Stanford-Studie kein klarer Beleg für Nicht-Effizienz harter Maßnahmen

Autor: Charlotte Bastam

Artikelbild: Corona Borealis Studio / Shutterstock
Artikelbild: Corona Borealis Studio / Shutterstock

Eine Studie, bei der u.a. Stanford Professor Ioannidis mitwirkte, wird herangezogen, um zu behaupten, dass Lockdowns wirkungslos und damit unangebracht seien. Doch das Argument funktioniert so nicht, wie auch andere Wissenschaftler kritisieren.

Auf einer Internetseite wird folgende Botschaft verbreitet: „Für die Wirksamkeit von Lockdowns zur Eindämmung von Epidemien, die Reduktion von Infektionszahlen und/oder Todesfällen, hat es nie eine Evidenz gegeben.“ Als Beleg wird eine Studie der Stanford-Universität herangezogen. Doch die Behauptungen können aufgrund der Studie so nicht getroffen werden.

Menschen in Deutschland und Österreich leben nun seit mehreren Wochen mit härteren Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus. Von Seiten Corona-Verharmloser*Innen wird nun eine Studie, bei der u.a.  Stanford-Professor John Ioannidis mitgewirkt hat, als Beleg für die Unsinnigkeit der Härte dieser Maßnahmen herangezogen.

Ioannidis Thesen sind bei Corona-Verharmloser*Innen recht beliebt und wurden bereits des Öfteren für Behauptungen, die die Gefahren des Corona-Virus als übertrieben und Maßnahmen als ungerechtfertigt darstellen, benutzt.

Stanford-Studie stellt Effizienz harter Maßnahmen in Frage

In der neuen Studie von Ioannidis heißt es, dass harte Maßnahmen zwar geringe Auswirkungen auf Reduktion von Fallzahlen bewirkt hätten, diese jedoch nicht signifikant gewesen seien. Für eine Senkung hätten auch leichtere Maßnahmen genügt hätten. Für die Ergebnisse haben die Wissenschaftler*Innen Infektionszahlen und die Art der Maßnahmen bis April 2020 in mehreren Ländern, darunter auch Deutschland, die USA, Frankreich, Südkorea und Schweden, ausgewertet.

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Harte Maßnahmen beinhalteten demnach Schul- und Betriebsschließungen, Einschränkungen in der Mobilität sowie Besuchsverbote. Im Gegensatz dazu führt die Studie Südkorea und Schweden an, die leichtere Maßnahmen hatten, die ‚nur‘ auf Empfehlungen beruhten. Die Wissenschaftler*Innen konnten aus dem Vergleich der Länder nicht herauslesen, dass härtere Maßnahmen auch mehr in Bezug auf die Senkung der Infektionszahlen gebracht hätten.

Studie der Universität Stanford mathematisch nachvollziehbar

Laut einem BR Faktenfuchs haben sich der Infektiologe Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar in München und der Statistiker Helmut Küchenhoff von der LMU München, der seit Anbeginn der Corona-Pandemie Infektionszahlen in Bezug auf die Wirksamkeit von Maßnahmen in Bayern untersucht, die Studie genau angesehen und halten die mathematischen Berechnungen demnach für nachvollziehbar.

Laut Küchenhoff sei es demnach tatsächlich für die erste Welle der Pandemie nicht vollständig ersichtlich, inwiefern harte Maßnahmen für den Rückgang der Fallzahlen verantwortlich waren. Der Rückgang der Fallzahlen trat damals bereits schon vor den härteren Maßnahmen ein, was Küchenhoff auf die Appelle der Politik und das freiwillige zurückgezogene Verhalten der Bevölkerung zurückführt. Laut BR, eine Situation, die auch Ioannidis in der Studie beschreibt.

Doch Küchenhoff stellt auch Mängel an der Studie fest

Zum Einem sei sie bereits wieder veraltet, da nur die Entwicklungen bis April untersucht werden. Küchenhoff stellt für Bayern in seinen Untersuchungen über die letzten Wochen hinweg fest, dass es einen klaren senkenden Effekt des harten Lockdowns auf die Infektionszahlen gibt.

Zum anderen könnte eine mögliche Erklärung für die Unterschiede zwischen den beiden Wellen Reisen sein, auf die Bürger*Innen im Frühjahr 2020 noch verzichteten, aber während dem „Lockdown light“ vor Weihnachten wieder stärker betrieben.

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Auch berücksichtige die Studie nicht, dass z.B. in Deutschland Infektionen oft im Nachhinein gemeldet werden und man erst ein paar Wochen später sehen kann, wie ein Lockdown wirkt. Die Ioannidis-Studie sei deswegen „mit großer Vorsicht zu genießen“.

Auch sei der Vergleich zwischen den Ländern schwierig, da Ioannidis die unterschiedliche Datenerhebungsformen der Länder unberücksichtigt lasse. Zudem hänge die Wirkung eines Lockdowns noch von anderen Bedingungen ab, wie z.B. dem Klima, der Bevölkerungsdichte oder wie viel Menschen sich in Innenräumen aufhalten müssen. Einen Hinweis, den auch der australische Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz macht:

Andere Studien kamen zu diesen Ergebnissen

Eine Studie der Universität Edinburgh, die die Entwicklung der Infektionszahlen für das Frühjahr 2020 für mehrere Länder untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass insbesondere das Verbot öffentlicher Veranstaltungen wirksam gewesen seien. Ein Forschungsteam der Universität Exeter wertete Handydaten aus und kam zu dem Schluss, dass Einschränkungen der Mobilität zwischen Ballungsgebieten und das Verbot von Veranstaltungen durchaus wirksam für die Senkung der Covid-Sterberate gewesen sei, wobei hier auch freiwillige Einschränkungen dazu gezählt werden.

Wie kann die Ioannidis-Studie nun bewertet werden?

Die verschiedenen Studien und Expertenaussagen zeigen, dass die Bewertung einzelner Maßnahmen für unterschiedliche Länder sehr komplex ist. Zwar kann man aus der Stanford-Studie ziehen, dass freiwillige Beschränkungen wirksam sind, doch schließt das noch nicht die Effizienz von härteren Maßnahmen aus. Auch bezieht sich die Stanford-Studie nicht auf die aktuelle Lage. Damit ist die Aussage, der jetzige Lockdown würde nichts  bringen, auf dieser Grundlage nicht haltbar.

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