Föten in unserem Essen?

Autor: Tom Wannenmacher

Artikelbild: Shutterstock / Von GagliardiPhotography
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Föten zur Herstellung von Geschmacksverstärkern? Ein knapp drei Jahre alter Artikel einer einschlägigen Seite taucht nun wieder vermehrt auf und sorgte für Anfragen bei uns.

So beschreibt jene Schweizer Seite, welche schon öfter als Quelle falscher oder irreführender Nachrichten auffiel, sich selbst aber als „legitim“ bezeichnet, dass zur Herstellung von Geschmacksverstärkern in diversen Lebensmitteln Föten verwendet werden. Auch gäbe es einen regelrechten Handel mit abgetriebenen Föten, welche weiterverkauft und dann in der Industrie für Kosmetika und Lebensmittel genutzt werden. Dahinter stecke die Organisation „Planned Parenthood“ in den USA, eine Mitarbeiterin soll das sogar zugegeben haben.

Screenshot: Facebook Februar 2021
Screenshot: Facebook Februar 2021

Nein, für Geschmacksverstärker werden keine Föten verwendet!

Trotzdem gibt es einen Zusammenhang zwischen menschlichen Föten und Geschmacksverstärker, den wir hier einmal erklären wollen:

1973 entwickelte die Firma Senomyx eine möglichst einfache und schnelle Methode zur Herstellung zukünftiger Geschmacksverstärker in Getränken und Lebensmitteln. Dazu wurden die Nierenzellen eines abgetriebenen Fötus aus den Niederlanden zu Hilfe genommen.

Jene Zellen mit dem Namen HEK-293 (Human Embryonic Kidney = Menschliche Embryonale Nierenzellen) wurden seit den 70er Jahren von Senomyx weiter kultiviert. Sie finden auch heute noch bei der Entwicklung von Geschmacksverstärkern Verwendung.

Das Patent dazu wurde an verschiedene Firmen wie Nestlé, Pepsi und Coca-Cola verkauft. Wer es wissenschaftlich mag, kann sich hier eine englischsprachige Abhandlung zu dem Thema durchlesen.

Es werden die kultivierten Nierenzellen eines (!) abgetriebenen Fötus aus den 70er Jahren dazu verwendet, neue Geschmacksverstärker zu entwickeln.
Jene sind aber nur zur Entwicklung und Definition jener Geschmacksverstärker da. Die Zellen selbst wandern nicht (!) in den Geschmacksverstärker.

Und was hat es mit „Planned Parenthood“ auf sich?

Die Organisation führt Abtreibungen in den USA durch und steht deswegen unter massiver Kritik. „Planned Parenthood“ verkauft auch tatsächlich etwas, was mit Föten zu tun hat, allerdings an medizinische Einrichtungen zu Forschungszwecken: Gewebeproben.

Es werden also weder komplette Föten noch Körperteile davon verkauft, wie oftmals behauptet wird, sondern Gewebeproben. Für den Laien: Gewebeproben sind wortwörtlich mikroskopisch kleine Teile auf Objektträgern, beispielsweise von der Haut oder von inneren Organen. Für diese Proben bekommt „Planned Parenthood“ zwischen 30 und 100 Dollar pro Stück.

2015 fragte die Seite „Factcheck“ die Direktorin der Harvard Universität und Vorsitzende der sogenannten „Biorepository“ Sherilyn Sawyer, welche sich auf Zellbiologie, Molekularbiologie und Biochemie spezialisierte, nach dem möglichen Gewinnfaktor.
Ihre Einschätzung:

“In reality, $30-100 probably constitutes a loss for [Planned Parenthood]. The costs associated with collection, processing, storage, and inventory and records management for specimens are very high. Most hospitals will provide tissue blocks from surgical procedures (ones no longer needed for clinical purposes, and without identity) for research, and cost recover for their time and effort in the range of $100-500 per case/block. In the realm of tissues for research $30-100 is completely reasonable and normal fee.”

Kurz gesagt: In der Realität bedeutet dies eher einen Verlust für “Planned Parenthood”. Die Kosten für Entnahme, Lagerung und Weiterverarbeitung von Gewebeproben sind sehr hoch, Krankenhäuser verlangen für einzelne Gewebeproben zwischen 100 $ bis 500 $. Im Bereich der Gewebeforschung liegt der Betrag von 30 $ bis 100 $ [für eine Non-Profit Organisation] im absolut annehmbaren Bereich.

Interessanterweise kooperiert „Planned Parenthood“ mit den Behörden und gibt ihnen volle Akteneinsicht über ihre geschäftlichen Tätigkeiten. Allerdings schützt es sie nicht vor der Politik des Präsidenten Trump: Jener unterzeichnete persönlich im April 2017 ein Gesetz, welches den einzelnen Bundesstaaten erlaubt, Organisationen, die Abtreibungen durchführen (also auch „Planned Parenthood“) keine Gelder mehr zukommen zu lassen.

Fazit

Für die Entwicklung von Geschmacksverstärkern werden gar keine abgetriebenen Föten benötigt. Stattdessen wird für die Entwicklung (nicht zur Herstellung!) die Zellkultur eines Fötus aus den 70er Jahren verwendet.

Demzufolge kann „Planned Parenthood“ auch kein Geld mit dem Verkauf jener Föten verdienen, sie verkaufen aber mikroskopisch kleine Proben von abgetriebenen Föten an Forschungseinrichtungen.

Artikelbild: Shutterstock / Von GagliardiPhotography
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