Nein, Unterrichtsbroschüre empfiehlt keine Elektroschocks gegen Heterosexualität!

Autor: Claudia Spiess

Nein, Unterrichtsbroschüre empfiehlt keine Elektroschocks gegen Heterosexualität!
Artikelbild: Karlis Dambrans / Shutterstock.com

In einer Unterrichtsbroschüre der GEW werden absurde Fragen in Bezug auf Heterosexualität gestellt, die Schüler „zur Homosexualität bekehren“ sollen?

Falsch, setzen! Die Unterrichtsbroschüre der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) enthält Fragen zu Heterosexualität, die verschiedenen Menschen wohl bitter aufstoßen, weil sie sich sofort darüber echauffieren, anstatt mal nachzudenken, was denn dahinter stecken könnte.

In einem Blog wird diese Broschüre aufgenommen – der Titel hier lautet: „Deutsche Unterrichtsbroschüre empfiehlt Elektroschocks gegen Heterosexualität“

Um folgende Fragen geht es:

1 Woher glaubst du, kommt deine Heterosexualität?

2 Wann und warum hast du dich entschlossen, heterosexuell zu sein?

3 Ist es möglich, dass deine Heterosexualität nur eine Phase ist und dass du diese Phase überwinden wirst?

4 Ist es möglich, dass deine Heterosexualität von einer neurotischen Angst vor Menschen des gleichen Geschlechtes kommt?

5 Wissen deine Eltern, dass du heterosexuell bist? Wissen es Deine Freundinnen und Freunde? Wie haben sie reagiert?

6 Eine ungleich starke Mehrheit der Kinderbelästiger ist heterosexuell. Kannst Du es verantworten, deine Kinder heterosexuellen Lehrer/innen auszusetzen?

7 Was machen Männer und Frauen denn eigentlich im Bett zusammen? Wie können sie wirklich wissen, wie sie sich gegenseitig befriedigen können, wo sie doch anatomisch so unterschiedlich sind?

8 Obwohl die Gesellschaft die Ehe so stark unterstützt, steigt die Scheidungsraten immer mehr. Warum gibt es so wenige langjährige, stabile Beziehungen unter Heterosexuellen?

9 Laut Statistik kommen Geschlechtskrankheiten bei Lesben am wenigsten vor. Ist es daher für Frauen wirklich sinnvoll, eine heterosexuelle Lebensweise zu führen und so das Risiko von Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft einzugehen?

10 In Anbetracht der Übervölkerung stellt sich folgende Frage: Wie könnte die Menschheit überleben, wenn alle heterosexuell wären?

11 Es scheint sehr wenige glückliche Heterosexuelle zu geben; aber es wurden Verfahren entwickelt, die es dir möglich machen könnten, dich zu ändern, falls du es wirklich willst. Hast du schon einmal in Betracht gezogen, eine Elektroschocktherapie zu machen?

12 Möchtest du, dass dein Kind heterosexuell ist, obwohl du die Probleme kennst, mit denen es konfrontiert würde?“

Hervorgehoben – weil besonders ins Auge gestochen – ist hier die Frage nach der Elektroschocktherapie.
Wirklich? Eine Elektroschocktherapie, um seine Heterosexualität in Angriff zu nehmen, zu ändern, umzukehren, homosexuell zu werden?

In Blogs, die diese Fragen veröffentlichen und ihrer Empörung darüber Ausdruck verleihen, ist außerdem zu lesen:

Die kommunistisch-zersetzende Regenbogen-Propaganda kennt in Deutschland kein Halten mehr. In einer Unterrichtsbroschüre der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die sich speziell an Lehrer richtet, finden sich zahlreiche befremdliche Inhalte zur Glorifizierung der Homosexualität und zum Abwerten des Lebensstils, der von der Evolution als „normal“ vorgegeben wurde. Dies gipfelt in einer Fragestellung, welche man an Schüler herantragen solle: „Hast du schon einmal in Betracht gezogen, eine Elektroschocktherapie zu machen?“

„The Language of Sex: The Heterosexual Questionaire“

Auch findet sich in den Blogs ein Hinweis auf den Ursprung der Fragen:

„Auf Seite 20 der Propagandaschrift der GEW Baden-Württemberg findet sich ein Fragebogen, erklärt mit „Gekürzt nach: P. Baker, ”The Language of Sex: The Heterosexual Questionaire“. Darin sind zahlreiche Fragen angeführt, die einem traditionell orientierten Menschen die Haare zu Berge stehen lassen.“

Dies wurde allerdings nicht korrekt übernommen, denn tatsächlich steht in der Broschüre:

„Gekürzte Übersetzung von: Rochlin, Martin: The heterosexual questionnaire, in: Baker, Robert (Hg.) (1972) The Language of Sex.“

Zu finden auf Seite 26 der GEW-Broschüre Lesbisch, schwul, trans, hetero … Lebensweisen als Thema für die Schule (PDF)
Die Broschüre wurde übrigens bereits im Dezember 2017 herausgegeben.

Martin Rochlin machte 1972 mit der Entwicklung des „Heterosexuellen Fragebogens“ (The Heterosexual Questionaire) deutlich, wie unangenehm und übergriffig diese Fragen sind. Doch ging es ihm nicht darum, Heterosexualität zu hinterfragen. Rochlin sammelte eine Vielzahl von Fragen, die homosexuelle Menschen oft zu hören bekommen. Umgekehrt würden solche Fragen Heterosexuellen niemals gestellt werden. Warum auch? Heterosexualität ist doch „normal“.

Und genau das wollte Rochlin verdeutlichen. Heterosexualität ist „selbstverständlich“, wird als „normal“ angesehen, andere Sexualitäten seien zu hinterfragen.
Darum drehte er den Spieß um. Er nahm eben diese Fragen, ersetzte aber „homosexuell“ durch „heterosexuell“. Tadaaa – Aufreger fertig.

Tja, einfach nix verstanden

Heterosexualität bedeutet für Viele immer noch „das einzig Normale“, den Standard. Umso mehr stoßen die Fragen dieser Unterrichtsbroschüre auf, denn wie kann eine öffentliche Einrichtung wie die GEW „das Normale“ derart in Frage stellen und Schüler und Schülerinnen verwirren oder sogar dazu anstiften, ihre Heterosexualität zu überdenken?

Diese „Vielen“ finden sich auch in den Kommentarspalten zu Postings mit diesem Thema wieder. Diese „Vielen“ haben allerdings die Hintergründe dieses Fragebogens nicht verstanden. Hier geht es nämlich um Homophobie. – Die Angst, dass einem von irgendwoher, diesmal sind es die Schulen, die eigene Heterosexualität gestohlen werden könnte. Argumentiert wird hier mit Kindern, die es vermeintlich zu beschützen gilt.

Doch selbst wenn der Fragebogen an Achtklässler*Innen ausgeteilt wurde, dann sicherlich nicht um sie zu „verdrehen“, sondern um sie zum Nachdenken zu bringen, wie wir mit Sexualität umgehen. Es geht darum zu hinterfragen, warum wir das eine also so selbstverständlich „natürlich“ ansehen und das andere nicht. Und welche Konsequenzen das für Menschen hat.

Gar keine so schlechte Übung eigentlich. Vielleicht hätte sie einigen Kommentator*Innen unter dem Post auch nicht schlecht getan, um die eigenen Homophobie zu hinterfragen.

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