Ausgesetzte Hunde? – Was wir zu dem Bild sagen können

Autor: Rüdiger | ZDDK | MIMIKAMA

„Teilen, um die Schuldigen zu finden!!!“

Mit diesem Aufruf wird zur Zeit immer wieder ein Bild geteilt, zu dem wir vermehrt Anfragen bekommen. Es zeigt zwei Hunde am Straßenrand, die an der Leitplanke festgebunden sind. Doch was ist überhaupt dran an dem Bild? Wir sind der Sache nachgegangen und auf ein Phänomen gestoßen, welches wir hier einmal genauer beleuchten werden.

Um dieses Bild geht es:

MIMIKAMA
Screenshot aus Facebook

Share to find the culprits!!!
Abandonment of two dogs on the side of the road…
Shameful and pathetic!!!

(„Teilen, um die Schuldigen zu finden!!!
Verlassen von zwei Hunden am Straßenrand….
Beschämend und erbärmlich!!!“)

Natürlich löst dies etwas in uns aus. Empörung. Vielleicht auch Wut oder Hass. Wir werden mit dem Bild und der Aussage emotional gefesselt…

STOP!

Halten wir an dieser Stelle einmal kurz inne und überlegen, WAS wir hier eigentlich genau sehen:

Wir sehen zwei Hunde, die am Rande einer Straße auf dem Grünstreifen hinter einer Leitplanke liegen, die Leine lose über einen der Pfosten gelegt.

Was wäre wenn…?

Stellen wir uns nur einmal kurz vor, der Text, der das Bild begleitet, würde folgendermaßen lauten:

„Der Besitzer der Hunde hatte eine Autopanne und hat seine Hunde auf der sicheren Seite der Leitplanke angeleint, damit sie nicht in den Verkehr laufen.“

Wie würde dieses Bild dann in dem Kontext auf uns wirken? Würden wir uns dann auch empören? Wütend werden? Hass auf den Besitzer empfinden?

Wohl eher nicht.

Bilder sind mächtige Werkzeuge, um Emotionen zu transportieren und beim Betrachter auszulösen. Wichtig ist dabei aber immer der Kontext, in dem sie gezeigt werden. Und diesen liefert zum Beispiel die Beschreibung, die auf Facebook mitgeliefert wird.

So. Und jetzt einmal zurück zu diesem Bild, welches uns, was die Recherche angeht, sehr lange beschäftigt hat:

Um es vorweg zu nehmen: Wir können nicht genau belegen, wo es zuerst aufgetaucht ist, wer der Ersteller des ersten Posts war, mit dem es auf Facebook geteilt wurde. Erst recht nicht, wer der Fotograf ist.

Was wir herausgefunden haben

Die ältesten Quellen für dieses Bild reichen zurück bis ins Jahr 2013. Nach einer Analyse der Kommentare, die sich zu diesem Bild finden, könnte es in England passiert sein. Viele der Kommentatoren berichten nämlich genau von dem Sachverhalt, den wir oben in unserem Gedankenspiel einmal angenommen haben.

Der Halter der Hunde habe eine Autopanne mit seinem Truck gehabt und hat die Hunde zur Sicherheit hinter die Leitplanke gebracht, während er auf den Pannendienst wartet:

MIMIKAMA
Screenshot aus Facebook

„Dies ist ein Hoax…. die Hunde wurden angebunden, um sie sicher zu halten, und gerade außerhalb des Bildes ist ihr Vater und ihr kaputter Truck…. sie warteten alle darauf, vom Rettungswagen abgeholt zu werden…. Gott weiß, warum einige Idioten dies getan haben, wenn es echte Hunde gibt, die Rettung benötigen…. diese beiden sind sehr geliebt und es wird sich um sie gekümmert.“

Kommentare mit dieser Information gibt es zuhauf unter diesem Post, viele der Kommentatoren kommen aus dem Nordwesten Englands oder generell aus England, daher unsere Vermutung, was die Quelle angeht.

Dem im Hintergrund erkennbaren Straßenschild zufolge handelt es sich zwar um eine Straße in einem Land mit Rechtsverkehr, aber es gibt auch Behauptungen in den Kommentaren, dass das Bild beschnitten sei und das Original die ganze Geschichte zeige. Es wäre also möglich, dass das Bild bei der Bearbeitung gespiegelt wurde.

Was wir aber auch dazu sagen können

Es gibt keinen Beleg, keinen Anhaltspunkt, keinen Hinweis oder irgendein brauchbares Indiz, dass es sich tatsächlich um ausgesetzte Hunde handelt.

Interessanterweise fragen in den Kommentaren viele Leute nach dem Beweis dafür, dass es sich NICHT um ausgesetzte Hunde handelt, teilen aber das Bild voller Empörung ohne jeden Beweis, DASS es so ist.

Was denn nun, und vor allem: WARUM?

Wie die Geschichte nun wirklich aussieht, lässt sich nach rund 5 Jahren, in denen das Bild schon kursiert, nicht mehr feststellen. Was also passiert ist, wissen wir nicht.

Warum dieses Bild jedoch insgesamt rund eine Million mal aus verschiedenen Accounts heraus geteilt wurde, lässt sich mit einem Wort beantworten:

„Likegeilheit“. Dieses Wort ist eine Zusammenfassung von verschiedenen Motivationen, warum solche „Empörungsbilder“ ins Netz gestellt werden. Rund eine Million mal geteilt. Zigtausende Reaktionen auf dieses Bild. So etwas geht schnell viral.

Generell gesagt – Die Masche mit dem Tierleid

Dieses Bild ist nur ein Beispiel für ein Phänomen, welches auf Facebook leider schon genauso „zuhause“ ist, wie Fake-Gewinnspiele, unsinnige Kettenbriefe und Datenkraken in Form von Apps, die anhand meines Namens herausfinden wollen, was mein Seelentier ist oder dergleichen.

Reichweite und Interaktion sind auf Facebook Trumpf. Postet man einen Beitrag, wird dieser sich ohne Hilfe nicht groß weiter verbreiten. Man muss also entweder Geld in die Hand nehmen und diesen bewerben, damit er bei der Zielgruppe im Newsfeed erscheint, oder…

…man nimmt also einfach einen Post, der sich von selbst viral verbreitet, weil man weiß, dass auf die „Kraft der Empörung“ Verlass ist. Funktioniert immer. Ausnahmslos.

Ob es ein tätowierter Hund ist, eine Katze, die an den Ohren hochgehalten wird oder angeblich ausgesetzte Hunde. Egal. Sobald Tierleid im Spiel ist, kennen manche Facebooknutzer keine Grenzen. Es wird geteilt, seiner Empörung Luft gemacht, dabei teilweise übelste Beschimpfungen und sogar unverhohlene Morddrohungen in die Welt hinaus geblasen, sich ereifert. Und das in einem Stil, bei dem selbst wir, die wir nun wahrlich viel zu sehen bekommen, mit den Ohren schlackern.

Mission erfüllt! Das Bild geht auf einer Welle von Empörung und emotionsgeladenen Facebook-Kommentar-Orgasmen viral.

Und der Ersteller des Posts hat – wenn es sich um eine Unternehmens- oder Community-Seite handelt – viel Geld gespart, seine Seite hat mehr Likes, die Beiträge mehr Interaktion und weitere Posts werden nun von Facebook eventuell als wichtiger eingestuft.

Oder wenn es sich um ein privates Profil handelt, dann… ja, dann wissen wir auch nicht mehr, was in so einem Menschen vorgeht, was er damit bezwecken will. Fühlt er sich wichtiger? Wird er nun damit prahlen, dass sein Beitrag hunderttausende Male geteilt wurde? Was denkt sich so jemand dabei, wenn er ein Bild manchmal sogar nachweisbar aus dem Kontext reißt und mit einer erfundenen Geschichte auf die Reise schickt? Oder wenn er ein Bild teilt, das Jahre alt, die Geschichte schon längst vorbei oder so weit weg passiert ist, dass es unsinnig ist, so etwas hier zu teilen.

Cui bono? – Wem nützt es?

Den Tieren, um die es in diesen Beiträgen geht, sicherlich nicht. Man wird auch mit einem beispielsweise in Deutschland geteilten Bild über eine 10 Jahre alte Geschichte aus Chile über eine Hundesmisshandlung (realer Fall!) keinen Täter finden. (In dem Beispiel aus Chile war dieser z.B. schon längst verhaftet.)

Es nutzt den Erstellern der Posts. Den Seitenbetreibern oder Privatpersonen. Sonst niemandem. Ein zweifelhafter Nutzen.

Ob es den Menschen hilft, die dies ungesehen und ungeprüft teilen, wissen wir nicht. Wir wissen nicht, was die Menschen davon haben, die Hasstiraden und Morddrohungen unter solche Bilder kommentieren. Vielleicht einen Moment der Befriedigung? Das Gefühl, etwas getan zu haben? Nicht untätig gewesen zu sein?

Klicktivismus kann man dazu sagen. Dabei gäbe es doch genügend Möglichkeiten, sich wirklich und effektiv einzubringen. Projekte fördern, die sich um Straßenhunde kümmern. Spenden an Tierheime. Viele Tierärzte haben zum Beispiel eine Spendenbox für Futter & Co in der Praxis stehen oder man kann Tierpatenschaften übernehmen und, und, und…

Aber weil es viel einfacher ist, vom heimischen Rechner oder vom Smartphone aus einen Kommentar oder eine Reaktion zu solchen Posts zu hinterlassen, werden wohl leider auch in Zukunft die noch so guten Intentionen der Interakteure auf einer viralen Welle in den Weiten der sozialen Netzwerke verhallen, ohne irgendetwas zu bewirken.

Autor: Rüdiger, mimikama.org

 

 

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