Deutsche Krankenkassen zahlen für türkische Angehörige – Nur auf dem ersten Blick ungerecht

Autor: Ralf Nowotny

Derzeit ist es ja geradezu Pflicht, sich über Etwas aufzuregen. Am Beliebtesten sind da natürlich Flüchtlinge, die immer wieder mit teilweise erfundenen Vergewaltigungen in zweifelhaften Medien stehen. Die „Epoch Times“ fand wohl nicht schnell genug etwas und echauffiert sich deshalb über ein über 50 Jahre altes Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei.

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„Seit 50 Jahren sind nach dem „Deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen“ in der Türkei lebende Angehörige von hier lebenden krankenversicherten Türken kostenlos mitversichert – auch die Eltern.“

…schreibt die „Epoch Times“. Und weiter heißt es:

„Nach dem „Deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen“, das am 30.4.1964 in Kraft getreten ist, sind in der Türkei lebende Angehörige von hier lebenden krankenversicherten Türken kostenlos mitversichert. Bisher wurde das Abkommen nicht verändert oder außer Kraft gesetzt.“

Warum ist das so?

Viele Leser werden spätestens nach den ersten Absätzen in dem Artikel wahrscheinlich schon wutschnaubend einen erbosten Facebook-Posting im Kopf schreiben und nicht weiter lesen. Eigentlich schade, denn jener Artikel ist ausführlich und zitiert auch noch andere Quellen. Leider hinterlässt er einen schalen Nachgeschmack, da sich viele Deutsche dadurch nun benachteiligt fühlen. Und angesichts leerer Kassen bei den Krankenversicherungen ist das ein richtiger Aufreger. Aber es gibt schon Gründe, warum jenes Abkommen immer noch besteht.


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Entstanden ist diese Regelung 1964. Die Mauer zwischen Ost- und West-Deutschland stand seit drei Jahren, in West-Deutschland herrschte dadurch ein Mangel an Arbeitskräften. Deswegen wurden in der Türkei Gastarbeiter mit attraktiven Sozialleistungen angeworben: „Du arbeitest hier, deine Familie in der Heimat kannst du mitversichern“. Die Betonung liegt auf kannst, denn automatisch geschieht das nicht. Und da kommen wir schon zu einem wichtigen Punkt!

Familienversicherung

Es ist mitnichten so, dass die Familie jedes in Deutschland lebenden Türken automatisch mitversichert ist. Dafür muss jener Gastarbeiter eine sogenannte Familienversicherung abschließen, welche auch von den Beiträgen her höher ist. Dies ist übrigens auch für jeden Deutschen natürlich möglich. Solange Ehepartner und Kinder nicht berufstätig sind, werden Krankenkosten von der Familienversicherung getragen. Der Unterschied zu türkischen Gastarbeitern ist aber, dass deren Familien im Ausland leben, und auch die Eltern, so sie nicht berufstätig sind, mitversichert sind.

Ungerecht?

Sollte man zuerst meinen. Aber schauen wir mal, wie es in der Praxis aussieht:
Wenn ein Deutscher zum Arzt geht, dann kann er die Rechnung von der Krankenkasse bezahlen lassen, egal ob Schnupfenmittel oder teure Operation. Damit nun aber die Krankenkassen nicht auch noch mit Rechnungen aus der Türkei überhäuft werden, wird dies folgendermaßen geregelt:

Deutschland handelt jedes Jahr einen Pauschalbetrag mit den türkischen Krankenversicherungen aus. Jener Betrag errechnet sich aus den durchschnittlichen Behandlungskosten für Patienten in der Türkei, welche 2011 bei 48,50 Euro lagen. 2009, lt. Spiegel liegen keine aktuelleren Zahlen vor, wurden dadurch rund 10 Millionen Euro an türkische Krankenversicherungen überwiesen. Das ist fast nichts im Vergleich zum deutschen Gesundheitssystem, welches jährlich 165 Milliarden Euro kostet.

Angesichts jener Tatsache also, dass nur ein Pauschalbetrag bezahlt wird und nicht etwa jede einzelne Rechnung, ist es vollkommen egal, ob die türkischen Mütter in der Heimat mitversichert sind oder nicht.

Behandlung nur in der Türkei

Ein weiterer wichtiger Punkt jenes Abkommens: Die in der Türkei lebende Familie darf nicht etwa den Mann/Sohn/Vater in Deutschland besuchen und dort einen teuren Krankenhausaufenthalt in Anspruch nehmen. Voraussetzung für die Übernahme der Kosten ist, dass die Familie sich nur in der Türkei behandeln lässt.

Und wie schaut es mit Versicherungsbetrug aus?

Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Von ca. 500.000 in Deutschland lebenden und Familienversicherungsberechtigten Türken nehmen gerade einmal 35.000 die Möglichkeit einer Familienversicherung wahr, so Schätzungen der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland.

Aber trotzdem Verschwendung von Geldern… oder?

Nein. Denn die Krankenkosten in der Türkei sind um ein vielfaches günstiger als in Deutschland. Würde man jenes Abkommen streichen, könnte ein hier lebender Türke seine Familie nach Deutschland holen, und dann würden die Kosten für die Krankenkassen immens ansteigen. Durch diese Regelung kommen die deutschen Krankenkassen also weitaus günstiger weg. Im Übrigen ist jenes Abkommen nicht etwa eine Sonderregelung, sondern internationaler Standard, von dem auch deutsche Touristen im Ausland profitieren, die sonst sich nicht ohne weiteres dort behandeln lassen könnten.

Fazit:

Es ist richtig, dass in Deutschland lebende Türken ihre in der Heimat lebenden Familien mitversichern lassen können, im Zuge der in Deutschland üblichen Familienversicherung. Jedoch sind die Kosten dafür verschwindend gering und ein Vorteil für deutsche Krankenkassen. Ein Zuzug der Familie nach Deutschland, würde die Krankenkassen weitaus mehr belasten.

Unterm Strich wird sich also über etwas aufgeregt, was sogar einen Vorteil darstellt.

Autor: Ralf, mimikama.org

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