alle weiteren Selbsthilfegruppen. Ich schätze die zahl der User auf etwa 800.000 in etwa 100 Gruppen im deutschen Sprachraum. Kleine Gruppen zähle ich da nicht mit.

Wir wussten nicht, dass es so etwas gibt. Das ist neu. Ich denke, dass wir uns neu orientieren müssen und wohl an die Öffentlichkeit gehen um Betroffene zu warnen und zu informieren, und Alternativen suchen müssen. Es ist möglich, dass gestern die FB Aktie deswegen kurz eingebrochen ist. Anleger sehen sich vermutlich auch unsicheren Zeiten gegenüber. Vielleicht ist es an der Zeit, zu verkaufen, weil der Zenit überschritten zu sein scheint, mit solchen Aktionen.“

Zuerst, was ist MMS?

MMS, oder auch Miracle Mineral Supplement, ist eine Mischung aus Natriumchlorit. Natriumchlorit mit der Summenformel NaClO2 – nicht zu verwechseln mit dem Kochsalz Natriumchlorid (NaCl) – ist das Natriumsalz der Chlorigen Säure. Seine hauptsächliche Anwendung ist, neben dem direkten Einsatz als Oxidationsmittel, die Herstellung von Chlordioxid, da dieses zu instabil für Transport und Lagerung ist. Es ist das Mittel der Wahl zur Herstellung von Chlordioxid zur Desinfektion von Wasser. Für die andere Hauptanwendung von Chlordioxid, der Zellstoffbleiche bzw. Papierherstellung, ist es generell zu teuer, es entsteht dort jedoch während des Bleichprozesses.

 

Gibt man zu Natriumchlorit Wasser und Säure (z.B. Essig) hinzu, entsteht das hochgiftige Chlordioxid.

Bis 1957 wurde Chlordioxid auch als Zusatzstoff zum Bleichen von Mehl verwendet, nach Tierversuchen mit schweren Nierenschäden jedoch verboten. Chlordioxid ist in Europa weder als Lebensmittel noch für Lebensmittel erlaubt. Auch Natriumchlorit als arzneilich wirksamer Bestandteil ist in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen. Um dagegen nicht zu verstoßen, wird man auf einschlägigen Internetseiten an Anbieter für Wasser­aufbereitungsmittel weitergeleitet.

MMS soll angeblich alles heilen können, von Malaria bis Krebs und Autismus. Einen Beweis blieben die Anhänger aber bisher schuldig, vielleicht auch ein Grund, warum sich der „Erfinder“ Jim Humble, ein ehemaliger Scientologe, seine Medizin in den USA als Kirche eintragen ließ, denn glauben muss man wohl viel bei dieser lebensgefährlichen „Medizin“.

MMS ist in Deutschland weder zugelassen, noch erlaubt, und die Anwendung bei Kindern als Einlauf, angeblich gegen Autismus, hat in einigen Fällen auch Reaktionen des Jugendamtes nach sich gezogen.

Angeblich sollen „Würmer“ für den Autismus der Kinder verantwortlich sein. Nach einem Einlauf mit MMS kommen diese dann augenscheinlich aus dem Darm heraus. Allerdings handelt es sich dabei nicht um „Würmer“, sondern um verätzte und abgestorbene Darmschleimhaut.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat MMS in zwei Fällen als zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft, welches eine Zulassung mit Studien und Wirkungsnachweis bräuchte, was der Hersteller nicht leisten konnte. Die gilt zwar nur für zwei Produkte, lässt sich aber auf den gesamten MMS-Markt anwenden.

Die Verwendung dieses Mittels in der Medizin ist also nicht erlaubt. Darüber gibt es auch verschiedene Urteile der unterschiedlichsten Gerichte.

Die andere Seite?

Viele der Menschen, die MMS befürworten oder gar selbst anwenden, werden an dieser Stelle vielleicht sagen, dass man sich doch informieren sollte, immerhin würden Leute wie Andreas Kalcker, Johann Biacsics, Theresa Forcades und andere doch in ihren Vorträgen erklären, wie MMS funktioniere, und dies auch belegen.

Sorry, nein: Wenn man etwas belegt, dann liefert man Daten und Fakten, die – und jetzt kommt das wichtigste – auch reproduzierbar sind. Daten, die man durch kontrollierte Studien gewonnen hat, wo man alle Fehler ausgeschlossen hat, die das Ergebnis verfälschen könnten. Und diese Studien werden von Wissenschaftlern durchgeführt, die von dem Fachgebiet Ahnung haben. So funktioniert nun mal Wissenschaft, und das seit rund 300 Jahren.

Andreas Kalcker jedoch, der sich selbst auch gerne als „Prof. a.D. Dr. Andreas Ludwig Kalcker (phd)“ tituliert, hat beispielsweise sämtliche Titel bei der „Open University of Advanced Sciences“ erworben. Ein Doktortitel ist dort mit 1500 € recht günstig. Und nachvollziehbare Beweise liefert keiner der MMS-Befürworter.

Theresa Forcades hat zwar einen Doktortitel in der Medizin, was sie an Studien anführt, hält allerdings trotzdem keiner Überprüfung stand. Damit eine Studie aussagekräftig ist, müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein, was die Anzahl der Probanden und das Design der Studie angeht. Dies ist einfach nicht gegeben.

Im Gegenzug gibt es aber genügend Beweise für Gesundheitschäden, die durch die Anwendung von MMS hervorgerufen wurden.

Und warum löscht Facebook nun Seiten, die MMS anpreisen?

Im Sinne des Netzwerkdurchsetzungsgesetztes gegen Hetze und Fakenews ist Facebook verpflichtet, strittige Inhalte innerhalb von 24 Stunden vom Netz zu nehmen, nachdem die rechtswidrigen Inhalte bekannt gemacht wurden.

Genau dies ist wohl in diesem Falle geschehen.

Die Gruppen wurden gemeldet, überprüft und vom Netz genommen, denn sie haben wohl rechtswidrigen Inhalt verbreitet.

Grundsätzlich ist dieses Vorgehen, bei einem so gefährlichen und zum Teil sogar lebensbedrohenden „Schein-Medikament“ nur zu befürworten, aber das ändert leider nichts an der Tatsache, dass die Inhalte weiter im Netz stehen, nun z.B. als Haustiergruppe oder als Kochgruppe getarnt.

So kommt man an die Menschen, die sich mit diesen Zeug vollpumpen, oder noch schlimmer, ihre Kinder und ihre Haustiere, nicht mehr heran, weil sie eben in getarnte Gruppen verschwunden sind.

Man kann also die Gruppen melden und diese verschwinden dann auch von Facebook, aber das Problem der gefährlichen Pseudomedizin lässt sich dadurch leider nicht lösen. Hier gilt es aufzuklären, zu informieren und zu überzeugen, und nicht durch das Löschen von Gruppen die „Symptome“ wegzuwischen und damit Leute zu verärgern, die dann garantiert weniger zuhören oder Argumenten zugänglich sind.

Quellen:

Autor: Anke M. – mimikama.org
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