Wie Profis Nachrichten verifizieren und Fälschungen enttarnen

Autor: Andre Wolf

Wie Profis Nachrichten verifizieren und Fälschungen enttarnen
Wie Profis Nachrichten verifizieren und Fälschungen enttarnen

Die schlechte Nachricht: Nie zuvor gab es so viele Hoaxes und Falschmeldungen wie heute – von irren Gerüchten bei Facebook bis hin zu professionell inszenierte Fakes.

Immer wieder fallen Medien auf Fälschungen rein. Aber die gute Nachricht: Die meisten Enten sind mit dem entsprechenden Know-How und diversen Online-Tools leicht zu erlegen. Heute stelle ich Ihnen die besten Verification-Strategien für Fotos und Videos vor.

Dozent_Oliver_Klein

Oliver Klein, Mimikama-Gastautor

1. Verifikation via Rückwärtssuche

Woher stammt ein Foto oder ein Video, das einen angeblichen Skandal oder eine unglaubliche Geschichte beweisen soll? Wie lange steht es schon im Netz? Oft lässt sich mit einer einfachen Bilder-Rückwärtssuche bereits beweisen, dass ein Foto in einem anderen Zusammenhang als dem behaupteten steht oder älter ist als angegeben. Deshalb ist für die Verifikation von Fotos die erste und beste Anlaufstelle in der Regel die Bilder-Suche von Google. Klickt man auf das Kamera-Symbol im Suchfenster, lässt sich ein beliebiges Foto hochladen oder die URL eines Fotos eingeben. Dann errechnet Google einen digitalen Fingerabdruck des Bildes und gleicht ihn mit Millionen anderer bereits bekannter Bilder ab. In den Suchergebnissen erscheinen Seiten, die das Bild ebenfalls enthalten. Der große Vorteil: Bei Google lassen sich auch bei der Bilder-Rückwärtssuche alle Operatoren und Möglichkeiten der Einschränkungen (z.B. auf eine bestimmte Domain oder Top-Level-Domain) nutzen. So lässt sich mit einer Zeiteinschränkung der Zeitpunkt eingrenzen, wann ein Foto zum ersten mal im Internet aufgetaucht ist. Achtung: Bei der Suche mit Mobilgeräten wird das Kamera-Symbol in der Bildersuche zunächst nicht angezeigt. Hier muss man einen kleinen Umweg gehen: Entweder mit Chrome surfen – tippt man lange auf ein Bild, wird die Möglichkeit eingeblendet, das Bild mit Google rückwärts zu suchen. Oder direkt die Bildersuche bei Google ansteuern und dann in den Einstellungen des Browsers “Desktop Version anzeigen” auswählen. Dann erscheint das Kamera-Symbol auch bei Nutzung mit Handy oder Tablet

Keine Ergebnisse?

Dann einfach Alternativen durchprobieren:

Bing – allein schon die Rückwärtssuche für Bilder zu finden, ist eine Zumutung; man muss zuerst auf “Bilder” klicken, dann irgendeine Suche starten, erst dann kommt das altbekannte Kamerasymbol im Suchfeld. Wem’s zu kompliziert ist – hier ist der direkte Link. Die Qualität der Treffer ist… naja. Aber immerhin bietet Bing eine Möglichkeit, die ich bei Google schon lange vermisse: Die Suche mit einem Bildausschnitt. Einfach oben rechts im Fotos auf “innerhalb dieses Bilds suchen” klicken und den Ausschnitt bestimmen. So lassen sich bestimmte Gebäude, Personen, Schilder etc. identifizieren, ohne dass man von Hand immer neue Ausschnitte eines Fotos für eine Rückwärtssuche abspeichern muss.

Ausschnittsuche mit Bing: Der Ausschnitt findet die berühmte Ramsauer Kirche im Berchtesgadener Land.
Ausschnittsuche mit Bing: Der Ausschnitt findet die berühmte Ramsauer Kirche im Berchtesgadener Land.

Tineye ist eine der ältesten Rückwärtssuchmaschinen. Meist liefert sie weniger Treffer als Google und zeigt auch keine ähnlichen Bilder an, sondern sucht nur genau das gelieferte Bild; maximal werden andere Ausschnitte als Treffer angezeigt. Die Sortierung nach dem ältesten und neuesten Fund, Bildgröße und “best match” ist allerdings praktisch.

Yandex – eine russische Suchmaschine, die bei der Bildersuche für nicht-englischsprachige Webseiten sogar deutlich besser funktioniert. In vielen von mir durchgeführten Tests lieferte Yandex bei der Rückwärtssuche sogar bessere Ergebnisse als Google.

Immer noch keine Ergebnisse?

Versuchen Sie, das Foto horizontal zu spiegeln! Hierbei hilft die Seite flipapicture. Manche Faker versuchen nämlich, ein Foto so zu verändern, dass es sich nicht leicht mit einer Rückwärtssuche finden lässt, indem sie das Bild spiegeln, den Ausschnitt verändern oder Farben variieren.

Was denn… Immer noch keine Ergebnisse?!

Für die Verifikation von Fotos oder Videos hilft regelmäßig das Motto: Denken Sie wie der Faker, um Fakes zu enttarnen! Denn die meisten Fälscher nehmen das erstbeste Bild aus den Suchergebnissen von Google, das zu ihrer Fake-Geschichte passt. Daher hat sich als eine geeignete Strategie herausestellt: Stellen Sie sich die Frage “Was hat der Faker gesucht?”? Sucht man selbst wie ein Foto-Fälscher, findet man oft die Zutaten für das gefälschte Bild. Besonders clevere Fälscher suchen sich Fotos aus Quellen, die nicht oder nur teilweise von Suchmaschinen indexiert werden. Ein Beispiel hierfür: Das gefälschte DDR-Plakat – angeblich soll die CDU ihren Wahlkampfslogan “Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben” bei der SED geklaut haben.

MIMIKAMA

MIMIKAMA

Verifikation mit der Methode “Denken Sie wie ein Faker” – eine Suche nach “DDR Propaganda” in der Fotocommunity Flickr fördert das Original-Foto des gefälschten Wahlplakats zu Tage, in Farbe und mit einem völlig anderen Slogan

Übrigens: Grundsätzlich funktioniert eine Rückwärtssuche auch bei Videos, allerdings benötigen Sie dafür Screenshots. Der Youtube-Dataviewer von Amnesty International lässt eine solche Rückwärtssuche automatisiert für Youtube-Videos zu: Einfach eine Video-Adresse eingeben und die Vorschaubilder sind mit der Google-Bilderrückwärtssuche verknüpft.

2. Verifikation via Metadaten

Viele Bilder verraten mehr als wir auf den ersten Blick erkennen: Wer hat wann ein Foto wo gemacht, mit welcher Kamera, wurde das Bild nachträglich bearbeitet? Solche Informationen verraten die sogenannten Exif-Daten  („Exchangeable Image File Format“), die sich mit Tools wie „Jeffrey’s Exif Viewer“ anzeigen lassen. Aber Achtung: Nicht alle Fotos enthalten Exif-Daten, insbesondere Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter und auch viele Newsportale löschen solche Informationen standardmäßig bei der Veröffentlichung. Daher ist es hilfreich, das zu prüfende Bild möglichst nah an seinen Ursprung zurückzuverfolgen. Hier hilft die Zeiteinschränkung der Bilderrückwärtssuche von Google. Oft kommen so Versionen des Fotos zu Tage, die noch weitere Metadaten enthalten.

3. Verifikation via Fotoforensik

Ist das vorliegende Foto das Original? Haben Faker das Bild verändert, Einzelteile hinzugefügt oder wegretuschiert? Seiten wie fotoforensics oder forensically untersuchen Bildmaterial mittels „Error-Level-Analysis“ (ELA). Bildanteile, die möglicherweise manipuliert wurden, erscheinen heller oder dunkler. Bei forensically gibt es zusätzlich eine Reihe weiterer Analyse-Möglichkeiten, zum Beispiel “Clone-Detection”, mit der Sie geklonte Bereiche in einem Bild sichtbar machen können.

4. Plausibilität prüfen

Kann ein Foto oder ein Video zum angegebenen Zeitpunkt am angegebenen Ort gemacht worden sein?

Wo wurde ein Foto oder Video gemacht?

Um den Ort eines Fotos oder Videos zu verifizieren, ist es bei Außenaufnahmen regelmäßig möglich, via Google Earth Pro bzw. Google Maps Gebäude, Straßen, Landschaftsmerkmale etc. abzugleichen. Dabei hilft vor allem die Satelliten-Ansicht, insbesondere, wenn es bei Google 3D-animierte Städteaufnahmen gibt. Alternativ kann man bei Bing schauen, ob es weitere Aufnahmen aus der Vogelperspektive gibt. Zusätzlich lassen sich in den meisten Regionen bei Google-Maps Fotos anzeigen, die von anderen Usern eingestellt wurden: Dazu unten rechts das gelbe Männchen auf die Landkarte ziehen und eventuell vorhandene Fotos sowie die verfügbaren Google-Street-View-Ansichten werden als blaue Markierungen angezeigt. Alternativ kann man auf die zwei schwarzen Pfeile klicken (“Bilder anzeigen”). Achtung: Dazu darf im Suchfeld kein Ort zum Suchen eingegeben sein.

Vor allem die Aufnahmen von Google-Streetview können eine große Hilfe sein, in vielen Fällen gibt es in Städten außerhalb Deutschlands Aufnahmen sogar Bilder von unterschiedlichen Zeitpunkten. Dazu einfach auf die kleine “Zeitmaschine” oben links achten:

Google-Streetview-Zeitmaschine am Beispiel von Malaga: Hier sind zwei Aufnahmen vorhanden, aus dem Jahr 2009 (ohne Riesenrad) und aus dem Jahr 2016.
Google-Streetview-Zeitmaschine am Beispiel von Malaga: Hier sind zwei Aufnahmen vorhanden, aus dem Jahr 2009 (ohne Riesenrad) und aus dem Jahr 2016.

Tipp: Wird nur ein Aufnahmedatum angezeigt, einfach die Straße hoch- und runterscrollen, oft kommen dann weitere Aufnahmen hinzu (funktioniert leider nicht für deutsche Städte). Noch mehr Bilder für einen Abgleich lassen sich finden bei Mapillary, Picasa, Twitter und Flickr (mit der erweiterten Suche); Informationen über Orte finden sich bei Wikimapia. Ein spannendes Tool, um einen Ort zu lokalisieren ist Geolocatethis: Die Seite ist mithilfe von Google-Maps zum Beispiel in der Lage, auf einer Karte bestimmte Einrichtungen und Objekte (z.B. Läden, Ampeln, Bushaltestellen) zu finden, die in einem bestimmten Umkreis von einem weiteren Objekt entfernt sind. Beispiel: Bushaltestellen, die nicht weiter als 20 Meter von einer Apotheke entfernt sind. Hat man also ein Foto, auf dem beides zu erkennen ist und hat man dazu den Verdacht, dass die Aufnahme in Berlin entstanden sein könnte, so lassen sich mit dem Tool eine Reihe von möglichen Orten ausfindig machen.

Wann wurde ein Foto oder Video gemacht?

Auch die Frage, ob der Aufnahmezeitpunkt stimmen kann, lässt sich mit einfachen Strategien überprüfen. Zunächst kann man versuchen, mit einer Rückwärtssuche herauszufinden, ob es das gleiche Foto oder Video bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegeben hat – hier hilft die Datums-Eingrenzung bei Google oder der Youtube-Data-Viewer, der sogar den genaue Upload-Zeitpunkt eines Youtube-Videos anzeigt.

Handelt es sich um ein Foto oder Video, das einen bestimmten Vorfall dokumentieren soll? Zu vielen Ereignissen lassen sich in Sozialen Netzwerken mit der entsprechenden Hashtag-Suche und ggf. mit einer Datumseingrenzung Berichte oder sogar weitere Foto- oder Filmaufnahmen finden. Auch auf den ersten Blick unscheinbare Details sind oft wertvolle Hinweise auf das mögliche Aufnahmedatum: Bei Straßenansichten können Sie beispielsweise in den die Bildern von Google Streetview abgleichen, wann ein bestimmtes Schild zum ersten mal in einer Straße zu sehen ist, ob ein Haus umgebaut oder renoviert wurde etc. Einige Tools stellen historische Wetterdaten zur Verfügung: Ein sehr anschauliches Archiv für europäische Wetterdaten bietet timeanddate.de – einfach eine Stadt eingeben und dann auf “Wetter Rückblick” klicken. Das Archiv reicht allerdings nur bis 2009 zurück, manche Städte sind nur unvollständig erfasst. Die Suchmaschine Wolfram Alpha stellt weltweite historische Wetterdaten zur Verfügung – einfach einen Ort, ein Datum und das Stichwort „Weather“ eingeben. So lässt sich dann beispielsweise feststellen, dass das Foto mit dem wolkenlosen Himmel nicht zu dem angegebenen Zeitpunkt gemacht worden sein kann – weil es an dem selben Ort den ganzen Tag regnete. Auch der jeweilige Sonnenstand ist ein wertvoller Hinweis, sowohl auf das Datum (wie lange ist der Schattenwurf von Gebäuden, Bäumen etc.?), als auch auf die Tageszeit. Wann die Sonne wo am Himmel stand bzw. steht, lässt sich mit suncalc berechnen:

MIMIKAMA

Mit suncalc.org lässt sich ungefähr errechnen, zu welcher Uhrzeit ein Foto gemacht wurde. Ist die Schattenlänge eines Objektes bekannt, lässt sich sogar der ungefähre Zeitraum im Jahr erkennen.

Dozent_Oliver_Klein

Oliver Klein, Mimikama-Gastautor
Redakteur und Rechercheexperte Klein gibt Seminare für Journalisten und Ermittler zum Thema investigative Online-Recherche; eins der wichtigsten Themen ist natürlich Verifikation (neben Google-Tricks, Graph-Search, Umkreissuche in Sozialen Netzwerken usw.). Mehr über seine Arbeit gibt es auf http://rechercheseminar.de

 

Titelbild:  SFIO CRACH / Shutterstock.com

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