Nur 4 Cent Porto dank Reichspostgesetz?

Autor: Tom Wannenmacher

Die „Neue OZ – Osnabrücker Zeitung“ veröffentlichte am 23. Mai 2014 einen verwirrenden und inhaltlich leider widersprüchlichen Artikel mit der sensationellen Überschrift „Briefe für vier Cent in Meppen zugestellt“.

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Da dieser Artikel noch immer auf Facebook verbreitet wird und wir dazu Nachfragen erhielten, wollten wir die Sache einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Die Zeitung berichtet von einem Mann aus Meppen, der Briefe trotz eines viel zu geringen Portos von nur vier Cent offenbar dadurch erfolgreich verschickt, dass er die Umschläge mit dem Vermerk „F.R.G. Non Domestic“ versieht, was übersetzt ungefähr bedeutet: „nicht innerstaatlich, Federal Republic of Germany“.

Um die Fakten zu klären, schickten wir den Bericht der Neue OZ zu aller erst an die Pressestelle der Deutschen Post und erkundigten uns, was man dort davon hält.


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Die eindeutige Antwort kam noch am selben Nachmittag:

„Das ist ausgesprochener Unsinn und funktioniert so auch nicht“!

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Das im Internet kursierende Gerücht, wonach laut Weltpostvertrag Briefe auch dann befördert würden, wenn sie nur mit 3 oder 4 Cent frankiert sind, entspricht nicht den Tatsachen. Der WPV besagt gar nichts über nationale Preise und Tarife, sondern regelt ausschließlich die Endvergütungen für grenzüberschreitende Sendungen. Dabei regelt der WPV die Vergütungen zwischen Postunternehmen, nicht die Preise für die Kunden/Absender.

Selbstverständlich gelten beim Versand von Briefen über die Deutsche Post unsere regulären – von der Bundesnetzagentur regulierten – Briefpreise, d.h. beispielsweise 60 Cent für den Standardbrief innerhalb Deutschlands bzw. 75 Cent für den internationalen Standardbrief. Ist ein Brief unterfrankiert, kann die Deutsche Post die Annahme verweigern oder die Sendung zurückgeben bzw. zur Abholung bereithalten oder ohne Benachrichtigung des Absenders befördern. Dafür wird ein Nachentgelt berechnet (=fehlendes Porto + Einziehungsentgelt, das derzeit 51 Cent pro Sendung beträgt).“

Damit wäre das Thema auch schon beendet!

Wer Lust hat, darf dennoch weiterlesen…

Denn der Protagonist aus Meppen hat eine ganz eigene Erklärung dafür gefunden, warum seine Briefe trotz des eigentlich zu geringen Portos angekommen sind. Nach seinen Recherchen im Internet begründet sich dies daraus…

„… dass sich der Brieftarif durch ein Abkommen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem Weltpostverein UPU aus dem Jahr 1875 sowie dem Reichspostgesetz von 1871 ergibt, in dem die Portokosten in dem damaligen Deutschland festgeschrieben waren.

Es wird behauptet, die Bundesrepublik Deutschland wäre immer noch kein souveräner Staat, und es gelten völkerrechtlich immer noch die Gesetze des Deutschen Reiches, da es immer noch existiere, aber durch eine fehlende Regierung und deren durchführende Organe handlungsunfähig sei. (…) Die Bundesrepublik Deutschland ist seit 1954 Mitglied im Weltpostverein, das Deutsche Reich war bzw. ist es aber eben seit 1875. (…) Das bedeutet für die Deutsche Bundespost, entsprechend gekennzeichnete Briefe für ermäßigtes Porto zu befördern.“

Die Bundesrepublik Deutschland existiert gar nicht als Staat?

Es gilt noch das Recht des Deutschen Reichs??

Die Osnabrücker Zeitung bezeichnet dies zaghaft als „eine Art Verschwörungstheorie“.

Beschäftigt man sich hiermit etwas, stellt man schnell fest, dass das Internet voll von Seiten ist, auf denen die oben genannten Behauptungen aufgestellt werden. Auf solche Seiten wird wohl auch der Mann aus Meppen gestoßen sein.

Soweit man die von ihren Verfechtern, die sich oft „Reichsbürger“ nennen, über komplizierte rechtliche Interpretationen und „Beweise“ aufgebauten Theorien überhaupt in Kürze zusammenfassen kann, geht es darum, dass angeblich

  • nach dem II. Weltkrieg nie ein gültiger Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten zustande gekommen ist,
  • es keinen Nachweis gibt, dass die BRD Rechtsnachfolgerin des vorhergehenden Staates geworden ist,
  • das Grundgesetz keine Verfassung ist

und wir damit letztlich eben nicht in einer Bundesrepublik Deutschland leben, sondern es sich bei der BRD nur um ein Konstrukt der Siegermächte (oder anderer, geheimer Weltenlenker) handelt, um die Deutschen in einer „BRD GmbH“ zu verwalten.

Einige der Verfechter haben als Reaktion darauf sogar eigene „kommissarische Reichsregierungen“ gegründet .

Unserer Meinung nach erscheint es kaum plausibel, den Status der BRD als Staat und die deutsche Rechtsordnung nach dem inzwischen 65-jährigen Bestehen des Grundgesetzes noch anzuzweifeln. Zudem gibt es gibt es viele Stellen und Menschen, die sich an den Gegenbeweis gemacht haben:

  • Auf dieser Seite werden diese Theorien ausgiebig mit vielen Verlinkungen dargestellt und hinterfragt.
  • Eine intensive Auseinandersetzung der Behauptungen von „Das Grundgesetz ist keine Verfassung“ bis zu „Merkel ist Geschäftsführerin der BRD GmbH“ findet ihr auch auf dieser Seite.

Wir selbst können und wollen hier nicht auf alle Argumente und Gegenargumente zur Reichsbürgerbewegung eingehen. Im Ergebnis erscheint es uns wie so häufig so, dass sich die Anhänger von Verschwörungstheorien durch nichts auf der Welt von ihrem Glauben abbringen lassen. Gegenteilige Argumente oder Beweise werden umgedeutet. Immer weitere Verschwörungen werden erdacht, um die eigene Idee aufrechtzuerhalten – lediglich Umstände, die für die Theorie sprechen, werden akzeptiert.

Und so wird eben die Tatsache, dass manche Briefe offenbar trotz zu geringen Portos ankommen, gerne als Beweis für die Reichsbürger-Theorie genommen, statt zur einfacheren Lösung zu greifen: nämlich dass der Aufwand, jeden unterfrankierten Brief an den Absender zurück zu senden, für die Post offenbar zu hoch ist.

Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?

„Das Weltbild der Menschen, die an eine Verschwörungstheorie glauben, ist oft simpel und gehorcht der Einteilung in Gut und Böse. Hinter einem schrecklichen Ereignis wird eine böse Macht vermutet, die für alles verantwortlich ist.“ (planet wissen)

Unsere Welt ist kompliziert. Dennoch suchen viele Menschen nach einfachen Erklärungen und einem Sinn, warum etwas geschehen ist. Solche – zunächst simplen – Erklärungen („SIE waren es!“) bieten Verschwörungstheorien, weswegen sie manchmal wie ein moderner Ersatz für Religionen wirken oder funktionieren.

Verschwörungstheorien werden dann umso gefährlicher, wenn deren „Anbieter“ sich ihrer bewusst bedienen, um damit Unterstützer für ihre eigenen Ziele um sich zu sammeln. So schreibt der Verfassungsschutz Brandenburg :

„Sicherlich ist nicht jeder ‚Reichsbürger‘ automatisch als Rechtsextremist zu betrachten. Doch die ideologische Nähe und die ideologischen Gemeinsamkeiten zwischen ‚Reichsregierungen‘ und Rechtsextremisten liegen offen.“

Im obigen Text sind eine Vielzahl von Links eingebettet, unter denen ihr euch weiter über das Thema informieren könnt. Bildet euch aus möglichst vielen und unterschiedlichen Quellen eine Meinung!

 

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