Infoartikel: Moderne Hexenjagd auf Facebook

Autor: Tom Wannenmacher

(Markus S. vom ZDDK-Team) Unsere Leser kennen sie, die Marcels die Festplatten zerstören wenn man sie als Freunde annimmt, die verdächtigen Männer die in Gruppen Kinderfotos sammeln, angebliche Straftäter die mit selbstgebastelten Fahndungsplakaten gesucht werden, Menschen die in Videos Kinder oder Tiere quälen und viele weitere. Das soziale Netzwerk Facebook bietet ungeahnte Möglichkeiten wenn es darum geht national und international einem Menschen einen Stempel aufzudrücken und zur Fahndung aufzurufen. Die Teilnahme an so einer Fahndung über Facebook ist unheimlich einfach und schnell mit einem Klick erledigt. So ein einfacher Klick tut nicht weh und man lehnt sich mit dem Bewusstsein etwas gutes getan zu haben zurück und liest den nächsten Post. So einfach sehen scheinbar viele Nutzer sozialer Netzwerke „das Leben“ und sind sich nicht bewusst was ihr Klick so alles auslösen könnte.In diesem Artikel möchte ich anhand älterer und aktueller Fälle einmal aufzeigen was passieren kann und welche Folgen unbedachte private Fahndungen und Hetzkampagnen für die Betroffenen und die „Hetzenden“ haben können.

Emden 2012

Der Mord an einem elfjährigen Mädchen in Emden erschüttert die Region und ganz Deutschland. Relativ schnell gibt es einen Verdächtigen und der junge Mann kommt in Untersuchungshaft. Nach zwei Tagen intensiver Befragungen geht die Staatsanwaltschaft nicht mehr davon aus das der junge Mann der gesuchte Täter ist. Bis hier eine für den Verdächtigen schon sicher eine furchtbare Situation. Doch sollte es noch schlimmer kommen.

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Auf Facebook formierten sich Gruppen und (Fan)Seiten auf denen sich die erschütterten Nutzer austauschten. Hochkochende Emotionen, Kommentare mit Aufrufen zur Lynchjustiz und die schnelle Vorverurteilung des Verdächtigen führten dazu das sich eine Gruppe von ca. 50 Personen in Emden einfand und lautstark die Herausgabe des Verdächtigen forderte. Auch hier mit dem Motiv der Selbstjustiz.

Auf Facebook wurden zu diesem Zeitpunkt schon weitere Aktionen geplant und die persönlichen Daten des Verdächtigen von „Detektiv spielenden“ Nutzern veröffentlicht.

„Die Angaben im Internet sind alle nicht wirklich verifizierbar und mit Vorsicht zu genießen“, warnte damals der Stadtsprecher von Emden Jens Gerdes, „die Spekulationen bekommen durch die dünne Faktenlage eine enorme Dynamik.“

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Bernhard Witthaut sagte, wer hinter den „Lynchaufrufen steckt, muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen“. Es dürfe nicht toleriert werden, dass „einige soziale Netzwerker glauben, in unserem Rechtsstaat Wild-West-Methoden wiederbeleben“ zu können. Witthaut erklärt, in einem solchen Mordfall arbeiteten die ermittelnden Beamten unter enormen Zeitdruck und unter dem Brennglas von Medien und Bevölkerung. Die „aufgebrachte Menschenmenge“ vor der Emdener Polizeiinspektion sorge für eine „zusätzliche, unnötige und nicht zu akzeptierende Störung“.

(Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/chronologie-des-mordfalls-lena-zwei-naechte-unschuldig-in-untersuchungshaft-1.1322637 )

Fürth 2013

Auf Facebook wird ein Video hochgeladen auf dem man einige Jugendliche sehen kann. Einer der Jungen attackiert einen der anderen mit Tritten, die anderen Filmen mit ihren Handys.

Das Video wird unzählige Male geteilt und über 32.000 mal kommentiert. Wohl allein aufgrund der Hautfarbe der beiden Jungen schließen viele Nutzer das hier ein deutscher Junge von einem Jungen mit sogenanntem Migrationshintergrund verprügelt wird. Dementsprechend sind ein großer Teil der Kommentare. Worte und Anspielungen wie „da bekomme ich Hakenkreuze in den Augen“, „ab in die Gaskammer“, „währe ich dort vorbeigefahren hätte ich die Missgeburt überfahren“, „Kopf auf die Bordsteinkante und drauftreten“ sind nur ein paar Eindrücke. Und auch hier viele Aufrufe den angreifenden Jungen ausfindig zu machen und Selbstjustiz zu vollziehen.

Ein TV-Magazin machte sich auf die Suche nach den Beteiligten und sprach mit dem Opfer.

Der Junge selbst bezeichnet sich im Interview als Amerikaner und Rumäne und entkräftet somit schon selbst die von vielen vorgefasste Meinung im Video würde ein deutscher Junge verprügelt. Davon abgesehen das die oben erwähnten Kommentare sowieso schon total inakzeptabel sind haben die Verfasser der Kommentare also auch noch völlig daneben gelegen.

Der Junge klärt im Interview auf das dieses Video entstanden ist nachdem er einfach beim Fußballspielen besser war als sein späterer Angreifer. Eine Situation wie sie wahrscheinlich tausendfach auch unter anderen Kindern stattfindet.

Er habe hunderte Zuschriften bekommen mit der Bitte um den Namen und die Adresse des Angreifers und man würde sich „darum kümmern“.

Man sollte sich einmal vorstellen was hätte passieren können wenn der Junge nicht so vernünftig reagiert hätte und dem „sozialen Mob“ tatsächlich die Daten des Angreifers überlassen hätte.

(Quelle: http://www.sat1.de/videokatalog/Kultur/video-Pr%C3%BCgel-Kids-im-Facebook-Video-Gewalt-Jugend-HDR-FHM-Sportstudio-Ute-Bild-Schuh-639217.html )

Facebook 2013

Neben den Hochwasserfluten die 2013 in Teilen Europas Städte bedrohen und Existenzen vernichten breitet sich auf Facebook noch eine weitere Welle aus. Verbreitet wird eine Statusmeldung die von einer Nutzerin aus Bayern verfasst worden sein soll. In der Statusmeldung ist die Rede von „widerwärtigem Ossi-Pack“ das „in den Fluten ersaufen“ soll.

Die Empörung ist natürlich groß und auch hier hagelt es an allen Ecken wütende Kommentare. „Die Dame soll sich selbst einmauern“, „der sollte man die Wohnung mit Schlamm vom Hochwasser fluten“, „da ist mal ein Hausbesuch angebracht“ bis hin zu eindeutigen Morddrohungen ist die volle Bandbreite an Hass vertreten.

Und wieder formieren sich Gruppen und (Fan)Seiten in denen nun eine regelrechte Jagd auf diese Dame stattfindet. Das gesamte Netz wird von Hobby-Ermittlern durchwühlt, Daten veröffentlicht und Fotos gepostet. Bilder werden gebastelt in denen die Dame als Staatsfeind Nr.1 der Ostdeutschen präsentiert wird.

Laut Informationen die ZDDK vorliegen wird die Dame nun schon seit geraumer Zeit telefonisch terrorisiert, ihre Daten dazu genutzt online Verträge abzuschließen und ihr Arbeitgeber kontaktiert. Hier ist der soziale Mob dabei aufgrund einer geposteten Meinung (ob die Dame selbst diesen Status verfasst hat und wirklich diese Meinung vertritt ist nicht bewiesen!) ebenfalls eine Existenz zu zerstören.

Aus sicherer Quelle wissen wir das die Dame Anzeige erstattet hat und gegen dieses Treiben vorgeht.

Ein ähnlicher Fall bzw. ein ähnlicher Post der von einem Mann stammen soll wird wahrscheinlich ähnliche Wege gehen aber soll hier nun nicht auch noch zum Thema gemacht werden.

WICHTIG! Wir möchten hier noch folgendes betonen:

Es ist für uns nicht überprüfbar ob der/die Accounts die das ursprünglich posten wirklich dieser Meinung sind (wie sollen wir das auch prüfen können?).
Davon abgesehen möchten wir hier auch keine Meinungen bewerten, diskutieren oder in Frage stellen.
Selbst wenn es tatsächlich die Meinung der/des Postenden ist müssen andere Stellen bewerten ob diese Art der Meinungsäußerung rechtlich in Ordnung ist!
 
Wir prüfen nur Fakten, denn nur diese lassen sich prüfen.“

Fazit:

Moderne Hexenjagd auf Facebook ist ein ernst zu nehmendes Thema.

Es ist immer einfach seinen Unmut zu äußern, Menschen zu bedrohen und eventuell Existenzen zu zerstören so lang man gemütlich vor seinem Bildschirm sitzt.  Das solches Verhalten ernsthafte Konsequenzen (schon allein für das Verbreiten solcher Hetze) haben kann ist leider viel zu wenigen bewusst.

Nicht umsonst gibt es Gesetze die Verdächtige schützen, Selbstjustiz verbieten, Rufmord und Verleumdung verhindern sollen. Nicht ohne Grund schützen Gesetze unsere Privatsphäre und verbieten die ungefragt Weitergabe von personenbezogenen Daten oder die unerlaubte Nutzung von Fotos.

Wer sich an einer modernen Hexenjagd beteiligt sollte sich ernsthaft Gedanken darüber machen ob er seine Worte auch außerhalb des großen Kollektiv Facebook in die Tat umsetzen würde und mit den Konsequenzen leben könnte.

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