Der Forschungsbrief über den CO2-Gehalt der Atemluft bei Kinder-Schutzmasken (Faktencheck)

Autor: Ralf Nowotny

Der Forschungsbrief über den CO2-Gehalt der Atemluft bei Kinder-Schutzmasken (Faktencheck)
Der Forschungsbrief über den CO2-Gehalt der Atemluft bei Kinder-Schutzmasken (Faktencheck)

In einem Forschungsbrief wird behauptet, dass bei Kindern unter Schutzmasken massiv erhöhte CO2-Werte gemessen wurden. Doch das Papier weist gravierende Mängel auf!

Der Forschungsbrief erschien in der Fachzeitschrift „JAMA Pediatrics“ (siehe HIER) und trägt den Titel „Experimentelle Bewertung des Kohlendioxidgehalts in der eingeatmeten Luft mit oder ohne Gesichtsmaske bei gesunden Kindern“. In dem Forschungsbrief wird beschrieben, dass unter den Schutzmasken von Kindern signifikant höhere CO2-Werte gemessen wurden.

Die Resultate des Forschungsbriefs sind natürlich Wasser auf den Mühlen von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen:

Auch als Sharepic werden die Erkenntnisse aus dem Forschungsbrief verbreitet:

Die Erkenntnisse des Forschungsbriefs als Sharepic
Die Erkenntnisse des Forschungsbriefs als Sharepic

Auch ein Verein namens „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ (MWGFD) berichtete über den Forschungsbrief. Gründungsmitglieder des Vereins sind u.a. die als Kritiker der Corona-Maßnahmen bekannten Personen Sucharit Bhakdi, Stefan Homburg, Bodo Schiffmann und Heiko Schöning. Auch Wolfgang Wodarg war anfangs noch als Mitglied aufgeführt.

Die gravierenden Mängel des Forschungsbriefs

Die ausführliche Version des in dem Forschungsbrief beschriebenen Experiments lässt sich als PDF-Datei herunterladen (siehe HIER).

Das Messgerät

Als Messgerät für den CO2-Gehalt wurde ein G100 CO2 Incubator Analyzer der Firma Geotech verwendet. Wie der Name bereits sagt, ist das Gerät für die Messungen des CO2-Gehalts in Inkubatoren geeicht, beispielsweise in solchen für die Züchtung von Zellkulturen.
Wie der Hersteller gegenüber dpa äußerte, sei das Gerät nicht für die Messungen von Atemluft zertifizert.

Die Methodik

Der Messschlauch wurde den Kindern zwischen Mund und Nase geklebt. Dadurch wird allerdings nicht der tatsächliche CO2-Anteil in der Atemluft gemessen, sondern der CO2-Gehalt der Luft innerhalb der Maske. Zudem wird ein Teil der in den Schlauch ausgeatmeten Luft, welche etwa 4 Prozent CO2 enthält, auch wieder ein. Nicht beachtet wurde jedoch, dass eine Schutzmaske kein geschlossenes System ist: Der größte Teil der eingeatmeten Luft stammt von außerhalb der Maske.

Da also ein Teil der ausgeatmeten Luft in den Schlauch gerät, diese wieder eingeatmet und danach wieder ausgeatmet wird, summieren sich bei den Messungen absolut erhöhte und unrealistische Werte.

Dazu kommt noch, dass ein G100 CO2 Incubator Analyzer eine Reaktionszeit von 20 Sekunden oder weniger hat, um auf eine Veränderung des CO2-Gehalts zu reagieren. In diesen 20 Sekunden wird aber mehr als einmal ein- und ausgeatmet wird, und da die Geräte steigende Werte schneller anzeigen als sinkende, ergibt sich ebenfalls ein unrealistisch hoher Wert bei den Messungen.

Trish Greenhalgh, Professorin für Medizinische Grundversorgung an der Universität Oxford, erklärte der dpa, dass für korrekte Messungen ein Kapnographie-Gerät verwendet werden müsse. Dies geschah auch bereits in einer Studie aus Italien, die zu dem Ergebnis kam, dass es zu keiner signifikanten Änderung der Atmungsfunktion von Kindern.

Unvollständige und fehlende Resultate

In dem Forschungsbrief wird beschrieben, dass Messungen sowohl mit OP-Masken, als auch mit FFP2-Masken durchgeführt wurden. Wären die Erkenntnisse des Forschungsbriefs korrekt, müssten signifikante Unterschiede zu sehen sein, da FFP2-Masken weitaus stärker die Luft filtern als OP-Masken (was jeder sicherlich mittlerweile aus Erfahrung weiß).
Die Werte sind jedoch annähernd gleich.

Auch wird zwar in Beilage 2 erwähnt, dass die Sauerstoffsättigung des Blutes, die Herzfrequenz und die Atemfrequenz der Kinder ebenfalls gemessen wurden, jedoch finden sich die Daten nicht in dem Forschungsbrief. Gerade die Sauerstoffsättigung wäre jedoch sehr interessant, da diese signifikant sinken müsste, würden die Ergebnisse der Studie stimmen.

Von wem stammt das Forschungspapier?

Dies ist besonders interessant: Unter dem Punkt „Funding/Support“ steht, von wem das Forschungspapier finanziert und unterstützt wurde:

Funding/Support: Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie eV, a public charity, has organized this study and covered only essential expenses, such as travel.“

Oben sprachen wir es bereits an: Jener Verein setzt sich aus teilweise recht bekannten Kritikern der Corona-Maßnahmen zusammen. Zudem besagt zwar der Name, dass die Mitglieder Mediziner und Wissenschaftler sind, unter den Mitgliedern finden sich jedoch beispielsweise auch eine Lehrerin, eine Psychologin, eine Heilpraktikerin, ein „Quantenheiler“ und eine Hebamme.
Die Tagesschau (siehe HIER) setzt sich in einem Artikel kritisch mit dem Verein auseinander.

Der Verein veröffentlichte dann auch selbst exklusiv einen Artikel über das Forschungspapier auf ihrer Homepage, ohne darauf hinzuweisen, dass sie es selbst initiierten.

Der primäre Autor des Forschungspapiers, Harald Walach, ist beispielsweise auch Autor eines Papiers namens „The Safety of COVID-19 Vaccinations—We Should Rethink the Policy“ (siehe HIER), welches wegen unbewiesener Behauptungen zurückgezogen wurde. Er behauptet in dem Papier unter anderem, dass „wir für drei durch die Impfungen verhinderte Todesfälle zwei Todesfälle durch die Impfungen akzeptieren müssen“.

Zudem sei noch erwähnt, dass sowohl der Hauptautor Harald Walach, als auch einige andere Autoren wie Ronald Weikl, Andreas Diemer und Stefan Hockertz dem Verein angehören.

Zusammenfassung

Der Forschungsbrief stammt von einem Autor, der erst kürzlich durch ein Papier mit Falschbehauptungen aufgefallen ist, unterstützt von einem Verein, der sich sehr deutlich gegen die Corona-Maßnahmen richtet.

Das Messgerät und die Methodik sind zudem für die beabsichtigten Messungen absolut ungeeignet, in den Untersuchungsergebnissen fehlen wichtige Zahlen oder sind logisch gar nicht erklärbar.

Warum die Fachzeitschrift den Forschungsbrief trotz der eklatanten Mängel veröffentlichte, ist unklar. Die Kommentare von sehr vielen Fachleuten zu dem Papier sprechen jedoch eine deutliche Sprache: samt und sonders werden der Inhalt, die Methodik und die Zahlen kritisiert.
Die Fachzeitschrift versprach in den Kommentaren, mit dem Autor diesbezüglich Kontakt aufzunehmen, damit dieser sich selbst zu den strittigen Punkten äußert.

Klar kann man jedoch sagen: Der Forschungsbrief beweist absolut nicht, dass Schutzmasken für Kinder gefährlich sind.

Update 19.07.

Der Forschungsbrief wurde mittlerweile von „JAMA Pediatrics“ zurückgezogen (siehe HIER).
In der Begründung heißt es:

„Angesichts grundlegender Bedenken hinsichtlich der Studienmethodik, der Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit der Ergebnisse und Schlussfolgerungen und der möglichen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben die Herausgeber diesen Research Letter zurückgezogen.“

Weitere Quellen: JAMA Pediatrics, Tagesschau, dpa
Auch interessant:
Im Internet kursiert eine Meldung, die besagt, dass zehn Kinder unter einer Lungenpilzinfektion leiden, weil sie Masken getragen hätten.
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