Dr. Reiner Fuellmich und sein „neuer Nürnberger Prozess“

Autor: Ralf Nowotny

Dr. Reiner Fuellmich und sein "neuer Nürnberger Prozess"
Artikelbild: Shutterstock / Alexander Kirch / Volurol

Neues von Dr. Reiner Fuellmich: Er strebt nun einen „neuen Nürnberger Prozess“ gegen Impfungen an, die angeblich gegen den Nürnberger Kodex verstoßen.
Wie groß ist die Erfolgswahrscheinlichkeit?

Dr. Reiner Fuellmich macht sich seit einigen Monaten in der Coronaleugner- und Impfgegner-Szene einen Namen: Im September 2020 (siehe unseren Artikel HIER) kündigte er eine Sammelklage in den USA gegen die PCR-Tests an, Teilnehmende müssten „nur“ 800 Euro zzgl. MwSt. an ihn zahlen – woraus übrigens nichts wurde, stattdessen schloss er sich einer Klage von Eltern gegen die Maskenpflicht an, die verloren wurde (siehe HIER), die 800 Euro bekommt natürlich niemand wieder.

Und nun mag er wieder von sich reden machen: Diesmal strebt er einen „neuen Nürnberger Prozess“ an: Angeblich verstoßen die COVID-19 Impfungen in allen Punkten gegen den Nürnberger Kodex, ganze 10.000 Ärzte und 1.000 Anwälte sollen sich der Klage angeschlossen haben.

Facebook-Vorschau des Artikels über Fuellmich
Facebook-Vorschau des Artikels über Fuellmich

Die Behauptung

In dem Artikel (archiviert HIER) wird berichtet, Fuellmich strebe ein Gerichtsverfahren gegen die CDC, die WHO und die Davos-Gruppe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit an.

So sei beispielsweise die COVID-19 Impfung eine „undichte“ Gentherapie, die keine Immunität gegen COVID-19 bietet, es auch andere Methoden gegen COVID-19 gäbe (z.B. Einnahme von Vitamin-Präparaten und Zink), es bereits Zehntausende Todesfälle nach den Impfungen gegeben habe, es keine Tierversuche gegeben habe und das Risiko für Impfschäden und Tod den Nutzen übersteigen würde.

Die Impfung ist keine Gentherapie!

An diese Behauptung hängen sich sehr viele seiner Folgebehauptungen an, weswegen sie einen gesonderten Abschnitt in diesem Artikel verdient.

Eine Gentherapie bezeichnet die gezielte Veränderung von Genen durch rekombinante Nukleinsäuren in Zellen von Kranken. An der Methodik wird schon seit Jahrzehnten geforscht, jedoch gibt es erst seit 2016 eine erste zugelassene Gentherapie gegen die Immunkrankheit ADA-SCID.

Bei den COVID-19 Impfstoffen handelt es sich um RNA- Und Vektor-Impfstoffe, die in keinster Weise auf das genetische Material (DNA) zugreifen. Die in der COVID-19 Impfung enthaltene mRNA produziert nur für einen gewissen Zeitraum das Spike-Protein und wird vom Körper natürlich abgebaut – die Zelle oder gar der Zellkern mit der DNA wird dabei überhaupt nicht verändert (siehe unsere Artikel HIER und HIER).

Da also die COVID-19 Impfung gar keine Gentherapie ist, sind auch die meisten seiner Folgebehauptungen obsolet. Auf die restlichen Behauptungen sind wir bereits in einigen Artikeln eingegangen:

…und noch einige mehr, wir empfehlen dazu einen Blick in unsere Corona-Rubrik mit den gesammelten Artikeln über diverse Behauptungen (siehe HIER).

Ergänzend sei noch gesagt, dass für die COVID-19 Impfung gar keine speziellen Tierversuche nötig waren, da die Technik, nämlich die der mRNA-Impfstoffe, bereits seit den 1990ern an Tieren getestet (siehe HIER) und angewandt wird, beispielsweise bei manchen Impfstoffen gegen Tollwut.

Der Nürnberger Kodex

Der Nürnberger Kodex ging aus dem Nürnberger Prozess hervor, an dessen Ende am 20. August 1947 mehrere Nazi-Ärzte wegen ihrer Experimente und Euthanasiemorde an KZ-Gefangenen zu Todesstrafen und Haftstrafen verurteilt wurden.

Aus dem Prozess erwuchsen nun 10 medizinethische Grundsätze (siehe HIER), welche global von Ärzten befolgt werden sollten.
In Kurzform lauten die Grundsätze:

  1. Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich.
  2. Der Versuch muss so gestaltet sein, dass fruchtbare Ergebnisse für das Wohl der Gesellschaft zu erwarten sind, welche nicht durch andere Forschungsmittel oder Methoden zu erlangen sind.
  3. Der Versuch ist so zu planen und auf Ergebnissen von Tierversuchen und naturkundlichem Wissen über die Krankheit oder das Forschungsproblem aufzubauen, dass die zu erwartenden Ergebnisse die Durchführung des Versuchs rechtfertigen werden.
  4. Der Versuch ist so auszuführen, dass alles unnötige körperliche und seelische Leiden und Schädigungen vermieden werden.
  5. Kein Versuch darf durchgeführt werden, wenn von vornherein mit Fug angenommen werden kann, dass es zum Tod oder einem dauernden Schaden führen wird, höchstens jene Versuche ausgenommen, bei welchen der Versuchsleiter gleichzeitig als Versuchsperson dient.
  6. Die Gefährdung darf niemals über jene Grenzen hinausgehen, die durch die humanitäre Bedeutung des zu lösenden Problems vorgegeben sind.
  7. Es ist für ausreichende Vorbereitung und geeignete Vorrichtungen Sorge zu tragen, um die Versuchsperson auch vor der geringsten Möglichkeit von Verletzung, bleibendem Schaden oder Tod zu schützen.
  8. Der Versuch darf nur von wissenschaftlich qualifizierten Personen durchgeführt werden. Größte Geschicklichkeit und Vorsicht sind auf allen Stufen des Versuchs von denjenigen zu verlangen, die den Versuch leiten oder durchführen.
  9. Während des Versuches muss der Versuchsperson freigestellt bleiben, den Versuch zu beenden, wenn sie körperlich oder psychisch einen Punkt erreicht hat, an dem ihr seine Fortsetzung unmöglich erscheint.
  10. Im Verlauf des Versuchs muss der Versuchsleiter jederzeit darauf vorbereitet sein, den Versuch abzubrechen, wenn er aufgrund des von ihm verlangten guten Glaubens, seiner besonderen Erfahrung und seines sorgfältigen Urteils vermuten muss, dass eine Fortsetzung des Versuches eine Verletzung, eine bleibende Schädigung oder den Tod der Versuchsperson zur Folge haben könnte.

Warum die Impfungen nicht gegen den Nürnberger Kodex verstoßen

Der Nürnberger Kodex bezieht sich samt und sonders auf medizinische Versuche an Menschen, nicht auf getestete und autorisierte Impfstoffe, die dazu da sind, Menschenleben zu retten, insofern ist das Heranziehen des Kodex schon mal unpassend – es sei denn, man hat die Meinung, dass die COVID-19 Impfstoffe ein riesiges, globales Menschenexperiment sind.

Gehen wir aber mal trotzdem die einzelnen Punkte des Nürnberger Kodex durch und schauen, ob die Impfungen den Punkten widersprechen:

  1. Freiwillige Zustimmung: Ist gegeben, denn es gibt keinen Impfzwang
  2. Fruchtbare Ergebnisse: Die Inzidenzwerte sprechen für sich, die Impfung wirkt
  3. Planung auf Ergebnisse von Tierversuchen: Siehe oben, mRNA-Impfstoffe werden schon seit den 1990ern an Tieren getestet
  4. Leiden und Schädigungen verhindern: Eventuelle Nebenwirkungen werden sehr genau beobachtet, weswegen beispielsweise der AstraZeneca-Impfstoff zeitweise nicht verimpft wurde
  5. Keine Versuche, wenn von vornherein mit Tod oder dauerhaften Schaden gerechnet werden muss: Damit wird keinesfalls bei Impfungen gerechnet (wenn dem so sei, wären die Impfungen ein ziemlicher Misserfolg)
  6. Gefährdung niemals größer als die Lösung: Auch da zeigen die Statistiken anderes, sehr viel mehr Leute haben keine oder nur wenige Nebenwirkungen
  7. Ausreichende Vorkehrungen, um Personen vor Schäden und Tod zu bewahren: Dafür existieren die Datenbanken über Nebenwirkungen und die ständig weiter laufenden Untersuchungen
  8. Nur wissenschaftlich qualifizierte Personen: Ja, die Impfungen wurden von wissenschaftlich qualifizierten Personen entwickelt, getestet und durchgeführt
  9. Freiwillige Beendigung: Jedem ist freigestellt, eine Impfung zu beenden, sich keine zweite Impfung zu holen oder sich gar nicht erst impfen zu lassen
  10. Versuchsleiter muss abbrechen können: Auch das ist gegeben, Ärzte sind nicht verpflichtet, die Impfungen durchzuführen, können sie auch jederzeit abbrechen, sind also nicht an eine vormalige Zusage gebunden

Und was ist mit den 10.000 Ärzten und 1.000 Anwälten?

Will Mimikama da etwa behaupten, dass sie mehr Ahnung haben, als eine solche, riesige Anzahl an Ärzten und Anwälten? Was glauben die eigentlich, wer die sind?

Gutes Argument, also schauen wir doch mal, wo die Zahl überhaupt herkommt.
Wie die meisten Artikel der Seite, die den obigen Artikel veröffentlichte, ist er nicht von ihnen selbst, sondern wurde kopiert und wortwörtlich auf Deutsch übersetzt.

Der Originalartikel stammt von der Seite „Humans are free“ (archiviert HIER), auch dort wird von 10.000 Ärzten und 1.000 Anwälten in der Überschrift und im ersten Absatz des Artikels geschrieben. Die wiederum kopierten einen schwedischen Artikel der Seite „Sista Tiden“ (archiviert HIER), der auch diese Zahlen enthält.

Doch die Hangelei geht weiter, denn die schwedische Seite gibt auch eine Quelle an, und nun haben wir endlich die Ursprungsquelle:
Die kanadische Seite „Breaking-News.ca“ (archiviert HIER) berichtete bereits am 3. Mai von dem angestrebten „neuen Nürnberger Prozess“ mit Tausenden von Ärzten und Anwälten – doch auch hier keine Quelle der Zahlen!

Also schauen wir halt direkt auf der Seite von Dr. Reiner Fuellmich – denn der sollte doch sicherlich stolz davon berichten, oder?

Das Ergebnis: Nichts! Weder auf seiner Homepage unter News (am 2. Juni erneut archiviert HIER), noch auf seiner Seite „Corona-Schadensersatzklage“ (am 2. Juni erneut archiviert HIER) finden sich Quellen oder sonstige Hinweise zu den genannten Zahlen, welche eigentlich doch prominent dort stehen müssten.

Fazit

Außer diverse Seiten mit „alternativen Nachrichten“ finden sich nirgendwo Angaben zu den 10.000 Ärzten und 1.000 Anwälten. Einzig die Seite „Humans are free“ verlinkt auf einen anderen Artikel von sich (archiviert HIER), in dem aber auch nur steht, Fuellmich beabsichtige, ein Team von „tausenden Anwälten“ zu organisieren – wiederum ohne jegliche Quellenangabe.

Sogar Fuellmich selbst schreibt auf keinen seiner Seiten von diesen Zahlen, nicht einmal von dem angestrebtem „neuen Nürnberger Prozess“, welcher ohnehin zum Scheitern verurteilt ist, da die COVID-19 Impfungen in keinem Punkt dem Nürnberger Kodex widersprechen, welcher ohnehin nicht auf Impfungen auslegbar ist.

Die Behauptungen rund um einen „neuen Nürnberger Prozess“ sind somit astreine Falschbehauptungen.

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Artikelbild: Shutterstock / Alexander Kirch / Volurol
Auch interessant:
Weit gestreut wird in Videos und Artikeln zur Teilnahme an einer Sammelklage gegen die Corona-Maßnahmen aufgerufen.
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