FROM VERO TO ZERO? – Netzwerk-Revolution oder Nullnummer?

Autor: Tom Wannenmacher

Das neue soziale Netzwerk: VERO

Ein „neues“ soziales Netzwerk ist seit einigen Tagen in aller Munde – Vero, lateinisch für „Wahr“, mit dem Zusatz „True Social“ verspricht, alles besser zu machen als Facebook & Co. – deren Nutzer mittlerweile fast mehr Frust als Lust mit „ihrem Netzwerk“ verbindet. In diese Bresche will „Vero“ springen, eine „neue“ App ausschließlich für Mobilgeräte. In ihrem „Manifesto“ verkünden sie denn auch mit mehr als nur einem Haucht Pathetik ihren Gegenentwurf zu den etablierten Netzwerken:

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…THEY (Online Social Networks) OFFERED THE PROMISE OF CONSTANT CONNECTION AND THE MEANS TO KEEP IN TOUCH WITH FRIENDS AND TO SHARE WHAT’S HAPPENING IN OUR LIVES. BUT AS TIME PASSED, AN IMBALANCE BEGAN TO FORM BETWEEN THE INTERESTS OF THE PLATFORMS AND THE BEST INTERESTS OF THE USERS. AND A FALSE SENSE OF CONNECTION LEFT US LONELIER THAN EVER.“

„Sie versprachen eine beständige Verbindung und die Möglichkeit, mit Freunden in Verbindung zu bleiben und sich über ihr Leben auszutauschen.
Aber mit der Zeit stellte sich ein Ungleichgewicht zwischen den Interessen der Plattformen und dem ein, was das Beste für die User gewesen wäre.
Und ein falsches Verständnis von Verbundenheit ließ uns einsamer denn je zurück.“

*Übersetzung der Redaktion

Das will Vero besser machen.

Sie versprechen, den Newsfeed keinem Algorithmus, sondern allein den Bedürfnissen der Nutzer anzupassen. Diese sollen bei der Auswahl des Publikums für ihre geteilten Inhalte zwischen vier verschiedenen Gruppen, von „engen Freunden“ bis hin zu „öffentlich“ wählen können.

Keine Werbung soll es geben:

WE MADE OUR BUSINESS MODEL SUBSCRIPTION-BASED. MAKING OUR USERS OUR CUSTOMERS, NOT ADVERTISERS.“

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Die Nutzer sollen ein „geringes Entgelt“ nach dem Abonnementmodell zahlen, somit würde verhindert, dass sie, wie dies bei den Geschäftsmodellen der bestehenden Netzwerke Usus ist, mit ihren Daten zu Werbezwecken „zahlen“; überhaupt plane man „keine Sammlung und Weitergabe von Daten zu kommerziellen Zwecken“.

Bei seiner Gründung im Jahr 2015 hatte das Unternehmen der ersten Million registrierter User „freie Nutzung auf Lebenszeit“ versprochen. Dennoch war das Interesse der Internet-Gemeinde eher mäßig, zu viele neue Sterne hatte man schon aufgehen und wieder verglühen sehen, zu übermächtig war die Schwerkraft der damals schon Abermillionen Nutzer zählenden Giganten wie Facebook und Instagram, die VERO angreifen möchte.

Doch seit einigen Tagen kommt „Vero“ eine derart geballte Aufmerksamkeit zu, dass die Server des 26 Angestellte zählenden Unternehmens mit Sitz in Großbritannien dem Ansturm nicht gewachsen waren. Ausgelöst wurde der Hype vor allem durch sogenannte „Influencer“, die vorgeblich frustriert durch die Anpassung der Algorithmen auf Facebook und Instagram letzteren den Rücken kehrten und ihren Wechsel zu VERO in ihren Postings verkündeten.

Tausende Follower, die vergeblich versucht hatten, einen Account anzulegen, berichten von Schwierigkeiten, wenn nicht gar der Unmöglichkeit, sich zu registrieren. Als Entschuldigung bietet VERO an, die kostenlose Anmeldung bis auf weiteres fortzusetzen – niemand weiß zu sagen, ob die Aussicht auf eine spätere Gebührenpflicht ernst gemeint oder lediglich ein cleverer Werbegag war, um möglichst viele Nutzer mit dem Nulltarif zu ködern und ob die „Anführer“ der plötzlichen Exodus-Bewegung aus eigenem Antrieb gehandelt haben.

Inzwischen hat sich auf breiter Basis bereits eine Gegenbewegung entwickelt, ausgelöst durch das Wachstum der Plattform und die Ernüchterung der User, die sich einerseits besagten technischen Problemen und zum anderen im berühmten „Kleingedruckten“ Nutzungsbedingungen und Datenschutzregelungen gegenüber sahen, die das „Manifesto“ mit seinen vollmundigen Ankündigungen zu konterkarieren scheinen.

Verspricht VERO auch bislang, auf einen anbieterseitigen Algorithmus zu verzichten, wird schnell klar, dass dieser mit wachsenden Userzahlen zwingend notwendig wird, um den Nachrichtenstrom mengenmäßig einzudämmen und überschaubar zu halten.

Die Auswahl des Publikums ist auch bei anderen sozialen Netzwerken möglich, so zum Beispiel bei Facebook oder Google+ und damit weiß Gott keine Revolution.

Überdies beinhalten die Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen Klauseln, die auf jeden Fall hellhörig machen sollten: Was die Übertragung von Rechten anbelangt, geht VERO weiter als jedes andere Netzwerk bisher und lässt sich unwiderruflich unter anderem die Modifizierung, öffentliche Aufführung, Übersetzung und teilweise Nutzung zur Schaffung neuer Werke „und andere Verwendungszwecke“ einräumen:

3. User Content Ownership and License

As between you and Vero, you retain any and all right, title and interest in and to the User Content you create, post, or otherwise make available through the Service. We claim no ownership rights over your User Content.

In accordance with your choice of the privacy settings offered by the Service, by posting or otherwise making available any User Content on or through the Service, you hereby grant, and you represent and warrant that you have all rights necessary to grant, to Vero a limited, royalty-free, sublicensable, transferable, perpetual, irrevocable, non-exclusive, worldwide license to use, reproduce, modify, publish, list information regarding, translate, distribute, syndicate, publicly perform, publicly display, make derivative works of, or otherwise use your User Content,…

Und damit nicht genug: Wer einen Vertrag mit VERO abschließt, willigt damit ein, dass auch jedem anderen User, der seine Inhalte qua Publikumsauswahl sehen kann, weitgehende Rechte am Material eingeräumt werden – einschließlich dem Recht, diese Inhalte nach Belieben zu modifizieren und zu teilen.

2. User Content

Some areas of the Service allow Users to post or provide content such as profile information, videos, images, music, comments, questions, and other content or information (any such materials a User submits, posts, displays, or otherwise makes available on the Service is referred to as “User Content”). We claim no ownership rights over User Content created by you. The User Content you create remains yours; however, by providing or sharing User Content through the Service, you agree to allow others to view, edit, and/or share your User Content in accordance with your settings and this Agreement. …

Aufgefallen ist dies aufmerksamen Reddit-Usern,…

„However, on their policy page it says: „The User Content you create remains yours; however, by providing or sharing User Content through the Service, you agree to allow others to view, edit, and/or share your User Content in accordance with your settings and this Agreement. “ Does that mean if I post my art there, people can technically take it and edit it however they want to?“

(„Aber auf Ihrer Richtlinienseite heißt es: Der von dir geschaffene Inhalt bleibt Dein Eigentum; durch die Verfügbarmachung oder das Teilen auf der Plattform erlaubst du anderen, diese Inhalte anzusehen, zu verändern und/oder zu teilen, je nach Deinen Einstellungen und dieser Vereinbarung. Heißt das, wenn ich meine Werke da poste, können die Leute sie nehmen und sie verändern, wie sie wollen?“)

*Eigene Übersetzung der Redaktion

… sowie der Online-Redaktion des Frauenmagazins Brigitte:

„Kritik gibt es übrigens von Bloggern an der App: In den Nutzungsbedingungen steht, dass die Rechte an allen Inhalten, die man hochlädt, an die App-Betreiber und andere User übergehen – und die damit quasi tun könnten, was sie wollen.“

Überträgt man also das Urheberrecht an seinen Inhalten der Plattform?

Pro Forma nicht; Urheberrecht ist ein rein deutsches Phänomen und per Gesetz nicht übertragbar. Man bleibt weiter berechtigt, seine Inhalte ebenfalls in jeder gewünschten Weise zu nutzen, überträgt aber praktisch denselben Umfang dem Unternehmen.

Ob diese Regelungen, insbesondere unter den Vorzeichen der am 28. Mai in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung (mimikama berichtete) überhaupt anwendbar sind, muss sich noch herausstellen. Eine Warnung, besonders an professionelle Kunstschaffende, Inhalte VERO anzuvertrauen, sollte es allemal sein und auch dem „normalen“ User drängt sich ein bitterer Beigeschmack auf.

Auch der Gründer des Unternehmens, der libanesische Milliardär und Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten, Ayman Hariri, über den bekannt ist, dass er für ein bankrott gegangenes Bauprojekt tausenden von Angestellten über Monate Lohn und Verpflegung verweigert hatte, wirkt nicht eben Vertrauen erweckend.

In dieses Bild passen seine respektlosen Äußerungen über User, die vergeblich versuchten, ihren Account wieder zu löschen, was bis dato nicht möglich ist:

„Denn Gründer Hariri scheint nicht so recht zu glauben, dass Leute sein schönes neues Netzwerk wirklich wieder verlassen wollen. Er kündigte zwar an, die Löschfunktion bald zu vereinfach. Viele Nutzer änderten aber angeblich nach einer Lösch-Anfrage wieder ihre Meinung, sagte er Mashable: „An einen Tag wollen sie gelöscht werden, aber dann überlegen sie es sich wieder anders.“ (bento)

Und was den Datenschutz angeht:

Ohne Angabe der Mobilnummer kein Account. Angeblich wegen besserer Verifizierbarkeit. Hier muss sich nun jeder selber überlegen, auf was er sich einlässt. Ob VERO tatsächlich eine gangbare (und wünschenswerte) Alternative oder wieder mal eine Eintagsfliege ist – es wird keine weiteren drei Jahre dauern, bis Interessenten darüber Klarheit erlangen können.

Wer sich nun unbedingt anmelden will (und kann) sollte darauf achten, dass er seine Privatsphäre so eng wie möglich gestaltet, wenn möglich nur persönlichen Bekannten Zugang zu seinen Inhalten verschafft. In Anbetracht der Nutzungsbestimmungen ist dies die einzige Möglichkeit, eine wenigstens marginale Kontrolle über seinen Content zu behalten.

Autor: Dagmar K., mimikama.org

Quellen.

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