Gefälschter Reis? Der Mythos vom Plastikreis.

Autor: Kathrin Helmreich

Die Geschichte des Horrorreises ist zurück. Gibt es ihn wirklich? Den Plastikreis?

Wir erhielten erneut Anfragen zu einem Thema, das sich nunmehr 7 Jahre im Internet hält. Als Video aufbereitet, warnt es vor Plastikreis, der sich in die Supermärkte eingeschlichen haben soll:

Internet Nutzer sind sich unsicher, ob es wirklich stimmt, was über den Plastikreis berichtet und gezeigt wird. Die Angst, diesen Fake-Reis in naher Zukunft auch auf dem heimischen Teller serviert zu bekommen, ist groß.

Also was ist dran am Plastikreis?

Um den Plastik-Reis ranken sich viele Mythen – und auch Medienberichte.

Dass die Chinesen gerne mal etwas kopieren, ist nun mal kein Geheimnis, aber Reis? Nach dem Milch-Skandal 2008 ist man bei der Lebensmittelherstellung in China vorsichtiger geworden.

Mit der Frage, ob das denn mit dem Plastikreis stimmen mag, finden wir einen Link zu einer Webseite, die behauptet, dass die Korean Times behauptet, dass nun sogar der Reis künstlich hergestellt werden würde…

“Dabei wird Kartoffelstärke mit Plastik (z. B. Epoxid-Harz) gemischt und anschließend zu Reiskörnern gepresst.”

Dieser “Fake-Reis” soll auch nach dem Kochen noch steinhart sein und beim Verzehr von 3 Schüsseln Reis soll man bereits den Plastikgehalt einer Tüte zu sich genommen haben.

Reis-Skandal mit langer Tradition

Vor sieben Jahren tauchte der Begriff “Artificial Rice” bzw. “Plastic Rice” in verschiedenen Artikeln auf.

Im Februar 2011 erschienen zum Beispiel auf Raw Story und The Mary Sue Artikel, die sich beide als Quelle auf eine Webseite namens Very Vietnam beziehen. Very Vietman ist nicht mehr erreichbar, die Webseite steht zum Verkauf. Raw Story bezieht sich auch noch auf die Quelle China’s Global Times, die ebenfalls nicht mehr existiert.

Auch der Artikel der Korean Times stammt aus dem Jahre 2011.

Raw Story und die Korean Times geben beide als Quelle zusätzlich die auf koreanisch geführte Webseite Weekly Hong Kong an, die wiederum als Quelle “Singapore Media” angibt. Und hier verläuft sich die Spur im Sand. Denn es ist nicht nachvollziehbar, wer diese “Singapur Media” ist oder war oder wo offiziell die Aussage getroffen wurde, dass “Fake Reis, der aus Plastik gemacht wurde, auf Chinas Märkten enorm verkauft wurde”.

Vier Jahre lang kursiert die Geschichte des Plastikreis und wird mal mehr, mal weniger verformt, geändert, Informationen unterschlagen, ohne Quellen zitiert, gegenseitig zitiert, etc… oder als Artikel oder Aufhänger für andere Sachen benutzt.

Doch es gibt keine offiziellen Belege darüber, dass irgendjemand diesen Plastikreis schon einmal wirklich verzehrt hätte.

Bis zum Jahre 2015!

Anfang des Jahres 2015 wurden in Vietnam die Gerüchte um den Plastikreis so stark forciert, dass sich endlich offizielle Stellen (VFA) zu Wort meldeten und sich auf die Suche nach dem Plastikreis begaben.

Leiter der Vietnam Food Administration (VFA), Dr. Nguyen Thanh Phong, verkündete schließlich, dass bisher kein “Fake-Reis” in Vietnam zu finden sei. Händler und Konsumenten wurden dennoch dazu aufgerufen, sich bei der Polizei oder der VFA zu melden, wenn ihnen ungewöhnlicher Reis in die Hände fallen sollte.

Und schließlich wurde etwas gefunden, aber an ganz anderer Stelle: nämlich auf den Philippinen.

In einer Reisprobe mit einem Gewicht von 25 Gramm wurden Spuren von Dibutylphthalat (DBP) gefunden, eine chemische Verbindung, welche unter anderem als Weichmacher für PVC und zur Reinigung von Gasgemischen und organischen Verbindungen eingesetzt wird.

Klingt erst mal super gefährlich, hat aber jeder von uns schon mal in Form von Pillen zu sich genommen. DBP ist nämlich auch ein Zusatzstoff in Plastikhüllen medizinischer Pillen, damit diese sich erst im Darm auflösen.

Keine Frage, dieser Zusatzstoff hat eher wenig etwas in Reis zu suchen, also untersuchte die philippinische National Food Authority (NFA) den Fund und schickte mehrere Reisproben an das Food Development Center (FDC), das philippinische Rice Research Institute (Philrice), das International Rice Research Institute (IRRI), das Research Institute for Tropical Medicine (RITM) und das Department of Health (DOH).

Und welche Ergebnisse erhielt NFA?

  • Philrice führte eine DNS-Analyse an der Probe vor und fand Reis-DNS.
  • IRRI sagte aus, die Probe sei näher an Reis als an Süßkartoffeln oder Maisstärke.
  • RITM berichtete, dass der untersuchte Reis sich in seiner Struktur und Form von normalem Reis unterscheide, allerdings lag dies wohl daran, dass er mehrfach gefroren und erhitzt worden war.

Die NFA sagte schlussendlich gemeinsam mit dem FDC aus, dass jene Probe tatsächlich mit Spuren von Plastik kontaminiert war, welches wohl von einer unsachgemäßen Behandlung des Reis herrührte, die eigentlich dazu dienen sollte, den Reis vor Verunreinigung zu schützen.

Als Konsequenz wurden stärkere Kontrollen der Märkte angekündigt, weitere kontaminierte Reisprodukte sind nicht aufgetaucht.

Und heute?

Noch immer wird der Plastikreis in diversen Artikeln als existent bezeichnet.

Auch anderswo, wie zum Beispiel in Gambia soll Plastikreis aufgetaucht sein. Dies konnte aber nicht bestätigt werden.

Sogar Videos wurden in Umlauf gebracht, die die Herstellung von “Fake-Reis” beweisen sollen. Verlinken werden wir solche Videos nicht, aber jenes Ursprungsvideo:

Es handelt sich nämlich um Werbevideos diverser chinesischer Firmen, die Recycling-Maschinen für Plastikabfall verkaufen.

Wie man im Video erkennen kann, werden aus dem Plastik kleine Körnchen, die tatsächlich ein wenig wie Reis aussehen und lustigerweise ist das chinesische umgangssprachliche Wort für dieses Granulat tatsächlich „Plastikreis“.

Im September 2017 erschien sogar eine Reportage der Wissenssendung Galileo zu dem berühmt berüchtigten Plastikreis. Ein Reporter machte sich auf den Weg nach China und kam zu einem ähnlichen Ergebnis:

Der Jahresbericht der ESFA 2016

Aber da gibt es doch noch was zu sagen…

Es gibt einen Jahresbericht der Europäischen Behörde für Lebensmittel (EFSA) aus dem Jahr 2016, der tatsächlich vor “Artificial Plastic Rice” warnt.

Was ist damit?

Der Bericht bezieht sich auf das Jahr 2015, er warnt vorsorglich(!) vor dem Plastikreis (wie es ja auch die Pflicht der EFSA ist) und dient nicht als Beweis, dass es ihn tatsächlich gibt.

Denn es gibt keinen offiziellen Fund von Plastikreis, der aus Kartoffelstärke und Plastik besteht.

Ergebnis:

Es konnte nie bestätigt werden, dass Plastikreis produziert, verkauft oder gar gegessen wurde.

Auch an anderen Stellen geht man schon sehr lange von einem Hoax aus, der sich seit nunmehr sieben Jahren hartnäckig hält.

Die Existenz von Plastikreis ist somit nicht bewiesen.

In Europa gab es zumindest noch niemanden, der sich öffentlich dazu bekannt hat, in heimischen Supermärkten Plastikreis gekauft zu haben.

Wer dennoch auf Nummer sicher gehen möchte, der kann Folgendes ausprobieren, um seinen Reis zu checken:

Man teste seinen Reis einfach selbst: Sinken die Reiskörner im Wasser zu Boden, handelt es sich um echten Reis. Sollten die Reiskörner jedoch an der Oberfläche schwimmen (nicht nur vereinzelte Körner), dann müsste der Reis Plastik enthalten.

Wahlweise kann man auch ein wenig mit Chemie experimentieren, wie Osman Mohuddin, Lebensmittel-Qualitätskontrolleur, anschaulich zeigt:

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Man nehme ein wenig Reis und gebe ihn in eine Schale. Dann gibt man 20 ml Methylen Blau hinzu, wasche das Ganze mit Salzsäure und gebe hiernach 20 ml Methylen Gelb hinzu. Die Farbe des Reis sollte sich nun grünlich färben. Wenn der Reis jedoch weiß bleibt, handelt es sich nicht um normalen Reis.

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