Kein Impfstoff für einheimische Kinder?

Autor: Ralf Nowotny

Kein Impfstoff für einheimische Kinder – Der Netzplanet geifert mal wieder.

In unseren Breitengraden sind viele Krankheiten ausgerottet, da durch flächendeckende Impfungen keine Ausbreitungsgefahr mehr besteht. Doch diese Sicherheit sei nun in Gefahr, wenn man dem Netzplaneten glauben möchte. Grund? Na klar, Flüchtlinge, jetzt nehmen sie uns auch noch die Impfungen weg! Prüfen wir doch einmal den Wahrheitsgehalt des Netzplanet-Gepolters.

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„Und jetzt geht auch noch der Impfstoff für Kinder aus, weil jede illegale Zuwandererfamilie mit ihrem Dutzend Kinder zum Arzt geht & sich komplett sanieren lässt? Wir reden hier über stinknormale Kinderkrankheiten, die kaum noch auftreten, eben wegen der guten medizinischen Versorgung.

Diese bricht nun zusammen & demnächst haben wir wieder Kinderkrankheiten von vor 100 Jahren, weil erstens kein Impfstoff da ist & zweitens Krankheiten von irgendwelchen Asylbetrügern aus der Dritten Welt eingeschleppt werden? Was kommt denn als Nächstes? Der IS kann seine verwundeten Kämpfer in deutschen Krankenhäusern behandeln lassen?“

Grundsätzlich ist für den Netzplaneten ja jeder Flüchtling illegal. Und grundsätzlich kommen Flüchtlinge mit bis zu ein Dutzend Kindern. Während des Schreibens hat Netzplanet-Autor Sehmann wohl vergessen, dass sich die Seite doch immer darüber aufregt, dass fast nur junge Männer kommen.


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Im Grunde können wir den größten Teil des Artikels als das übliche Gekeife gegen „Illegale“ abtun. Suchen wir stattdessen mal nach dem Körnchen Wahrheit in der Meldung.

„Der Berufsverband der Kinder & Jugendärzte schreibt: Bis zum Jahresende werden wir bestimmte Impfstoffe nicht bekommen, etwa den Impfstoff gegen Diphterie, Keuchhusten, Kinderlähmung & Tetanus. (…) Auch beim Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln & Windpocken sowie beim nasalen Grippeimpfstoff für Kinder zwischen 2 & 7 Jahren gibt es große Lieferengpässe. Der Vorsitzende der Apothekerkammer Nordrhein, Stefan Derix, erklärt unmissverständlich die Gründe: Nach unserer Einschätzung ist die aktuelle Flüchtlingslage einer der Hauptgründe für die Engpässe so Derix.“

Und da hat der Netzplanet sogar richtig zitiert, tatsächlich hat Stefan Derix dies gegenüber dem „Focus“ gesagt. An dieser Stelle hat der Netzplanet-Autor anscheinend nicht mehr weiter gelesen, sondern mit hämischen Grinsen seinen Artikel runtergerattert, natürlich garniert mit den üblichen Lügen und Halbwahrheiten über vergessene Rentner, von den Tafeln verdrängte Einheimische und verschwiegene Kindervergewaltigungen.

Was sagt Derix noch?

„Die Herausforderung sei es nun, die nötige Regelversorgung der Bevölkerung und die Impfungen der Flüchtlinge abzuwägen, sagt Derix. „Das ist ein Spagat, bei dem man im Zweifelsfall nicht allen gerecht werden kann.“ Die Impfung der Flüchtlinge sei aber sehr wichtig, da große Gruppen ohne ausreichenden Impfschutz ein Gesundheitsrisiko für die gesamte Bevölkerung darstellen.“

So berichtet der Focus. Im Klartext heißt das, dass weder Flüchtlinge noch Einheimische wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Die Impfung von Flüchtlingen sei aber sehr wichtig, da durch eventuell eingeschleppte, aber hier ausgerottete Krankheiten ältere Menschen, Kleinkinder und Babys ohne Impfschutz stark gefährdet sind.

Also kann es dann sein, dass ich mein Kind nicht impfen lassen kann?

Nicht unbedingt. Momentan steht nur fest, dass es Lieferengpässe bei den Impfstoffen gibt. Das ist auch nichts Ungewöhnliches, sondern fast jährlich der Fall, z.B. 2012, als der Grippeimpfstoff der Firma Novartis nicht mehr verkauft wurde. Allerdings haben sehr viele Ärzte und Apotheken immer einen Vorrat an Impfstoffen für ihre Kunden und Patienten, damit nicht jedesmal neu bestellt werden muss. Abgesehen davon können Kombinationsimpfungen für Kinder auch zwei bis drei Monate verschoben werden, und Anfang nächsten Jahres werden ohnehin wieder genug Impfstoffe lieferbar sein. Auch Auffrischungsimpfungen können gefahrlos um einige Wochen verschoben werden, so Susanne Stöcker, Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts gegenüber dem „Focus“.
Somit ist eine Aufregung, dass Kinder wegen eines Impfstoffengpass eventuell nicht mehr dieses Jahr geimpft werden können, vollkommen übertrieben.

Ehm… „Netzplanet“? Eines wäre da noch:

Vergesst ihr eigentlich manchmal selber, was ihr so an Artikeln raushaut? Wir können uns noch an eine Schlagzeile von euch von vor einem Jahr erinnern, als Impfungen irgendwie was ganz ganz Böses waren. Solltet ihr da nicht froh sein, dass Impfstoffe knapp werden?

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Screenshot: Netzplanet

Es wäre schön, wenn ihr euch da mal konsequent positionieren könnt. Ihr verwirrt sonst nur eure Leser.

Fazit:

Ja, Impfstoffe können derzeit teilweise nicht geliefert werden. Ja, zum Teil liegt das an einer Fehlkalkulation, weil nicht mit so vielen Flüchtlingen gerechnet wurde. Ja, dadurch können möglicherweise manche Impfungen dieses Jahr nicht mehr durchgeführt werden. Eine Verschiebung von Impfungen ins nächste Jahr ist aber möglich, da dann wieder genug Impfstoffe geliefert werden können.

Im Endeffekt will der Netzplanet einfach nur mal wieder gegen Flüchtlinge toben, alle als illegal abstempeln und, wie üblich, Gift und Galle spucken. Auch wenn sie sich selbst widersprechen. Aber ist ja egal. Merkt bestimmt keiner.

Autor: Ralf, mimikama.org

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