Genmanipulierte Mücken in Brasilien: Übertriebene Darstellungen!

Autor: Andre Wolf

Artikelbild: Shutterstock / Von frank60
Artikelbild: Shutterstock / Von frank60

Genmanipulierte Mücken in Brasilien: Diese Schlagzeile verängstigt viele Menschen. Doch diese Schlagzeile dürfte weitaus gefährlicher klingen als die Auswirkungen in der Realität sind.

Worum es geht: Transgene Mücken wurden bei Jacobina im Bundesstaat Bahia (Brasilien) freigelassen, um die dort vorherrschende gefährliche ägyptische Tigermücke zu verdrängen. Die ägyptische Tigermücke überträgt Gelbfieber, Dengue-Fieber, Zika-Fieber und einige andere Viruserkrankungen.

Spannend ist zudem, dass die ägyptische Tigermücke, welche mit den hybriden Mücken bekämpft wird, bereits gar keine in Brasilien heimische Mücke ist, sondern eine durch Wirtschaft und Tourismus importierte Mückenart ist. Da diese Mücken schwere Krankheiten übertragen haben, sollte diese Art eben wieder (!) verdrängt werden.

Damit die hybride Mückenart sich nicht weiter verbreitetm wurde dessen Erbgut verändert und „selbstlimitierende“ männliche Insekten erschaffen. Zum weiteren Wachstum benötigen sie eine bestimmte Chemikalie, die in der Natur nicht vorkommt. Sobald also freigelassen, sind sie nicht lange überlebensfähig. Ebenso deren nachwuchs, denn die hybriden Mückenmännchen sind durchaus in der Lage sich zu paaren und somit Nachwuchs zu erzeugen.

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Dadurch sorgen die männlichen Insekten dafür, dass der neu geschaffene Nachwuchs stirbt und somit die Population der Mücken abnimmt. Man muss an dieser Stelle jedoch anmerken: Ein kleiner Teil der selbstlimitierenden Mücken haben eben doch überlebt.

Zwar sind die transgenen Erbmerkmale dominant, d.h. alle nachkommen sollten sie tragen, aber auch dominante Erbmerkmale können durch verschiedene genetische Mechanismen ausgehebelt werden, d.h. einige der Nachkommen konnten überleben und sich fortpflanzen (das Transgen ging dabei aber verloren). Der Wert der Arbeit liegt darin, gezeigt zu haben, dass das nicht nur im Labor, sondern auch unter den rauen Bedingungen der freien Wildbahn passiert. Der Effekt war nämlich im Labor bei etwa 3 bis 5 Prozent der Nachkommen schon beobachtet worden.

Versuche mit Mücken bereits länger her

Diese Versuche haben bereits 2013 bis 2015 stattgefunden und es wurden insgesamt mehr als 45 Milliarden Tiere freigelassen. Das Ergebnis: die betroffene Mückenart wurde vor Ort bis zu 90% verdrängt. Was jetzt jedoch zusätzlich vermeldet wurde, waren Spekulationen, ob die neuen hybriden Mücken nicht gar resistenter und sogar gefährlicher seien.

Dieser Artikel ist eine Reaktion auf die zuvor veröffentlichte Pressemitteilung durch TestBiotech [hier / hier]

Wir haben hierzu mit Ludger Weß gesprochen. Weß ist ehemaliger Wissenschaftsjournalist und Autor. Er forschte zuvor als Molekularbiologe an der Universität Bremen. Weß stuft einen Großteil der Meldungen über die Mücken als eher alarmistisch ein und empfiehlt, hier genauer hinzuschauen.

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Vorangestellt: Der Einsatz der Mückenarten in Brasilien ist weit weniger dramatisch als dargestellt. Weß spricht hier bereits von einem irreführenden Titel der Arbeit selbst. Der Titel und auch die Berichterstattung zu „Transgenic A. aegypti Mosquitoes Transfer Genes into a Natural Population“ lässt den Eindruck entstehen, dass hier Transgene in die Natur entwichen sind. Das waren sie nicht. Das ist natürlich nicht der Fall, ebenso hat sich auch keine Genveränderung ausgebreitet.

Weß zieht seine Schlüsse ganz dem Paper zu dem Versuch selbst, in dem die entsprechenden Ergebnisse zu finde sind (hier). Daraus erkennt man, dass viele auf Social Media und in den Medien genannten Darstellungen überzogen sind und auf dem Narrativ der Angst vor Genmutationen basieren.

Auch der Beschreibung der Ausbreitung ist bereits überzogen. So ist beispielsweise nicht ganz Brasilien betroffen, sondern nur ein bestimmter Bereich mit einem Radius von etwa 4km Nahe der Stadt Jacobina. An keiner Stelle spricht das Paper also davon, dass das Transgen oder das Fluoreszenzgen in der Wildpopulation gesichtet wurden. Ebenso wurden Kreuzungen zwischen den veränderten Mücken und den lokalen Mücken über die Entfernung von mehr als 4km nur noch in geringsten Umfang gefunden.

Ebenso sollte man anmerken, dass keine Mücken gefunden wurden, die eines der beiden Transgene getragen haben. Hier kann und darf entsprechend nicht von ganz Brasilien gesprochen werden.

Weitere Stimmen

Auch der der Professor für Entomologie und Krankheitsepidemiologie Jason L. Rasgon spricht auf Twitter davon, dass die Berichterstattung häufig falsch ist. Der gesamte Versuch sei kein Misserfolg, sondern in seinen Augen ein glatter Erfolg.

Der Wissenschaftler wie der Evolutionsgenetiker Kevin Esvelt äußert sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung sogar dahingehen, dass er gar nicht davon ausgehe, dass die neue (hybride) Mückenart in irgendeiner Form fitter oder gar gefährlicher wäre.

Und der Pressebericht von TestBiotech?

Weß hält an dieser Stelle nichts von Meldungen über „Unkontrollierbare Situation“. Er sieht in dem Pressebericht eine „Fakenews“ einer Lobbyvereinigung gegen Gentechnik.

Quellen:

Artikelbild: Shutterstock / Von frank60

 

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