Die Urban Legend von den zwei „Asylanten“ an der Tankstelle – Rebooted

Autor: Ralf Nowotny

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Schier unglaubliche Geschichten erfährt man auf Facebook. Gerüchte und Dramen, die einfach wahr sein müssen, denn ein Bekannter eines Freundes hat es selbst erlebt. Dank dem Internet und sozialen Netzwerken verbreiten sich diese urbanen Legenden noch viel weiter, doch Lügen haben kurze Beine….

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So lasset euch erzählen die Geschichte von gar garstigen Flüchtlingen, einem polizeilichen Begleitdienst und der Lügenpresse.

„Ich muss wieder was los werden. Folgendes ist in Bayreuth passiert. Eine Frau fährt zur Tankstelle zum tanken. Sie ist fertig und geht hinein zum bezahlen. Sie kommt raus geht zu ihren Auto will einsteigen und dann erschrak sie. Sitzen in ihren Auto drei Asylanten hinten drin und fordern mit gebrochen deutsch die Frau auf sie nach Weidenberg zu fahren. Sie forderte die Asylanten auf sofort das Auto zu verlassen. Die weigerten sich. Die Frau holte den Tankstellenpächter zur Hilfe. Die Asylanten weigerten sich immer mehr. Die Frau rief letzt endlich die Polizei und als sie kamen forderten sie die Asylanten auf das Auto zu verlassen. Die Deppen weigerten sich wieder. Und jetzt kommts. Die Polizisten sagten zu der Frau das sie doch die Asylanten nach Weidenberg fahren soll und wir fahren hinterher. Hallo?? Gehts noch? Doch die Frau fuhr nach Weidenberg. Als sie heim kam erzählte sie ihren Mann was passierte. Dieser war zurecht stinksauer auf die Asylanten und der Polizei. Er konnte sich kaum beruhigen und er kündigte einen Artikel im Nordbayrischen Kurier an über das Geschehen und das was das deutsche Volk sich gefallen lassen muss. Der Mann schrieb den Artikel fertig und brachte ihn zur Redaktion des Nordbayrischen Kuriers. Der von der Redaktion laß den Artikel und sagte zu den Mann. Und jetzt kommt das andere. Es täte ihm leid und er kann den Artikel nicht drucken. Hallo? Sind wir schon soweit das uns die Regierung vorschreibt was wir sagen, denken und zu tun haben? Wird sogar in den ländlichen Raum die Presse angehalten keine Artikel über negative „Einzelfälle“ von Asylanten zu berichten? Wie weit sind wir gekommen mit dieser misserablen korrupten deutschen Regierung? Es ist eine Schande das das deutsche Volk so mit den Füßen getreten wird. Von einer Regierung die hoffentlich bald weg geräumt wird. Ich komme zum Schluss bevor ich mich noch mehr rein steigere und noch wütiger werde. Aber eines noch. Wäre es mir passiert dann hätte ich beim dritten Auffordern Hand angelegt. Und mit Sicherheit wenn sich einer von den drei sich gewehrt hätte, er würde sein Heimatland nie mehr senkrecht betreten.“

So steht es geschrieben, so wird es auch gewesen sein… oder?

Gar merkwürdig kam uns jene Weise vor, so dünkte es uns, dies Treiben von immigrierten Personen und dem helfenden Handeln des Arms des Gesetzes vor gar nicht allzu langer Zeit schon einmal zu Gehör bekommen zu haben.

Und tatsächlich: Unser Archivar fand in den verstaubten Archiven einen Statusbeitrag aus dem Buch der Gesichter im Jänner 2016, der ein ähnliches Ereignis zu erzählen weiß:

„Liebe Leute lasst Eure Mütter/Schwiegermütter/Freundin nicht mehr tanken fahren, denn folgendes ist hier in Waiblingen (bei Stuttgart) passiert: ……Vom Freund seinem Geschäftskollegen war die Schwiegermutter tanken, ging zur Kasse bezahlen und als Sie zurück kam, saßen in Ihrem Auto 2 Asylanten mit einem Schild: „Fahren sie uns bitte nach Backnang!”—-Die Frau rief die Polizei an,diese kam vorbei und sagte Ihr: “Sorry das müssen Sie tun um keinen Ärger zu bekommen. Wir begleiten Sie!”….Gesagt getan….Polizist saß auf Ihrem Beifahrersitz und Streifenwagen fuhr in Begleitung hinterher……Also stellt Euch ein auf kostenlose Taxifahrten…..Hundebesitzer haben da wohl mehr Glück—Kein Witz pure REALITÄT und die Asylanten bekommen vom BRD-Staat auch noch den Führerschein bezahlt, also Bus und Bahnfahrten kostenlos ist anscheinend nicht ausreichen!!!!!“

Vielleicht ein Zufall? Wir blätterten weiter zurück und fanden, datiert auf den November 2015, auf Stimme.de abermals etwas:

„In Gaildorf tankte eine Frau und ließ, während sie zahlte, ihr Auto unverschlossen stehen. Als sie zurückkam, saßen drei Asylanten drin, und verlangten wohingefahren zu werden. Sie forderte dieselben auf, ihr Auto zu verlassen, was diese nicht taten. Da rief die Frau die Polizei, die kam und unternahm was? Sie sagte zu der Frau, sie solle sich nicht so anstellen und die Drei fahren! Daraufhin fuhr die Frau die drei Asylanten unter Todesangst wohin sie wollten. Was ist das für eine Polizei???!!!“

Im März des Jahres 2016 kursierte diese Geschichte auch in Bamberg, wie „Nordbayern.de“ niederschrieb.

Bayreuth, Waiblingen, Gaildorf, Bamberg

Wir haben hier viermal eine fast identische Geschichte, die sich nur in Details und vom Ort her unterscheidet. Das ist schonmal verdächtig, aber da der Ersteller der ersten Geschichte so ausführlich die Geschehnisse schilderte, inklusive der Zeitung „Nordbayerischer Kurier“, war es doch recht einfach, der Sache mal auf den Grund zu gehen.

Das Lügenkonstrukt zerbröckelt…

Der „Nordbayerischer Kurier“ fühlte sich durch jene Erwähnungen natürlich in ein falsches Licht gerückt, auch „Reporter24“ begab sich auf Spurensuche, und die Polizei fragte sich ebenfalls, welche Bediensteten das gewesen sein sollen.

Ein Blick auf das Profil des Erstellers ließ erst einmal aufhorchen. So schreibt „Reporter24“:

„Der bekennende Ausländerfeind ist AfD Wähler und postet regelmäßig Hassparolen und Hetze im Internet. Die nachstehende Geschichte mit den drei Asylbewerbern ist falsch. Auch bei der Polizei wurde ein solcher Fall nie vorgetragen.“

Es wurde aber noch weiter gebohrt, und der Ersteller wurde persönlich kontaktiert.

„Keine Ahnung, aaaaaaaber……“

Woher kam die Geschichte? – Von der Nachbarin
Wie lautet ihr Name? – Wisse er nicht
Woher hat sie die Geschichte? – Vom Mann der Frau mit dem Auto
Wie ist der Name des Mannes? – Wisse er nicht
An Welcher Tankstelle geschah dies? – Wisse er nicht

Und warum verbreitet er nun eine Geschichte auf Facebook, über die er absolut keine genaueren Informationen hat?

„Weil das in unserem Land nicht so weitergehen kann. Wir sind doch nicht deren Sklaven. Außerdem ist es doch bekannt, dass die Presse keine schlechten Nachrichten über Ausländer verbreiten darf!“

Mittlerweile hat der Ersteller seinen Beitrag gelöscht und sich beim „Nordbayerischen Kurier“ entschuldigt. Er habe die Geschichte von mehreren Bekannten gehört und sei von deren Echtheit ausgegangen. Zusätzlich betonte er gegenüber dem Kurier, dass er nicht fremdenfeindlich eingestellt sei.

Fazit

Nun mag der Ersteller zwar dem Kurier gegenüber betont haben, er sei nicht fremdenfeindlich eingestellt, sein Profil wiederum spricht Bände. Man kann davon ausgehen, dass er diese Geschichte auch deswegen für glaubhaft hielt und verbreitete, weil sie seine Vorurteile und Ängste schürte, genau so funktionieren viele urbane Legenden.

Die Polizei Oberfranken konnte dem Kurier ebenfalls bestätigen, dass ein solcher Fall nie zur Anzeige gebracht wurde und die im Text beschriebene Reaktion der Polizisten „abstrus“ sei. Ihnen war die Geschichte bereits aus anderen Städten bekannt, so dass schon Monate vorher danach geforscht wurde.

Ein kleines Nachwort

Uns ist diese Geschichte übrigens auch bekannt, denn man erzählte sie sich bereits in den 80er Jahren:
Damals jedoch waren es Türken oder Zigeuner, die sich ins Auto drängten und befördert werden wollten. Das zeigt sehr gut: Die Angst vor dem „bösen Ausländer“ gibt es seit Jahrzehnten. Ob es ein Türke, ein Zigeuner oder ein Syrer ist, grundsätzlich wird einem unbekannten Menschen aus einem fremden Land mit einer fremden Sprache Schlechtes zugetraut.

Und seit Jahrzehnten werden solche Ängste in Geschichten verpackt und weiterverbreitet, früher von Person zu Person, heute von Facebook-Profil zu Facebook-Profil. Für die Verbreiter klingen diese Geschichten nie abstrus, sie erscheinen ihnen logisch. „Es könnte ja sein“ und „zuzutrauen ist es denen aber“ hört und liest man dann als Rechtfertigung.

Wir leben im Informationszeitalter. Technisch gesehen kann sich jeder Mensch über alles Mögliche sehr gut informieren. Theoretisch sollten wir also ein Planet voller kluger Menschen sein.
Leider ist die Technik aber weiter entwickelt, als das Wesen der Menschen. So finden sich in den Fluten der Informationen auch viele Lügen und Halbwahrheiten.

Der Mensch im Internet muss lernen, die Lügen von den Wahrheiten zu unterscheiden, die Spreu vom Weizen trennen zu können. Dann, und erst dann, wird das Informationszeitalter für alle beginnen.

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