Monsanto schuld am Geburtsfehler Mikrozephalie? – Ausnahmsweise einmal nicht


Autor: Ralf Nowotny
Datum: 24. Februar 2016

Wenn Großkonzerne viel verdienen und nahezu ein Monopol auf bestimmte Produkte haben, werden viele Menschen misstrauisch. Aus gutem Grund, denn wer ein Monopol hat, kann alles bestimmen: Preis, Handelsraum, Handelspartner.


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Und manchmal haben Großkonzerne auch Leichen im Keller.

Insbesondere Monsanto gerät immer wieder in die Kritik von Umweltaktivisten. Doch was ist dran an dem neuesten Vorwurf, Monsanto sei schuld an dem Geburtsfehler Mikrozephalie?

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„Verschleiern die Zika-Geburtsfehler einen Monsanto-Skandal?“

… vermeldet der von „Anonymous Ltd.“ betriebene Blog „Der Wächter“.

Demnach soll eine Gruppierung von argentinischen Ärzten behaupten, dass der Geburtsfehler Mikrozephalie, bei dem Babys mit einem zu kleinen Kopf geboren werden, durch eine Chemikalie namens Pyriproxyfen ausgelöst wird, welche in das Trinkwasser eingespeist wurde. Hergestellt wird diese Chemikalie von der japanischen Firma Sumitomo, welche das japanische Pendant zu Monsanto sein soll.

Was ist Mikrozephalie?

Dabei handelt es sich um einen Geburtsfehler mit der Wahrscheinlichkeit von 1.6:1000, bei der der Kopf bis zu dreimal kleiner ist als die mittlere Größe eines Kopfes bei einem Menschen gleichen Alters und Geschlechts. Damit einhergehend ist eine geistige Behinderung.

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Bildquelle: Wikipedia

Was ist Pyriproxyfen?

Dies ist ein sogenanntes Larvizid, also ein Pestizid, welches u.a. gegen Mücken eingesetzt wird. Durch Pyriproxyfen kann sich die im Wasser lebende Mückenlarve nicht mehr zu einer ausgewachsenen Mücke weiter entwickeln.


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Was hat Pyriproxyfen im Trinkwasser verloren?

„Aedes aegypti“ ist sozusagen der Staatsfeind Nr. 1 Brasiliens. Jene Mückenart soll für den epidemieartigen Ausbruch des Zika-Virus verantwortlich sein, der ebenfalls an Mikrozephalie schuld sein soll. Deswegen wird jenes Larvizid in sehr geringer, lt. der WHO für Menschen unschädlichen Menge, auch dem Trinkwasser in Teilen Brasiliens beigemengt, um eine Infektion durch lebende Mückenlarven im Trinkwasser einzudämmen.

Kann Pyriproxyfen der Auslöser für Mikrozephalie sein?

Die Vermutung klingt logisch: Es kommt zu Geburtsdefekten bei Insekten, also könnte es auch Schuld an Geburtsfehlern bei Menschen sein. Dass Biologie allerdings so einfach nicht funktioniert, sollte klar sein, schließlich helfen bei Mücken auch Fliegenklatschen, bei Menschen klappt das auch nicht so einfach (für euch an unserem Chef getestet).

Die Ärztegruppierung „Physicians in the Crop-Sprayed Towns“ hat da natürlich noch andere Argumente: So sollen Fälle von Mikrozephalie an jenen Orten ungewöhnlich hoch sein, in denen auch Pyriproxyfen dem Trinkwasser beigegeben wird.

Wie ist die Beweislage?

Da liegt das Problem: Es gibt keine Beweislage, sondern nur eine Vermutung. Wie auch das „Wall Street Journal“ berichtet, gibt es keinerlei Nachweise für den geographischen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Pyriproxyfen und dem erhöhten Auftreten von Mikrozephalie. Auch gibt es keinerlei Studien oder Laborergebnisse über den Zusammenhang zwischen Pyriproxyfen und Mikrozephalie. Im Gegenteil tritt in Brasilien Mikrozephalie auch in Gebieten auf, in denen kein Pyriproxyfen dem Trinkwasser beigegeben wird. Der wahrscheinlichste Kandidat für jenen Geburtsfehler ist derzeit immer noch das Zika-Virus. Allerdings wurde jener bereits 1947 entdeckt, doch erst jetzt kommt es zu vermehrten Geburtsfehlern. Die Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und Mikrozephalie werden noch einige Monate andauern.

Und was hat Monsanto damit zu tun?

Laut dem „Wächter“ ist die Herstellerfirma des Larvizids Pyriproxyfen die Firma Sumitomo, da japanische Pendant zu Monsanto. Somit soll, so die Schlussfolgerung, im Prinzip Monsanto schuld sein. Nun haben wir zwar oben schon dargestellt, dass Pyriproxyfen wahrscheinlich nichts mit dem erhöhten Auftreten von Mikrozephalie zu tun hat, jedoch wollen wir Monsanto und Sumitomo noch ein wenig näher beleuchten.

Wie auch „Der Wächter“ in seinem Artikel relativiert, ist Sumitomo nicht in etwa das japanische Monsanto, sondern Monsanto und Sumitomo sind „strategische Partner“ seit 1997. Die Seite „Tech Times“ berichtete am 14. Februar 2016 erstmals von einem möglichen Zusammenhang zwischen Monsanto und Pyriproxyfen. Monsanto selbst allerdings stellt keine Larvizide her, die strategische Zusammenarbeit mit Sumitomo beschränkt sich auf die Entwicklung und den Vertrieb von Unkrautvernichtungsmitteln.

Monsanto als Firma und Schuldiger kam erst durch die Äußerung jener Ärztegruppe ins Visier, dass Sumitomo ein Subunternehmen von Monsanto sei, Monsanto selbst hat dieser Behauptung bereits einen Tag später widersprochen.

Fazit:

Die Untersuchungen zum Geburtsfehler Mikrozephalie dauern noch an. Vermutet wird als Auslöser das Zika-Virus, welches in einer Vielzahl von Neugeborenen mit dem Geburtsfehler und den Müttern nachgewiesen werden konnte, allerdings nicht in allen, bei über 3.800 Fällen ist die Ursache noch unklar. Die Behauptung, dass das Larvizid Pyriproxyfen Schuld sei an Mikrozephalie, kommt von einer Gruppe argentinischer Ärzte, die allerdings keinerlei Beweise dafür vorgelegt haben. Und Monsanto hat mit Pyriproxyfen überhaupt nichts zu tun, jenes Larvizid kommt von deren strategischen Partner Sumitomo, welche dieses Mittel bereits seit 20 Jahren in 40 Ländern verkauft, ohne dass es bisher zu gesundheitlichen Schäden kam.

Monsanto ist also in diesem Fall wirklich unschuldig, auch wenn das sicher einigen im Netz aktiven Frauen (und Männern) nicht gefallen wird.

Autor: Ralf, mimikama.org

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