Wahlen aufgrund Rechtslage illegal? Faktencheck!

Autor: Claudia Spiess

Wahlen aufgrund Rechtslage illegal? Faktencheck!
Artikelbild: Facebook Screenshot

In neuem Kleid taucht eine alte Behauptung auf Facebook auf, nämlich diese, dass alle bis zum 7. Mai 1956 zurückliegenden Wahlen ungültig und nichtig seien.

Schon im vergangenen Jahr haben wir über eine Behauptung, was eine Änderung im Bundesverfassungsgesetz angeht, berichtet. Nach wie vor taucht allerdings die Aussage auf, dass Bundeswahlen seit 1956 nicht verfassungskonform durchgeführt worden waren und damit ungültig seien.
Unseren Artikel von November 2020 findest du HIER.

Hier das SharePic dazu, das aktuell kursiert:

Screenshot Facebook SharePic
Screenshot Facebook SharePic

„Wahlen sind auf Grund der aktuellen Rechtslage illegal.
Das Bundesverfassungsgericht hat in höchstrichterlicher Rechtsprechung mit Aktenzeichen 2 BvE 9/11 vom 25.7.2012 geurteilt, daß jegliche Wahlen seit dem Jahre 1956 nicht verfassungskonform vom verfassungsgemäßen Gesetzgeber durchgeführt wurden. Bereits am 03.07.2008 urteilte das Bundesverfassungsgericht unter Aktenzeichen 2 BvC 1/02 und 2 BvC 7/07 das bisherige Wahlverfahren für „widersinnig“, „willkürlich“ und daher „verfassungswidrig“. Das Parlament hat die Anordnung des Bundesverfassungsgerichtes missachtet, bis zum 30. Juni 2011 ein neues, verfassungskonformes Wahlgesetz zu schaffen. Auf Grund dieser Tatsache wird die Durchführung aller Bundestagswahlen gemäß §143 BGB als angefochten erklärt. Nach § 142 BGB ist diese gesamte Wahl sowie alle bis zum 07. Mai 1956 zurückliegenden Wahlen einschließlich der Durchführung als von Anfang an ungültig und nichtig.
Auf den sich durch die hier erklärte Anfechtung ergebenden Suspensiveffekt wird explizit verwiesen. Viele Menschen haben bereits nach Erhalt der Wahlberechtigung beim zuständigen Wahlleiter ihres Landkreises angerufen! Diese wissen bereits auch davon und reagieren ausweichend!
Unglaublich, wie wir alle seit Jahrzehnten hinters Licht geführt werden!
Ben Levi Stemmann“

Der Faktencheck

Bereits im Oktober des Vorjahres beschäftigten sich auch die Faktenchecker der dpa mit dieser Behauptung, die damals von einem Blogger aufgestellt wurde.

2011 wurde das Bundeswahlgesetz reformiert, am 25. Juli 2012 lautete das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes tatsächlich „verfassungswidrig“. Allerdings ging es in diesem Urteil nur um die damals jüngste und noch nicht angewandte Fassung des Bundeswahlgesetzes. Die Entscheidung hatte somit keinen Einfluss auf die vorangehenden Wahlen, diese wurden damit nicht für nichtig erklärt.

Im Text des SharePics ist auch von einer Entscheidung vom 3. Juli 2008 die Rede. Hier entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die geltenden Regelungen, nach denen 2005 der Bundestag gewählt wurde, nicht mit der Verfassung vereinbar wären.
Hier wurde allerdings vor allem das „negative Stimmgewicht“ kritisiert, was dann auftritt, wenn eine Partei unter gewissen Umständen durch weniger Wählerstimmen mehr Parlamentsmandate erhält – oder umgekehrt. Dies würde zu „willkürlichen Ergebnissen“ führen, die Wahlberechtigten „widersinnig erscheinen“, wie man auch in Absatz 103 des Urteils nachlesen kann.

Nach diesem Urteil wurde auch die Wahl von 2005 nicht für ungültig erklärt, wie die einstige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff gegenüber der dpa bestätigte.
Weiters erklärte sie, dass „das Urteil aus dem Jahr 2012 nicht aus einem Wahlprüfungsverfahren hervorgegangen ist und damit auf die Gültigkeit der vorausgegangenen Bundestagswahl (von noch früheren Wahlen ganz zu schweigen) schon aus diesem Grund keine Auswirkungen haben kann“.

Lübbe-Wolff nach seien sämtliche Behauptungen dazu „grob falsch“.

Dazu sollte man noch wissen, dass genau derartige Umstände im Bundesverfassungsgericht geregelt sind:

„Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt.“

Ein für nichtig erklärtes Gesetz wirkt sich zwar tatsächlich auf die Vergangenheit aus, allerdings führt eine solche Nichtigkeit nicht dazu, dass alle anderen auf seiner Grundlage erlassenen Entscheidungen ungültig würden.

Fazit

Wird ein Gesetz tatsächlich für nichtig erklärt, wird es behandelt, als hätte es diese Rechtsform nie gegeben. Allerdings führt dies nicht dazu, dass alle anderen bisher erlassenen Entscheidungen auf dessen Grundlage als nichtig betrachtet werden können.

Die Behauptung ist also nicht korrekt, es handelt sich um eine Falschinterpretation.

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Quelle: dpa
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